Erstes Kapitel oder auch die Schlüssel im Gesicht meines Chefs

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Der Putzlappen wischt über den Tresen und nimmt kleine Staubpartikel mit, welche sich zu einem schlammigen Staubklumpen verbindet.
Das wiederholt sich noch ein paar Mal, bis mich die Stimme meiner Kollegin aus meinem Tagtraum reißt.
''Man Rox, was ist los mit dir?", meckert die Gleichaltrige mich an.
Ich schaue zu ihr und ich bin mir sicher, dass meine Augen und mein Mund sich leicht öffnen.
Seit wann macht sich Antonia Sorgen um mich?
"Ich mache die ganze Arbeit alleine hier, während du nur rum sitzt!"

Verärgert über ihren abfälligen Tonfall ziehen sich meine Augenbrauen wütend zusammen und mein Mund öffnet sich, um schon zu protestieren, als sich unser Chef plötzlich neben ihr meldet.
Den bösen Chefblick bekomme natürlich nur ich wieder ab.

"Roxanne! Sie hat Recht, du sitzt nur faul rum und Antonia muss alles alleine hier machen. So kann das nicht weitergehen!"
Entsetzen breitet sich wie eine fiese Säure in meinem ganzen Körper aus und zeichnet sich vor allem in meinem Gesicht ab, was ich im Spiegel hinter Antonia erkennen kann.

Was soll das, ich war pünktlich hier und habe die ganzen Stühle von Tischen gehoben und alle Tische einmal gewischt, solange diese Schlange fast eine ganze Stunde zu spät zur Arbeit gekommen ist und gerade angefangen hatte, den Tresen zu wischen.

Ich wurde wütend und das so richtig. Ich merke wie meine Augen sich leicht gelb färben und ich mich zurück halten muss, ihm nicht eine mit dem verschmutzten Putzlappen rüber zu ziehen.
"Wenn es so weiter geht, sehe ich mich gezwungen dich zu kündigen. Also streng dich mehr an!", hackt er noch weiter auf mir rum.

Leider war ich schon immer eine Person, die sich nichts sagen lässt und Temperament ist bei mir 24/7 am Dampfen.
"Wissen Sie was? Ich kündige und wenn ich das schon tue, dann kann ich Ihnen auch gleich sagen, was Sache ist! Ich liebe dieses Cafe, denn im Gegensatz zu Ihnen hat es wenigstens Charakter, aber Personen wie Sie hasse ich wie die Pest, die meinen über alles bestimmen zu können, aber in Wirklichkeit nur ein Sandkorn in der Wüste sind. Ich hasse Sie, ich hasse die Leute, die hier leben und ganz besonders dieses Dorf!"

Mit diesen Worten stürme ich an dem kugeligen Mr. Donot vorbei ins Zimmer für die Angestellten, schnappe meine Sachen und mache mich zurück auf den Weg zum Ausgang.
Mitten auf dem Weg drehe ich mich um und schmeiße die Schlüssel in das Gesicht meines ehemaligen Auftraggebers.
Schnell renne ich aus dem kleinen, aber gemütlichen Cafe, wobei meine langen, schweren Haare hin und her schwingen.

Als ich in dem einzigen Park, den die Stadt anbietet, ankomme, schmeiße ich mich auf die ungepflegte Wiese und fange an zu lachen.
Es ist ein Lachen, was aus dem Herzen kommt und ich habe mich lange nicht mehr so befreit gefühlt.
Um genau zu sein ist es schon länger als ein Jahr her.
Abrupt stoppe ich meinen Wettbewerb mit der Sonne, wer am besten Strahlen kann und mir kommen sofort die Tränen hoch.
Ich habe nicht mehr gelacht seit dem Tod meiner Eltern.

Das Witzige an der ganzen Sache ist, dass sie als sehr begabte Übernatürliche Wesen bei einem normalen Autounfall gestorben sind. Ich war da noch frische 20 Jahre jung, habe die schlechten Seiten des Lebens nicht sehen wollen und dann hat es mich knallhart getroffen.
Zu erfahren, dass die Eltern gestorben sind und man nicht bei ihnen war ist ein schlimmes Gefühl.
Ein sehr schlimmes Gefühl.
Sie waren die Einzigen, die ich hier noch hatte. Nachdem meine Freunde sich nach ihrem Abitur von ihrer Heimatstadt getrennt haben und ein neues Leben gestartet haben, sitze ich immer noch in diesem Kaff, in welchem ich aufgewachsen bin und versauer langsam aber sicher.
Als alle meine Freunde damals weggezogen sind, war es schon schwer und dann sind meine beiden Eltern gestorben und ich hatte niemanden mehr, an dem ich mich anlehnen konnte und einfach Ich sein kann. Traurig aber wahr.

Ich fühle mich alleine auf der Welt. Ich habe niemanden mehr und das mir das erst jetzt auffällt, bringt mich zum Weinen. Ich bin auch eine sehr emotionale Person und ziemlich nah am Wasser gebaut, aber trotzdem hasse ich es zu weinen. Nicht dass das ein Zeichen der Schwäche ist, nein im Gegenteil nur mag ich es einfach nicht, dabei fühle ich mich immer so angreifbar und schutzlos. Trotzdem fließen die Tränen einfach aus meinen Augen, ohne dass ich sie aufhalten kann.

ROXANNE - Relax. Nothing is under control.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt