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Leipzig – Innerhalb einer Woche gilt nun der Nächste Jugendliche als vermisst. Was steckt dahinter? Ein schlechter Trend? Eine Challenge? Oder eine kriminelle Bande? Liebe Eltern, reden Sie mit ihren Kindern über mögliche Gefahren durch Fremde! Bei Hinweisen melden Sie diese bitte der Leipziger Polizei.

Die ersten News des Tages, welche mir bei Facebook angezeigt wurden, und wieder ein Grund mehr zu Sorge was aus unserer Welt nur werden würde.

Die frische Luft wehte mir in mein Gesicht als ich versuchte mit meiner linken Hand die Balkontür zu öffnen, während ich in der anderen Hand eine Tasse englischen Tee hielt. Ich bin mir sicher, dass mein verzweifeltes Manöver mich auf den Balkon zu setzen, von außen ziemlich bescheuert aussah.

Irgendwie schaffte ich es dann doch mich, ohne meinen Tee auszukippen, auf einem der beiden Klappstühle zu platzieren. Während ich durch meine über Nacht angesammelten Nachrichten scrollte, richtete ich meine Ohren auf die dominante Stimme meines Vaters, welcher sich scheinbar wieder mit Vorwürfen an meine Mutter richtete.

So viel zum Thema die Ehe wäre eine Bereicherung für jedermanns Leben. Wer auch immer diese Aussage getroffen hat, vergas das es solche Leute wie mich gab – die, die zu inkompetent für die Liebe sind.

Mit den 3 letzten Schlucken trank ich meinen Tee aus und begab mich wieder nach Drinnen. Durch schwere Schritte lief ich die Treppe Richtung Küche hinunter, abwartend, mit was mir meine Eltern gleich wieder ankommen würden. Und wie es nicht anders zu erwarten war stand meine Mutter am Herd während sie Papa mit Anschuldigungen ankeifte.

„Guten Morgen Schatz", sprach mein Vater und sendete mir einen Luftkuss zu. „Guten Morgen? Wohl eher Guten Mittag. Du kannst nicht den ganzen Vormittag schlafen! Hast du dich um deine Bewerbungen gekümmert?", wollte meine Mutter von mir wissen. Nur ein genervter Blick als Antwort schien er zu reichen, ansonsten hätte sie sich nicht laut ausatmend wieder dem Essen zugewandt.

„Habt ihr die Nachrichten gelesen? Da ist schon wieder ein Teenager verschwunden. Langsam wird es gruselig", fragte ich meine Eltern.

Mein Vater runzelte die Stirn und Mama zuckte nur mit den Schultern.

Je älter ich wurde, desto mehr hatte ich das Gefühl meine Eltern würde vergessen das ich ihre einzige Tochter bin. Spielt da die Midlifecrisis eine Rolle? Oder doch die Wechseljahre?

Seufzend ging ich wieder in mein Zimmer. Schnell suchte ich mir ein komplettes Outfit aus dem Schrank und zog mich in Rekordzeit um. Ein fixer Blick in den Spiegel verriet mir das mit Schminke eh nichts mehr zu retten ist, weshalb ich nur meine Haare kämmte und anschließend Richtung Haustür marschierte.

Ich verabschiedete mich von meinen schwer beschäftigten Eltern, steckte mir meine Kopfhörer in beide Ohren und lief raus.

Wir hatten Anfang Mai, das Wetter war ideal. 20 Grad, Sonne, aber ein leichter Wind wodurch es perfekt war. Gerne kann das Wetter die nächsten 12 Monate so bleiben.

Ich hasse den Winter, es ist kalt, dunkel, und Schnee haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Im Frühling treffen sich Paare zu einer XXL-Orgie im Park und stecken sich permanent die Zunge in den Hals. Im Sommer zeigen sich alle ihre nackten, perfekten Körper und die Hitze ist alles andere als angenehm. Im Herbst geht die Schule los, das ist schon ein Hass-Grund genug. Also, Anfang Mai ist und bleibt perfekt.

Mein Handy spielte gerade Riptide von Vance Joy ab, ich gab mir mühe nicht leise mit zu murmeln, aber bei bestimmten Liedern viel mir das zu schwer. Also bewegten sich meine Lippen widerwillig zum Text.

Ich setzte mich in einen nahegelegenen Park und genoss die Sonnenstrahlen, welche durch einen Baum in mein Gesicht schimmerten. Ich beobachtete die verschiedensten Leute, Familien, die zum Spielen hier waren, ein Paar saß in der Wiese und picknickte, 100 Meter weiter war eine Sport Gruppe, die sich die Seele aus dem Leib rannte. Verrückte Leute gibt es.

Ein Paar Bänke weiter saßen 2 Herren, mir blieb nicht unbemerkt das ihre Blicke ständig auf mich gerichtet waren. Der eine war um die 20, braune Locken, breit gebaut, und um genau zu sein wunderschön. Seine Markanten Wangenknochen liesen ihn noch männlicher Wirken als es seine Muskeln schon taten.

Der andere war Mitte bis Ende 30. Ein normaler alter Mann.

Das Gefühl, sie würde mich beobachten lies nicht nach. Ganz im Gegenteil, inzwischen bildete ich mir schon ein sie würden über mich reden. Hinschauen ging nicht, das wäre zu auffällig, also beschloss ich meine 4 Buchstaben von der Bank zu heben und mich wieder auf den Heimweg zu machen.

Ich war keine 10 Meter gelaufen, als mich eine Hand an der Schulter packte und einmal um 180 Grad umdrehte. Vor lauter Schock fiel ich so gut wie über meine eigenen Beine, aber 2 starke Arme bewahrten mich vor einem Sturz.

„Oh Gott, Verzeihung, das wollt ich nicht", sprach eine tiefe, rauchige Stimme zu mir, „Ist alles gut bei dir?". Erst jetzt konnte ich ihm in sein Gesicht schauen. Wie nicht anders zu erwarten stand vor mir der junge Mann und von nahem wirkte er auf mich noch attraktiver und anziehender. Als Antwort auf seine Frage nickte ich nur und gab mir Mühe ihn nicht wie eine verkorkste Jungfrau anzustarren.

Er grinste mich selbstsicher an und streckte mir seine Hand entgegen. „Ich bin Matthew, und wer bist du?" „Gr-Grace" „Freut mich dich kennenzulernen Grace. Das klingt zweifelsfrei ein wenig komisch, aber naja. Wie soll ich sagen, du bist mir gerade aufgefallen und ich würde dich gerne auf ein Abendessen einladen. Hast du Lust?", fragte er mich verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.

Ich glaube Aphrodite, die Göttin der Liebe, hat nach 19 Jahren meine Akte gefunden und kann sich nun endlich um mich kümmern.

„Gerne, aber-", weiter kam ich nicht da ich von ihm unterbrochen wurde. „Alles klar, so machen wir es. Heute Abend hier um 7", quasselte er dazwischen, lächelte mich nochmal an, ehe er wieder zu seinem, mir, unbekannten Freund joggte.

Völlig perplex von der Situation blickte ich ihm hinter her bis die beiden um die Ecke liefen und damit aus meinem Sichtfeld verschwanden.

„Matthew", sagte ich mir selber nochmal und begab mich in Richtung Nachhause.

Stockholm-Syndrom | mrsswhateverWhere stories live. Discover now