Mein Vater macht eine Ansage

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Nachdem Barton auch herausgefunden hatte, dass ich sehr wohl Elektroshocks mit der Metallhaut spüren konnte, war das Training beendet.

Dabei war aber der Agent mehr aus der Puste als ich, die einfach nur herumgestanden hatte. Das ließ mich schadenfroh grinsen.

Die folgenden Wochen waren wieder ereignisloser. Jeden Tag Training bis Mittags, Mittagspause, noch mehr Training mit meinen Kräften, die Hausaufgaben des Tages bearbeiten und dann ging es in's Bett.

Mittlerweile war ich 3 Monate, es war bereits April, nicht mehr in der Schule gewesen. Wie jeden Tag folgte ich gerade Barton in den Trainingsraum, als eine Durchsage ertönte:

"Agenten von SHIELD, hier spricht Julius Lawrence. Ich will meine Tochter zurück und das ziemlich plötzlich. Wenn nicht, wird ein Reaktor die Stadt New York City zerfetzen. Bringen Sie sie heute Abend um 20 Uhr in ihr Haus. Seien Sie pünktlich, oder wir sagen balb Bye Bye zu New York!"

Ich, die abrupt stehen geblieben war, öffnete geschockt meinen Mund, doch  kein Ton kam heraus.

"Ich fürchte, dass das Training für heute ausfällt", meinte Barton achselzuckend. "Wir müssen sofort zu Fury."

"Wir werden Lawrence ganz sicher nicht abgeben", zischte der Director.

"Und was sollen wir sonst tun? Ganz sicher nicht warten, bis er die kompletten Vereinigten Staaten zerstört hat!", entgegnete ich angepisst und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Wir können ja schlecht nichts tun", stimmte mir Barton, nur etwas ruhiger, zu.

"Wir könnten den Reaktor finden, bevor die Frist rum ist", überlegte ich laut.

"Haben Sie etwa schon eine Idee, wo er sein könnte?", wollte Fury wissen.

"Hat er noch irgendwelche Hinweise gegeben? Vielleicht Hintergrundgeräusche?", hackte ich nach. "Er wird wohl kaum hier eingedrungen sein, nur um die Ansage zu machen. Dann hätte er mich auch gleich mitnehmen können."

"Meine Leute analysieren noch, aber wir können nicht warten", antwortete Fury nachdenklich.

"Ich denke, SHIELD muss nach ihm suchen", äußerte sich nun Barton.

Mein Blick wanderte zu ihm.

"Und wie sollen wir das anstellen? Wir können Sie wohl kaum einfach losschicken und hoffen, dass Sie irgendetwas finden!", rief Fury spöttisch.

"Wieso nicht?", wollte ich stirnrunzelnd wissen. "Ich meine, es ist doch besser als nichts."

30 Minuten später waren wir einsatzbereit und standen am Eingang. Über meiner Schulter hing eine kleine Sporttasche, die mir Großzügigerweise zu Verfügung gestellt wurde und nicht das Logo von SHIELD, ein Adler, auf sich hatte.

"Bereit?", fragte Barton und stach mir mit dem Ellenbogen in die Rippe, was ihm einen bösen Blick einbrachte.

"Ja, legen wir los", meinte ich enthusiastisch.

Wir stiegen in ein Auto - Barton auf dem Fahrersitz, ich daneben.

"Und wo geht es als erstes hin?", wollte er wissen.

"Zu Hause. Ich muss etwas nachschauen", sagte ich und Barton drehte den Zündschlüssel um.

Die Autofahrt verlief schweigend. Wie sich herausstellte, war die Autofahrt doch nicht so lang, wie ich gedacht hatte, und schon bald waren wir in Brooklyn.

Zum Glück hatte ich meinen Schlüssel dabei. Sobald ich die Tür aufgeschlossen hatte, wusste ich, dass er da gewesen war.

Es war unaufgeräumter - definitiv hatte ich das nicht so verlassen.

Mitten im Türramen blieb ich stehen, sodass Berton in mich hinein rannte.

"Was ist los?", wollte er wissen.

Ich fröstelte.

"Mein Vater war hier", gab ich ihm die Antwort, die er schon befürchtet hatte.

"Und was jetzt?"

Mein Blick glitt zu der Uhr, die im Flur hing. 10 Uhr. Wir hatten noch weitere 10 Stunden, bis mein Dad die Reisemeteopole New York zerstörte.

"Vielleicht hat er einen Hinweis hinterlassen", hoffte ich.

Wir durchkämmten das ganze Haus von oben bis unten, aber außer ein paar Socken fanden wir nichts.

"Verdammt", fluchte ich und trat gegen eine Kiste, die daraufhin umkippte.

Einige Bilder fielen heraus. Darunter auch, als Dad und ich in Washington DC oder in LA waren.

Erinnerungen durchfluteten mein Gehirn, als ich daran zurück dachte, wie sorgenfrei mein Leben damals war. Dad war noch nicht irre und versuchte mich umzubringen, ich wusste noch nichts von SHIELD und hatte einfach ein normales Leben und vor allem war dieses ganze Jahr einfach noch nicht passiert.

Meine Hände durchsuchten weiter die Kiste nach weiteren Erinnerungen, als ich ein Foto fand, welches ich noch nie gesehen hatte.

Es zeigte Dad, als er noch jünger war, eng umschlungen mit einer braunhaarigen Frau, die mir seltsam ähnlich sah. Beide lächelten glücklich in die Kamera und da bemerkte ich eine Jahreszahl, die auf der Rückseite draufgemalt wurde.

1990, mein Geburtsjahr. Beim zweiten Anblick fiel mir auf, dass sich ihr Bauch schon ziemlich wölbte. Wie ein Schuppen fiel es mir vor's Auge. Das musste meine Mutter sein! Ich konnte einen leisen Aufschluchzer nicht unterdrücken. Schnell steckte ich mir das Foto ein. Wieso hatte mein Vater mir das Foto nie gezeigt?

Mir fiel ein anderes Foto in's Auge.

Darauf war Dad mit seiner Liblingsangestellten Zoey Wiseman abgebildet. Auch auf dem Bild waren sie heftig am Grinsen. Aber Zoey hatte doch schon vor einem Jahr gekündigt, nachdem er und sie einen heftigen Streit hatten. Warum hatte er dieses Bild aufbewahrt?

Auf der Rückseite stand das Datum sogar noch eine Spur genauer: Februar, 2006. In der Zeit war ich gar nicht in den Vereinigten Staaten gewesen.

Unsere Schule organisierte jedes Jahr für den vorletzten Jahrgang eine Reise. Ich war das letzte mal in Groß Britannien bei einer Gastfamilie gewesen, den ganzen Februar über.

"Komisch", murmelte ich irritiert. "Das Foto kenne ich gar nicht."

Jedenfalls standen sich Wiseman und Dad auch nachher noch ziemlich nahe. Vielleicht hatte er ihr ja irgendetwas gesagt...

"Wir müssen Dr. Wiseman befragen", kam es mir in den Sinn.

"Wir sind hier noch nicht fertig", behauptete Barton, der gerade ein Bild inspizierte, welches ich gemalt hatte, als ich 5 Jahre alt war.

"Legen Sie das weg", verlangte ich angesäuert. "Jetzt ist die mutmäßige Affäre meines Vaters dran."

"Wer hat das denn gesagt?", wollte er wissen.

"Äh, ich? Und jetzt kommen Sie! Jede Sekunde, die wir hier vertrödeln, könnte den Untergang dieser lieben Stadt sein!", rief ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich drohte rot zu werden, also stürmte ich die Kellertreppe hinauf, doch nicht, bevor ich die Fotos von Dad und mir in eine meiner Jackentaschen verfrachtete.

Marvel's Catastrophe¹ ~ The Mad ScientistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt