Lichtstrahlen der Sonne tauchten durch das Wolkenmeer, mehr und mehr, bis jenes davonzog und dadurch das gesamte Land erhellte. Der Trübe Morgen war entwichen, die Sonne stand bereits in ihrem Zenit und wärmte die Häupter der Menschen. Von ihm warf die Sonne einen mächtigen Schatten, denn seine Gestalt erhob sich hoch vom Boden. Ein Soldat aus dem Land Sparta. Nein, nicht nur Soldat, mehr ein ranghoher General der Militärmacht, einst jüngster Hauptmann der Legion aus Rom, der vor langer Zeit desertierte und sich die Bräuche, vor allem aber auch die Kampfkünste und eiserne Disziplin des mächtigen Kriegervolkes von Sparta aneignen liess. Die alte Welt, das alte Rom, interessierte ihn nicht mehr. Seine Augen weinten nun ägäische Tränen, sein Herz schlug beim horchen vom Blitzgewitter in schnellen Schritten, durch sein Blut floss griechischer Wien, kurz: Er war nun zu Hause angelangt. Die kühle Brise strich ihm durch das Gesicht, er sog die frische Meeresluft durch seine Nase, hörte das brechen der Wellen an steinerne Wände.«General. Ich habe dich gerufen, hast du mich nicht gehört? Es schien, als seist du versteinert, als ob du gefroren wärst.» «Aber nein, Atreus, gewiss nicht. Ich träumte viel mehr. Von einem Jungen Mann, der weit in der Zukunft lebte. In seinem Leben gab es Probleme und Verwirrung. Jedoch eines Tages, schaffte er einen Lichtblick, eine Perspektive, die ihn noch weiter brachte. Er war mir im Charakter ähnlich: Er schien, als wäre er sogar ich.» «Viele bewundern dich, fürchten dich, verfluchen dich, doch wenige kennen dein edles Herz, Flavius.» «Mir reicht schon deine Treue, Atreus.» General Flavius wandte sich von seinem Mitstreiter ab und richtete sich an die restlichen Soldaten des Trupps «Männer. Es gibt nur eines; Sieg oder Tod. Für den Gegner zählt dasselbe. Doch wir, wir kämpfen viel mehr als für das Leben. Für unsere Erde, unsere Früchte, unsere Blumen, unsere Frauen, unsere Söhne, unsere Töchter und unsere Kultur. Im Leben finden wir Liebe, im Tode finden wir die Ehre!» Die Antwort folgte in Form von lautem scheppern auf Metallschilde. Den General begnügte dies, wie Musik für seine Ohren klang das mächtige Getose. Bereit für Krieg, bereit für Blut, bereit für Tod. Ihr Marsch sollte sie nach Pergamon führen, einer Stadt im grossen Perserreich. Flavius wusste, dass ein Sieg und Eroberung über diese Stadt Sparta einen immensen Vorteil verschaffen würde, da persische Truppen gezwungen wären, zur Verstärkung nach Pergamon zu ziehen. «Wir sollten zu Ares beten, mein Herr.» wagte einer der Spartaner zu rufen, ein junger Knabe, gerade Sechszehn Jahre alt, allerdings sehr gut gebaut, nur um durch das Kopfschütteln seines Generals enttäuscht zu werden «Nein, das ist nicht notwendig. Ehrlich gesagt, ist es sogar überflüssig.» «Glaubt ihr nicht an den Kriegsgott, Herr?» Flavius schüttelte den Kopf «Das ist es nicht, mein Junge. Sondern glaube ich viel mehr das Ares längst tot ist. Genau wie seine Brüder und sogar sein Vater. Alle sind sie bereits tot und in alle Winde verstreut. Nur unsere Gebete erinnern an sie. Doch frage ich dich, junger Spartaner, was ist dir wichtiger: Das Leben deiner Mutter, deiner Schwester. Deiner Geliebten, deiner Tochter? Oder leere Worte, an tote Gestalten gerichtet? Nicht Ares führt dein Schwert, sondern deine eigene Hand, Sohn.» Flavius gestierte, berührte den jungen Soldaten an der Schläfe und an der Brust «Und nicht dein Schwert vollbringt Heldentaten, sondern dein Verstand und dein Herz. Ruhig, konzentriert, gnadenlos kämpfst du nicht gegen Soldaten, sondern gegen den Tod. Du musst ihm ausweichen, ihn abblocken, zurückschlagen, ihn töten. Dann lebst du weiter, doch der Tod ist hartnäckig. Selbst Ares erlag ihm.» Der junge Spartaner nickte schwer «Ich werde euch nicht enttäuschen, General Flavius.» Atreus, der Hauptmann, lächelte über Flavius Lehren und seiner Barmherzigkeit. Seine smaragdgrünen Augen machten Mut, weckten Freude, Lust und Glück. Aber auch das wichtigste sah man, wenn man ihn anblickte – Hoffnung. Atreus von Sparta war einer der wenigen Spartaner die stets lächelten, selbst ihn dunkelsten Zeiten. Das machte ihn zu einem wunderbaren und engen Freund von Flavius.
Einige Tage später, als der mannstarke, von Flavius angeführte spartanische Trupp weiter Richtung Landesinnere marschierte, passierten sie ein grosses Feld, das am Fusse eines Hügels stand. Auf jenem Feld fanden sich sehr viele Löcher, die allesamt an Gräber erinnerten. Leere Gräber, die vorbereitet wurden, denn nicht weiter weg stand eine Gestalt, die mit einem Spaten bewaffnet soeben Erde aus einem weiteren Loch schaufelte. Die Gestalt stellte sich als älterer Herr heraus, der wegen seiner tief ins Gesicht gezogenen Kapuze und Mantel einem Geist ähnelte. Der alte Mann drehte sich um, ein Lächeln war von seinem schmutzigen Antlitz abzulesen. Flavius näherte sich dem Greis, welcher in zerlumpter Kleidung seine Arbeit einstellte und dem Spartaner freundlich zunickte «Grüsse euch, edler Herr. Weit weg von zu Hause, nicht wahr?» «Guten Tag wünsche ich und akzeptiert bitte meinen Respekt, Ältester. Eigentlich bin ich hier genau richtig. Dieses Land wird bald Sparta sein, und weiter hinaus.» Der alte Mann grinste grässlich, man konnte bereits eine Fratze erkennen «Das ist wohl wahr. Hier bist du absolut richtig, junger Mann.» Schweigend setzte der Gräber seine Arbeit fort, schaufelte schnell Erde aus dem Loch. «Was tut ihr hier, wenn ich fragen darf.» «Oh, ihr dürft absolut fragen, edler Herr. Ich schaufle hier Gräber. Gräber für die Toten.» «Ich sehe hier keine Toten, Ältester. Nur viel Land, weit und breit keine Seele, ausser ihr natürlich.» Der Greis grinste erneut, sein Blick ging über die Schulter von Flavius zu seinen Soldaten «Ich schon. Viele neue Tote, deren Körper hier liegen werden, deren Seelen in die Unterwelt wandern werden.» Der General schwieg, musterte den Mann, welcher mit dem Finger auf sein eben aufgeschüttetes Loch zeigte «Seht, General, das hier ist euer persönliches Grab. Tiefer, breiter, dunkler als das eurer Gefährten. Würdig für einen Gotteslästerer und Deserteur.» Jähzorn durchströmte Flavius Körper, seine Finger zuckten bereits zum Schwert hin, doch er wusste es besser und verstummte innerlich, liess sich nichts anmerken. «Ältester, vielleicht solltet ihr eine Pause machen. Die Sonne schlagt euch aufs Gemüt.» Erst jetzt bemerkte Flavius die hellblau funkelnden Augen, die ihn aus dem Kopf des alten ansahen, viel eher anlachten «Oh, ich danke euch, aber darüber braucht ihr euch nicht zu sorgen, edler Herr. Helios Macht kann mir nichts anhaben.» Das Grinsen des Alten war unheimlich, fast beängstigend, jedoch nicht für Flavius, der ihn stoisch betrachtete. Mit dem Finger zeigte der Greis auf seine Kapuze «Ich bin ihm längst zuvorgekommen.» Schweigend drehte sich Flavius zu seinen Männern «Soldaten! Wir marschieren weiter.» Über die Schulter blickend verabschiedete sich der General vom alten Mann und schritt voran. «Dein Herz kannst du hergeben, auch deinen Körper. Niemals aber deine Seele. S.P.Q.R – Vergiss das nie, Römer.» flüsterte eine Stimme. Blitzartig drehte sich Flavius um, doch der alte Mann war bereits einige Entfernung weiter und schaufelte an einem neuen Loch. Kalter Schauer floss dem General den Rücken runter. Obwohl er Spartaner war, obwohl sein Wille eisern, so war er doch Mensch. Dieses Treffen mit dem Totengräber bereitete ihm Kopfschmerzen. Vielleicht lag es aber auch an der Sonne. An 'Helios Macht', wie der alte Mann sagte. Als Flavius sich nach einiger Zeit Marsch umdrehte und zum Grabhügel blickte, entdeckte er einen majestätischen Adler, der um das Feld segelte, bevor er sich hoch in die Lüfte erhob.