formschön

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etwas brutal und sicherlich auch gewöhnungsbedürftig, lest mit Vorsicht und nur wer es kann!

Und mir wird klar, dass ich ihr dabei zugesehen habe, wie sie dich verbiegt.
Du warst so unbeschreiblich verliebt in sie, die klare reine Seele. Sie war so tief, dass du nie von einem Grund erzählt hast. Du dachtest, dass sie Teil des ganz Großen ist, ein Einzelstück mit himmlischen Attributen. Du fühltest dich wie der glückliche Finder, Menschen entdecken so gerne Dinge.
Ich schaue ihnen dabei schon viel zu lange zu, um nicht gelangweilt zu werden. Das Leben ist ein Kreislauf aus dem nie jemand ausbricht, wendern Abkürzungen nimmt, um dann hier zu enden. Menschen überhäufen einander mit Liebe, wenn sie selbst welche möchten und mit Neid, weil sie nichts anderes kennen.
Der Mensch ist nicht vom Ursprung her böse, aber sie ist es und wie hässlich sie ist mit den langen Krallen, dem bellenden Lachen, den messerscharfen Zähnen und den seidigen Haaren. Sie sieht nur aus wie du, aber sie ist es nicht.
Ihr ist das bewusst, dir nicht. Du hast viel mehr in deinem Blick gehabt, bis du dich hast einfangen lassen.
Die dampfende Presse wurde geöffnet, angeblich rein für dich entworfen, angepasst für deine formschöne Gestalt. Du sollst nämlich wenig dabei leiden, wenn dir die Seele genommen wird, weißt du? Das sagt sie allerdings jedem.
Es war mühsam dich einzuspannen, denn du stelltest Fragen und kurz sah ich dich über sie siegen, oh wie gerne hätte ich ihre Fratze danach gesehen. Jemand wie sie stirbt nicht, es wäre dennoch so herrlich gewesen. Mein Triumph in deiner Gestalt.
Es kam allerdings wie es kommen musste, um Mitternacht. Durch zu viel Honig willig gemacht, liest du dich im romantischen Kerzenschein festbinden an die glühende Form. Sie verbrannte fast sofort dein ganzes Haar, diese schönen pechschwarzen Locken. Danach ging es deinen Knochen an den Kragen. Du warst zu groß für ihre Vorstellungen und dann mussten sie dir eben gebrochen werden. Kriechend bleibst du unterhalb der Toleranz, dachtest du. Und ich auch.
Sie ist nie weiter gegangen, wenn sie einen Schmetterling hatte, riss sie nie die Flügel aus. Bis auf bei einem, deinem.
Die Arme gingen schlaff neben dir herab, als gehörten sie gar nicht mehr zu dir. Menschenleere wollte dich überkommen, aber sie wollte es nicht. Erst sollten alle ihr Werk sehen können, immerhin hat sie viel Arbeit und Zeit in dich investiert. Die ersten Jahre kamst du damit zurecht, bis sie zurück gekommen ist.
Deine blinden Augen erkannten sie nicht, erneut ein Schachzug ohne Gleichen. Die Formen haben sich verändert, du, der Mustermann sollst nun wieder Muster sein.
Nur eine Sache hat sie nicht bedacht, dass die von ihr zerstörten Beine, nun keine Länge mehr haben können, wie sie es aber nun so gerne hätte. Da tobt sie, rasend vor Wut, bewirft dich mit Kerzen, sodass der Kerzenwachs schon tropfend von deinem Kinn deine Hände trifft, bis sie den Sinn versteht. Dein Gesicht sieht noch immer nach dir aus, trotz versenkter Haare und blinden Augen, tauben Ohren und vollen Lippen.
Du kannst nur in ein Ideal passen und das ist nicht ihres. Sie kann dich so oft brechen wollen, ein Teil wird bleiben und wenn er unter den Fingernägeln hängt.
Wütend wie ein kleines Kind greift sie nach der letzten Lösung und pustet dir jegliches Feuer aus, bis deine Haut leicht wie eine Feder geworden ist und deine Knochen ganz elastisch. Sie hat dich nicht gänzlich verbiegen können, trotzdem hat sie es unermüdlich versucht. Jede Stellschraube wird gedreht und alle Wundermittel versucht.
Und mir wird klar, dass ich ihr dabei zugesehen habe, wie sie dich umbringt.

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