Gezwungen zur Flucht

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Die Patrouille kam direkt auf uns zu und mit jedem Schritt, den sie weiter auf uns zuschritt, erkannte ich ihre ernsten Gesichter immer mehr. Als vor uns das Psiana und Aquana angekommen waren, überspielten sie den Ernst und wünschten uns mit einem warmen Lächeln einen schönen Morgen. Meine Gefährtin hielt es vor Ungeduld gar nicht mehr aus und statt einen Morgengruß zu erwidern, platzte ihr gleich die Frage über deren Besuch heraus. Ich als Anführer verfiel nicht in Panik und blickte nun neugierig, aber auch mit dem gewissen Ernst zu der Patrouille. "Also?", wollte ich sie dazu bringen, zu berichten, nachdem ich gemerkt hatte, dass es offenbar nicht so leicht war, darüber zu sprechen. Glaziola neben mir zappelte immer nervöser mit ihren Pfoten und auch ihr Gesicht war nun vollständig in Sorgenfalten gelegt. Das Aquana schien dann die richtigen Worte gefunden zu haben: "Ähm... es ist im Wald. Und zwar in westlicher Richtung." "Was ist da?", fiel ihm meine Partnerin ins Wort. Das Psiana meinte: "Es sind Menschen." Bei diesen Worten erhöhte sich mein Puls schlagartig. Ich vermutete: "Sind es Wilderer?" Die Patrouille schüttelte ahnungslos die Schultern. "Wir wissen es nicht genau. Du siehst es dir am besten mal selbst an.", sprach das Wasserpokémon zu mir. Etwas überrascht darüber, dass sie nicht wussten, ob es Wilderer waren, sah ich sie perplex an. Das würde man doch sofort erkennen, ob es Wilderer waren oder nicht. Trotzdem wollte ich mir das selbstverständlich mal genauer unter die Lupe nehmen und war daher bereit, ihnen zu folgen. Glaziola sah mich ängstlich an. "Bitte komm heil zurück.", flehte sie mich an. Ich umarmte ihren schlanken Hals mit meinen beiden Pfoten und lächelte sie an: "Keine Sorge. Mir wird nichts passieren. Und mach dir auch keine Gedanken um die Menschen. Kein Problem ist unlösbar. Beginn doch in der Zwischenzeit schon mal mit der Arbeit." Zum Abschied gab ich ihr noch einen Kuss, ehe ich dann mit der Patrouille mit einem leichten Unbehagen das Feld in Richtung Wald verließ.

Das Psiana und Aquana führten mich wie bereits angekündigt in den Wald und gingen anschließend nach Westen. Beim Gehen sah ich immer wieder zum Feld zurück, welches unter der Sonne golden erschien. Bis jetzt war der Tag so perfekt gewesen. Aber es war offenbar zu perfekt gewesen. Still wanderten wir durch den schattigen Wald, der mit sanften Flugpokémon-Gezwitscher und einer angenehmen Brise eine sehr friedliche Atmosphäre schaffte. Wie trügerisch das doch war. Da mir noch keine genaue Vorstellung blühte, wie ernst die Lage wirklich war, durchbrach ich das Schweigen und fragte nach ihrer Einschätzung. Das Aquana redete nicht um den heißen Brei herum und verkündete ihre ehrliche Meinung: "Nun, wir wissen zwar noch nicht, was die Menschen vorhaben oder ob sie Pokémon überhaupt jagen, aber dafür sind es ziemlich viele und sie haben auch komische Geräte dabei, mit denen sie die Bäume fällen." Seine Aussage verwirrte mich nur noch mehr. Es war ja tatsächlich nicht das erste Mal, dass wir mit Menschen als Wilderer zu tun hatten, aber Wilderer, die Bäume fällen? Das war mal was Neues. "Und warum machen sie das? Oder wie viele wollen sie denn fällen?", waren meine nächsten Fragen. Darauf konnten sie mir jedoch keine Antwort geben. Das würden wir wohl noch herausfinden müssen. Für das Erste war ich auf jeden Fall beruhigt, denn wenn sie es nur auf Bäume abgesehen haben, waren wir vorerst nicht in Gefahr. Dennoch beunruhigte es mich, nicht genau zu wissen, was die Menschen vorhatten.

Wir wanderten bestimmt schon einige Minuten durch den stillen Wald, als diese friedliche Ruhe durch ein Surren gestört wurde. Es schien zwar noch weit weg zu sein, aber da ich so ein Geräusch noch nie gehört hatte, wurde ich nervös. Psiana sagte mir: "Das sind die Menschen! Sie fällen wohl wieder einen Baum." Gespannt, was das sollte, beschleunigten wir unsere Schritte. Das Surren wurde mittlerweile zu einem ohrenbetäubenden Rattern, das wirklich kaum auszuhalten war. Wir hatten uns jetzt ziemlich nah an die Menschen herangepirscht - nur noch ein paar Meter trennten uns von ihnen - und beobachteten sie versteckt hinter einem Baum. Gleich eine ganze Gruppe aus sechs Menschen war gerade damit beschäftigt, einen Baum zu fällen. Und sie waren damit nicht die Einzigen. Viele weitere Gruppen taten das selbe an anderen Bäumen. "Für was brauchen die nur so viel Holz?", brachte ich geschockt heraus und fand es einfach nur grässlich, wie sie mit dem Wald umgingen. Ich meinte, auch wir verwendeten Holz für unsere Hütten, doch begnügten wir uns damit, umgekippte Bäume zu verwerten, die einen Sturm nicht überlebt hatten. Dann gab es plötzlich einen lauten Knall und wir erschraken alle zusammen. Nach dem  Schock sahen wir zu den Menschen. Es war ein Baum, der gerade gefällt worden war, was die Menschen zum Jubeln brachte. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln. "Und was denkst du? Droht uns Gefahr?", fragte mich dann Psiana. Ich blickte nochmal zu den Menschen. Wenn ich das nur wüsste. Vermutlich besteht für uns keine Gefahr; sie konnten doch unmöglich den ganzen Wald niedermachen. Wir hörten die Gruppe der Menschen, die soeben den Baum gefällt hatte, miteinander reden: "Nur noch wenige Bäume bleiben übrig und die harte Arbeit ist zu Ende.", "Ja, dann sind es wirklich genug." Erleichtert blickte ich zu Psiana und Aquana. Offenbar war wirklich alles in Ordnung. Wir wollten schon den Rückweg antreten, als die Unterhaltung weiterging: "Genau, dann fängt erst der spaßige Teil an.", "Sobald wir nämlich die Bäume nahe der Stadt gefällt haben, können wir die viel schnellere Methode anwenden.", "Dann brennen wir alles bis zum Fluss nieder einschließlich der flachen Wiesen und Felder.", "Immerhin wächst ja die Stadt und braucht mehr Wohnraum.", "Meinst du aber nicht, dass die Pokémon im Wald dann ihren Wohnraum verlieren?", "Hey, willst du ernsthaft sagen, dass der Lebensraum von Pokémon wichtiger als der von Menschen ist?", "Du hast Recht. Kommt, machen wir weiter."

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