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So schnell ich kann mache ich mich auf den Weg zu meinem Hotel. Seit ich die Entscheidung getroffen habe, möchte ich keine Sekunde Zeit mehr verschwenden.

Mit eiligen Schritten laufe ich im Hotel die Treppe hinauf bis in den fünften Stock. Der Aufzug würde mir zu lange brauchen, da bin ich zu Fuß um einiges schneller.

Völlig außer Atem komme ich an meiner Zimmertür an. Bevor ich sie mit meiner Schlüsselkarte öffne, hole ich noch einmal tief Luft. Ich stecke die Karte in den Schlitz an dem Türgriff und öffne die Tür, als der Sensor grün leuchtet. Da bereits eine Karte im Lesegerät für den Strom steckt, schiebe ich meine in die Hosentasche und schließe die Tür hinter mir.

"Baby?", höre ich sie schon nach mir rufen. "Alles okay?"

Dieses mal verdrehe ich nicht nur innerlich, sondern auch tatsächlich meine Augen. Ich bin erleichtert, die Sache mit ihr endlich zu beenden. Natürlich hat mich niemand dazu gezwungen mit ihr rumzumachen, aber es war mir eine nur allzu willkommene Ablenkung. So musste ich wenigstens nicht rund um die Uhr an Kat denken und konnte immerhin hin und wieder ein wenig abschalten.

Langsam gehe ich in den Raum hinein. Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Bett und schaut sich irgendetwas im Fernsehen an. In der rechten Hand hält sie ihr Handy, von welchem sie gerade aufblickt und mich lächelnd ansieht. Sie kann sehr süß sein, aber ich weiß genau, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat und man bei ihr verdammt vorsichtig sein muss. Ich glaube, wenn man es sich mit ihr verscherzt, kann das richtig ungemütlich werden. Also muss ich jetzt auch äußerst behutsam vorgehen.

Seufzend setze ich mich zu ihr auf das Bett und mustere sie kurz von Oben bis Unten. Sie trägt immer noch das Negligé, das ich ihr letzte Nacht noch vom Leib gerissen habe. Es steht ihr unheimlich gut! Sie sieht sehr heiß darin aus. Und das weiß sie auch. Sie versteht es einen scharf zu machen.

Genau das versucht sie gerade auch wieder. Spielerisch wickelt sie sich eine ihrer langen, blonden Strähnen um den Finger und fixiert mich dabei mit ihren Augen.

"Wie war dein Termin?", will sie wissen.

Sie legt ihr Handy beiseite und krabbelt zu mir herüber. Sie will sich auf meinen Schoß setzen, doch ich drehe mich ein wenig zur Seite. Verwundert sieht sie mich an.

"Was ist los?"

Sie rückt nahe an mich heran und fährt mir zärtlich über meinen Oberschenkel. Es dauert nicht lange, da haben sich ihre Finger den Weg zu meinem Schritt gebahnt und sie greift fest zu. In den letzten Wochen entstand bei dieser Berürung immer sofort eine Beule, dieses mal aber nicht mehr.

Ich muss kurz grinsen. Meine Entscheidung für Kat ist also in all meinen Körperteilen angekommen.

"Hör zu.", beginne ich vorsichtig und rücke von ihr ab.

Sie lässt ihre Hände auf die Decke sinken und kneift misstrauisch ihre Augen zusammen.

"Das mit uns beiden, das hat leider keine Zukunft.", versuche ich es zu erklären. "Ich glaube, wir sollten das an dieser Stelle beenden."

"Warum?", fragt sie sofort und richtet sich kerzengerade auf.

"Weil das, was ich für dich empfinde, nicht genug ist. Es war wirklich schön mit dir, es hat Spaß gemacht und ich bereue auch nichts davon, aber jetzt möchte ich es beenden.", lüge ich.

Niemals war da auch nur der Funke einer Empfindung für sie. Außer Lust und Geilheit.

"Hast du eine Andere? Warst du etwa gerade bei ihr?"

In Windeseile springt sie vom Bett auf und läuft hinüber zu ihrer Tasche. Sie zieht sich ein Kleid heraus und streift es sich über. Nicht ohne dabei sehr bedacht auf ihre Körpersprache zu sein. Sie möchte mir beweisen, was ich verpasse, wenn ich sie gehen lasse. Aber das ist mir egal.

"Das spielt doch keine Rolle. Das ist eine Sache zwischen dir und mir."

Es ist ein schwacher Versuch von diesem Verdacht abzulenken, aber ich möchte sie auch nicht anlügen. Andererseits waren wir kein Paar. Wir haben nie darüber gesprochen, was das genau ist. Ob es eine Affäre oder eine Beziehung ist, wurde nie thematisiert. Aber auf keinen Fall habe ich sie als meine Freundin gesehen. Demnach macht der Ausdruck, dass ich eine Andere hätte, für mich keinen Sinn.

"Das ist also ein Ja.", meint sie und nimmt ihre Haare zu einem Zopf zusammen.

Ich antworte nicht, denn ich möchte es nicht bestätigen. Ich weiß nicht, wie sie mit dieser Information umgehen würde. Ich traue ihr nicht. Es könnte gut sein, dass sie damit zur Presse laufen würde. Und wie Kat und ich mit der aktuellen Situation in Bezug auf die Presse umgehen - darüber haben wir uns ja noch gar keine Gedanken gemacht.

"Okay.", meint sie schließlich, als sie all ihre Sachen in ihre Tasche gestopft und den Reißverschluss zugezogen hat. "Ich werde dir keine Szene machen, denn dafür bin ich mir zu schade. Du wirst schon wissen, was du tust. Aber ich sage dir Eines: Wenn ich erfahre, dass du mich betrogen hast, dann werde ich es dir heimzahlen."

Aus ihren Augen kommen kleine Blitze, die mich warnen sollen. Aber ich habe keine Angst vor ihr. Sie kann mir nichts. Nicht mehr, seit ich eine Entscheidung getroffen habe, die mein ganzes Leben umkrempeln wird.

"Und wenn du merkst, dass du einen Ferrari gegen einen Golf getauscht hast, dann werde ich dich sicherlich nicht zurücknehmen.", warnt sie mich.

Ich nicke und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie froh ich darüber bin, dass sie scheinbar nicht vor hat, mir weiter auf die Nerven zu gehen.

Sie packt sich ihre Tasche und rauscht an mir vorbei zur Tür. Ich stehe auf und gehe ihr nach.

"Es tut mir leid.", sage ich noch abschließend.

"Ja, das wird es noch!", zischt sie.

Sie dreht sich um und stapft den Flur entlang.

Ich stoße die angehaltene Luft aus. Das war wesentlich einfacher als ich dachte. Fast zu einfach...

Plötzlich bleibt sie stehen und dreht sich zu mir um. Einen Moment lang sehen wir uns an, ohne dass einer von uns etwas sagt. Dann ändert sich plötzlich ihr Blick. Er wird steinhart.

"Es ist Kathi, nicht wahr?", ruft sie mir zu. "Du gehst zurück zu dieser Bitch! Ich verstehe nicht, was du an ihr findest. Nachdem du mich hattest, gehst du wieder zurück zu der?"

Wortlos starre ich sie an.

"Es war immer sie.", sage ich leise, sodass sie es auf keinen Fall verstehen kann.

So, als wüsste sie nun alles, was sie wissen muss, wirft sie sich ihr Haar theatralisch über die Schulter und geht weiter Richtung Aufzug.

"Man sieht sich immer zweimal.", sagt sie mit einem Unterton, der mir wohl Angst machen soll.

Die Aufzugstür schließt sich und sie verschwindet aus meinem Blickfeld.

"Auf nimmer Wiedersehen, Julia!", antworte ich.

Auf halbem Weg - WincentWeiss (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt