Kapitel 1 - Erwachen

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Stille, niemand war zu hören, keiner war zu sehen. Kälte, sie fraß sich quälend langsam in jedermanns Körper, bereit ein jedes Leben auszulöschen. Hoffnung, der Glaube aller Menschen diese eisigen Tage zu überleben. Und diese Stimme. Die immer lauter werdenden Rufe die sie zwangen ihre Augen zu öffnen. ,,Lucy!" Sie wachte auf, doch musste ihre Augen durch das grelle Sonnenlicht wieder schließen. Woher kam diese Stimme, die sie zu rufen schien? Nach erneutem öffnen ihrer Sehorgane stellte das Mädchen, welches den Namen Lucy trug fest, dass keine Menschenseele in der Nähe war. Sie spürte ihren Körper nicht wirklich, nur die Kälte machte sich bemerkbar. Eines war ihr klar, sie konnte nicht hier liegenbleiben, sonst würde sie erfrieren. Lucy versuchte sich aufzurichten. Dies erwies sich als schwierig, denn die erbarmungslose Kälte sorgte für die Unbeweglichkeit Lucys. Wie lange hatte sie nur hier gelegen? Sie versuchte es erneut und nach dem dritten Mal schaffte sie es sich hinzusetzen. Danach sah das Mädchen sich um. Schnee und Bäume, soweit das Auge reicht. Sonst nichts. Keine Tiere, kein Weg, nicht einmal Büsche waren zu erkennen. Vielleicht lag dies an der dicken Schneeschicht, doch da war sie sich nicht sicher. Eigentlich verspürte sie auch nicht das Bedürfnis es herauszufinden, sie wollte nur hier weg. Lucy versuchte sich zu erinnern wie sie in diesen Wald gekommen war, doch sie musste schockiert feststellen dass sie es nicht konnte! Auch andere Dinge, wie ihr Alter, Wohnort, Familie, nicht einmal ihr Aussehen wusste sie. Langsam kroch Panik in ihr hoch. Was wenn sie keine Familie hatte? Würde jemand nach ihr suchen, oder sie überhaupt vermissen? Gab es ein Zuhause für sie? Auf keine Frage hatte das Mädchen eine Antwort. Es erschreckte sie, schließlich wusste sie nichts mehr. Noch dazu war sie allein. Einzig und allein ihr Name war ihr bekannt, Lucy. Zumindest glaubte sie Lucy zu heißen, denn so wurde sie bevor sie aufwachte gerufen. Und obwohl das Mädchen keine Erklärung dafür hatte, so kam ihr der Name "Lucy" doch sehr vertraut vor. Selbst wenn dies nicht ihrer sein sollte, so beschloss sie, würde sie doch erstmal Lucy bleiben. Ein starker Windstoß riss sie aus ihren Gedanken. Zitternd stand das Mädchen auf und ging instinktiv nach links. Dabei taumelte sie ganz schön, nicht zuletzt durch den stärker werdenden Wind, der versuchte Lucys dünnen Körper zu Fall zu bringen. Tapfer kämpfte sie sich durch den Sturm, darauf bedacht einen Menschen, oder zumindest einen Unterschlupf zu finden. Doch vergebens. Der kräftige Sturm und die Massen an Schnee die er mit sich brachte machten es beinahe unmöglich das Lebenszeichen eines anderen zu erkennen. Sie fing an zu laufen. Lucy lief immer schneller, die Tatsache dass ihre Lippe dank der Kälte anfing zu bluten ignorierte sie. Egal wie schnell sie lief, es nützte nichts. Vor Erschöpfung brach das Mädchen zusammen und blieb bäuchlings liegen. Keuchend lag sie im Schnee und ein Gefühl der Verzweiflung stieg in ihr auf. "Es kann nicht das Ende sein!" dachte das Mädchen und krallte ihre rechte Hand in den Schnee, als würde sie in ihm Halt suchen. Halt, eine Art mentale Stütze. Jemanden der sie anfeuern würde weiterzumachen und jetzt nicht aufzugeben. Das brauchte Lucy jetzt. Doch in diesem Moment war niemand in der Lage ihr das zu geben was sie benötigte, denn sie war allein. Nichts hatte sie, nur den für sie unerklärlichen Drang zu leben und zu laufen. Aufgeben durfte gar nicht infrage kommen! Der Versuch sich wieder aufzurappeln blieb trotzdem Erfolglos. Zu erschöpft war sie. ,,Gib nicht auf!" Lucy riss die Augen auf. Wurde sie gefunden? Niemand war zu sehen, oder zu hören, keiner, nur diese Stimme. "Ich bilde mir das ein..." Mit diesem Gedanken schloss sie ihre Augen wieder. So gerne das Mädchen auf die Bitte der Stimme eingehen würde, es ging nicht. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr und die immer stärker werdende Kälte trug nicht zur Besserung bei. Langsam verlor Lucy jegliche Hoffnung auf Hilfe. Man würde sie nicht finden, nicht rechtzeitig. Sie war sich sicher, in diesem Wald würde sie ihr Ende finden. Schwindel breitete sich in ihr aus, bevor sie nichts mehr mitbekam.

,,Also echt, ich gebe mir Mühe alles aufrecht zu halten und du packst dich in den Schnee und schläfst!" Da war schon wieder diese Stimme! Bloß schien sie nun zum ersten Mal auf eine Antwort von Lucy zu warten. Diese setzte sich auf und schaute sich um. Der Schnee war weg, ebenso wie die Bäume. Stattdessen befand sie sich auf einem Boden aus schwarzem Stein. Auch die Decke und alle Wände trugen die gleiche Farbe, was den Raum sehr dunkel wirken ließ. Auf unerklärliche Weise war es dennoch hell, so dass man alles gut erkennen konnte. Dadurch wusste Lucy auch dass sich nichts in ihm befand. Nur sie und Mädchen, welches sie erwartungsvoll ansah, hielten sich hier auf. ,,Wer bist du?" fragte Lucy und sprach damit zum ersten mal seit sie im Wald aufwacht war. Das fremde Mädchen kam näher, ihre Schritte hallten durch den Raum, dessen Größe nicht wirklich ersichtlich war. ,,Nun, da weiß ich ungefähr genauso viel wie du. Bloß konnte ich dir zumindest deinen Namen sagen. Du hingegen..." Sie machte eine kurze Pause in der sie Lucy musterte. ,,Du hingegen findest nicht aus dem Wald und deine Ausdauer lässt scheinbar auch zu wünschen übrig." Ein freches Grinsen legte sich auf ihr Gesicht während Lucy sie misstrauisch ansah. Dieser fiel durch diese Aussage etwas auf. ,,Dann habe ich deine Stimme im Wald gehört?" ,,Ja ganz genau. Ich weiß zwar nicht wie und wieso aber so ist es. Eigentlich spielt das jetzt auch keine Rolle, denn jemand nähert sich deinem Körper." Seelenruhig setzte sich die Fremde vor Lucy. Es interessierte das Mädchen gerade nicht wirklich was mit Lucy passieren würde. Das sagte sie zumindest sich selbst, denn ihr war klar, wenn etwas mit diesem Mädchen passieren sollte würde es sich auch auf sie auswirken. Und solange sie nicht wusste warum Lucy ihre Stimme hörte und sie sich in diesem Raum befand konnte die Fremde kein Risiko eingehen. Obwohl sie sowieso nicht viel tun konnte, schließlich hatte sie wohl bemerkt dass nur Lucy in der Lage war ihren Körper zu steuern. Wenn sie nicht gerade im Schnee erfror. Der Fremden blieb nur das Reden. ,,Was soll ich jetzt tun?" wollte Lucy wissen. Ihre Gegenüberin reagierte darauf. ,,Tja, wie wäre es wenn du einfach aufwachst?" Wenn Lucy das könnte würde sie es tun. Glaubte sie zumindest, denn versucht hatte sie es bislang noch nicht. Das wollte sie nun ändern. Einen wirklichen Plan wie sie das anstellen würde hatte sie nicht, also versuchte sie einfach irgendwas. Immer wieder schloss sie ihre Augen und öffnete diese wieder. Zwecklos, denn sobald sie wieder etwas sah, war sie weiterhin am selben Ort. Das ihr Fremde Mädchen saß immer noch ihr gegenüber und grinste nach jedem Versuch Lucys breiter. So würde das mit dem aufwachen bestimmt nicht funktionieren. Stöhnend gab Lucy auf und beschloss das andere Mädchen im Raum genauer anzusehen. Viele andere Beschäftigungen gab es momentan ja nicht. Dabei fielen ihr besonders ihre smaragdgrünen Seelenspiegel auf. Ihre rotblonden Haare waren etwa Brustlang und glatt. Sie war leicht gebräunt und auf ihrer Haut waren vereinzelt ein paar wenige Narben zu erkennen. Die seltsame Form eines Mals auf dem Oberarm des Mädchens kam Lucy bekannt vor, doch sie konnte nicht sagen wieso. Da sie sich aber sowieso an rein gar nichts außer ihren Namen erinnern konnte war letzteres auch nicht verwunderlich. Trotzdem war Lucy sich sicher, dieses Mal hatte sie schon einmal irgendwo gesehen. ,,Genug gestarrt?" wollte die belustigte Fremde wissen. Mittlerweile war diese aufgestanden und wartete eine Antwort schon gar nicht mehr ab. Sie trat näher und stellte sich hinter Lucy. ,,Du scheinst nicht in der Lage zu sein selbst aufzuwachen. Man... Immer muss man alles selber machen." Überrascht schaute Lucy auf. Wollte sie wissen wie das Mädchen ihr helfen würde? Fast unmerkbar schüttelte sie den Kopf. Warscheinlich eher nicht. Lucy hoffte nur dass die Methoden der grünäugigen mehr helfen würden als ihre eigenen. Die Tatsache dass das Mädchen keine Reaktion sah die Unbekannte als Bestätigung, dass Lucy nichts einzuwenden hatte. "Gefällt mir..." dachte das rotblonde Mädchen. "Manchmal muss man Dinge einfach so hinnehmen wie sie sind." Mit diesem Gedanken hob sie ihre Faust und schlug Lucy so hart auf den Kopf, dass diese zusammenzuckte und umfiel. Ihr wurde schwarz vor Augen. Das letzte was sie sah war das Grinsen der Fremden, dass gemeiner aussah als sie eigentlich wollte. Lucy hörte dann nur noch die Stimme des Mädchens, bevor sie bewusstlos wurde. ,,Viel Glück Prinzesschen. Du wirst es brauchen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 07, 2020 ⏰

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Coldness - Zwei SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt