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Die ganze Woche über haben Wincent und ich täglich zumindest kurz miteinander gesprochen oder geschrieben. Er hat mich jeden Abend gefragt, wie mein Tag lief und wie es mir geht. So instensiv nach meinem Wohlbefinden hat er früher nie gefragt - da gab es allerdings auch keinen Grund dafür.

Mittlerweile ist es früher Freitagnachmittag und ich bin gerade dabei Feierabend zu machen.

"Trefft ihr euch heute? Oder ist das erst morgen?", fragt Mama mich vorsichtig.

Ich habe ihr wage von Wincent und meinem Gespräch und unserem aktuellen Stand berichtet. Davon, dass er im ersten Moment abgehauen ist und mich stehen gelassen hatte, habe ich nichts gesagt. Ich glaube keine Mama würde das für gut befinden und ich möchte nicht, dass Wincent das irgendwann vorgeworfen wird. Wenn Sami das tut, reicht das schon.

"Heute. Samstag und Sonntag ist er dann bei Kevin im Studio.", antworte ich. "Montag komme ich ja dann erst Mittags her, weil wir noch zusammen frühstücken gehen vor seinem Meeting mit Sascha."

"Ach, ja. Stimmt.", nickt Mama nachdenklich.

Ich sehe ihr an, dass sie die ganze Situation beschäftigt. Was natürlich auch vollkommen nachvollziehbar ist. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass die eigene Tochter schwanger ist von einem deutschlandweit bekannten Sänger. Schon eine Schwangerschaft unter normaleren Umständen würde die werdende Oma beschäftigen. Wenn aber auch noch Managements und die Öffentlichkeit irgendwie beteiligt sind oder sein wollen, bedeutet das zusätzlichen Druck.

"Es ist alles okay, Mama.", lächle ich und gehe zu ihrem Schreibtisch hinüber.

Sie nickt mir zu, sieht aber nicht überzeugt aus.

"Es ist noch viel zu früh, um es irgendwie weiter bekannt zu geben. Das hat alles noch viel Zeit.", versuche ich ihre Gedanken etwas zu beruhigen.

Ich weiß, dass sie sich die meisten Sorgen darüber macht, wie Wincents Fans darauf reagieren und sich mir gegenüber verhalten werden.

Als ich etwa eine gute Stunde später in meiner Wohnung ankomme, nehme ich als erstes eine schnelle Dusche. Anschließend räume ich meine Wohnung ein wenig auf, da ich während der Woche kaum dazu gekommen bin. Oft bin ich verspätet erst in die Arbeit gekommen, da mir morgens so übel war, dass ich kaum aus dem Bett gekommen bin. Und abends war ich dann so k.o., dass ich außer duschen und fernsehen zu nichts mehr in der Lage war.

Nachdem ich alles erledigt habe, schreibe ich Wincent eine Nachricht wie es bei ihm aussieht. Er meinte gestern noch, er würde sich im Laufe des Vormittags auf den Weg machen und dementsprechend voraussichtlich am späten Nachmittag in München eintreffen. Auch dieses mal hat er sich wieder ein Hotelzimmer genommen. Er hatte nicht einmal gefragt, gescheige denn angenommen, dass er bei mir schlafen würde. Beiläufig hat er erwähnt, dass er noch, bevor er zu mir kommt, im Hotel einchecken möchte.

Die Antwort auf meine Nachricht ist eine kurze Sprachnachricht, in der er mir mitteilt, dass er laut Navi in 25min am Hotel sein sollte. Da er sich nach dem Check-In noch frisch machen möchte und das Hotel auf der anderen Seite der Stadt ist, wird er also in etwa eineinhalb Stunden bei mir sein.

Unser eigentliches Vorhaben gemeinsam Essen zu gehen, haben wir schon Anfang der Woche gegen Essen bestellen eingetauscht. Es wäre vermutlich keine allzu gute Idee, wenn man uns nach den Schlagzeilen vor zwei Monaten nun gemeinsam in München beim Abendessen sichten würde. Natürlich wurde nie offiziell bekannt, dass es zuletzt etwas Ärger gab zwischen uns. Es wurde auch nie eine Trennung oder Ähnliches öffentlich thematisiert von Wincent, dennoch möchten wir keine unnötigen Schlagzeilen provozieren und werden daher den Abend ganz entspannt gemeinsam bei mir zu Hause genießen.

Zwei Stunden später trifft Wincent endlich bei mir ein. Der Verkehr war dann doch noch etwas dichter als er angenommen hatte. Nach einer kurzen Begrüßung suchen wir uns via Lieferando unser Abendessen aus und bestellen.

"Wie war es in Berlin?", frage ich, während ich Wasser in eine Karaffe fülle.

"Langweilig.", entgeget Wincent und holt zwei Gläser aus dem Schrank. "Um ehrlich zu sein, war ich mit meinen Gedanken ohnehin die ganze Zeit wo anders."

Er stellt die Gläser auf den Tisch und setzt sich. Ich stelle die Karaffe ab und setze mich ihm gegenüber.

"Mir ging es nicht anders.", lache ich. "Zum Glück wissen meine Eltern Bescheid und können meine Unkonzentriertheit zuordnen."

Wincent nickt und gießt uns beiden Wasser in die Gläser. Er nimmt einen großen Schluck und hebt seinen Blick.

"Ich muss es am Montag Sascha sagen."

"Ich weiß.", seufze ich.

Davor habe ich fast am meisten Angst. Vor Saschas Reaktion. Er konnte mich noch nie sonderlich gut leiden. Ich glaube, im Grunde hat er kein Problem mit mir. Sein Problem liegt viel mehr im Verhältnis zwischen Wincent und mir. Und dass er immer wieder dachte, wir würden ihn anlügen oder ihm etwas verheimlichen. Genau genommen lag er damit ja gar nicht so falsch. Wir haben ihm schließlich nie gesagt, dass wir eine Art Affäre oder Freundschaft Plus geführt haben. Aber das geht ihn ja eigentlich auch gar nichts an. Seine ständige Vermutung, dass wir eine heimliche Beziehung führen würden, entsprach ja nun tatsächlich nicht der Warheit.

"Ich werde ihm alles erklären und es ihm so erzählen, wie es wirklich war.", sagt Wincent. "So kann er uns ja gar nicht böse sein. Es ist einfach passiert."

Ich nicke nachdenklich und senke den Blick auf mein Wasserglas. Wincent merkt, wie verunsichert ich diesbezüglich bin und rückt ein Stück näher zu mir. Er legt seine Hand auf meine und streichelt sanft darüber, ehe er mich dann in seine Arme zieht. Ich lege meine Kopf in seine starke Schulter und fühle mich sofort beschützt.

"Ich stehe hinter dir. Hinter euch. Immer.", flüstert er und drückt mir einen sanften Kuss auf mein Haar.

"Ich weiß. Danke.", lächle ich an seinem Hals.



Auf halbem Weg - WincentWeiss (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt