„Der Charakter eines Mannes ist sein Schicksal." - HERAKLIT

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Er fiel auf den Boden.
Der Grund dieses ungewollten Ausrutschers, war der glatte Boden. Es hatte Gestern den ganzen Tag geregnet und in der Nacht brach dann die Kälte ein, die nun, laut der Wettervorhersage, den ganzen Monat noch andauern sollte. Er hielt sich am Treppengeländer seines Hauses fest und zog sich hoch. Vorsichtig ging er die beiden Stufen nach oben zur Haustüre. Und erst dort, auf der Fußmatte angekommen, wischte er sich den Dreck von seinem Mantel. Er nahm den Schlüssel aus seiner rechten Hosentasche und schloss die Türe auf. Innen war es mollig warm und es roch nach Kakao und...
Moment... was war das? Es lag noch ein anderer Duft in der Luft. Er zog sich die Schuhe aus und hängte den Mantel an den Ständer. Danach lief er in das Wohnzimmer.
Räucherstäbchen!
Es roch nach Rose, wie er nun feststellt. Er schaute auf die Uhr. So früh war er noch nie von der Arbeit nach Hause gekommen. Da ihn niemand begrüßte, glaubte er, dass alle außer Haus waren. Vielleicht zum Einkaufen, dachte er. Seine 18-jährige Tochter war wohl gerade bei ihrem neuen Freund. Ein netter Kerl, dass musste er sich eingestehen.
Auf dem Weg zur Küche kam er an den Fotos von sich und seiner Frau vorbei. Er blieb kurz stehen und sah sie sich an. Es waren hauptsächlich Urlaubsbilder. Mit einem Lächeln an die schöne Zeit ging er an den Kühlschrank und nahm sich ein Bier heraus. Doch noch bevor er es öffnen konnte, hörte er Geräusche die von oben zu kommen schienen. Erschrocken stellte er das Bier auf den Tisch, der in der Mitte der Küche stand, ging wieder hinaus auf den Flur und blieb dort an der Treppe stehen.
Er lauschte.
Leises Stöhnen.
Als er die Treppe leise nach Oben ging, spürte er wie sein Herz an zu rasen begann. Das Schlafzimmer war nicht weit entfernt und die Geräusche kamen hörbar von dort. Schritt für Schritt näherte er sich der Tür, die nur ein Spalt weit offen stand. Er schaute hindurch und sah dort auf seinem Ehebett wie seine Frau es einem anderen Mann besorgte. Der Fremde lag auf dem Rücken und während sie stöhnte, mit ihren Bewegungen schneller wurde, massierte er ihren kleinen Hintern mit beiden Händen. Ihre Hände krallten sich in seine Brust.
Langsam ging er von der Tür weg. Den Mund weit aufgerissen, tropften ihm dort die Tränen nun hinein. Der salzige Geschmack schmeckte genau so Ekelhaft wie die Erkenntnis, dass seine Frau ihn betrügt. Er stieß mit dem Kopf gegen einen Hängeschrank. Völlig unbewusst öffnete er ihn und nahm dort die Schrotflinte heraus. Sie gehörte mal seinem Bruder, der vor zwei Jahren bei einer Schießerei im Schwarzenviertel ums Leben kam. Er war ein wirklich guter Polizist gewesen.
Die Waffe war geladen. Er öffnete die Türe und schaute beide an. Seine Frau drückte den Kopf ihres Liebhabers gegen ihre Brust. Sie hörte den lauten Knall, doch bevor sie reagieren konnte, bohrte sich eine gewaltige Schrottladung durch ihren Körper und zerfetzte den Kopf ihres Liebhabers gleich mit. Sie waren beide auf der Stelle tot.
Er zuckte überall und strampelte mit Armen und Beinen.
„Wach auf. Wach auf!"
Er öffnete die Augen und sah seine Frau.
„Du hattest einen Alptraum." sagte sie mit zärtlicher Stimme. Er nahm sie sofort in den Arm.
„Ich bin ja bei dir, mein Schatz." lächelte sie und drückte ihn ganz fest. „Ich bin ja bei dir."

„Und diese Träume Mr. Lane, wie lange haben Sie die schon?" die Psychologin hatte die Beine übereinander geschlagen und machte sich Notizen auf ihrem Block.
„Schon eine ganze Weile." Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Draußen herrschten Minustemperaturen und wohl aus diesem Grund gab die Heizung in diesem kleinen Raum alles was sie konnte.
„Lieben Sie ihre Frau?" fragte die Frau, ende fünfzig aber immer noch sehr attraktiv. Ihre Haare hatte sie hoch gesteckt. Was sie sehr Strang aussehen ließ.
„Natürlich liebe ich meine Frau. Doch sie ist anders in der letzten Zeit."
„Was meinen Sie damit?" sie schrieb alles auf ihren Block.
„Wir schlafen nicht mehr so oft miteinander. Und wenn, dann ist Sie steif wie ein Brett." Er drehte den Kopf und schaute Sie an. „Ich habe Angst."
„Angst davor, dass Sie betrogen werden?"
„Ja. Ganz besonders vor dem Schmerz wenn ich es erfahre."
„In ihrem Traum erschießen Sie ihre Frau und deren Liebhaber. Weil Sie so ihren Schmerz zum Ausdruck bringen?"
Er schloss die Augen. „Ich möchte sie nicht erschießen. Nicht mal in meinen Träumen."
„Wenn Sie so denken ist es so. Sie sind es der stirbt. Sie sterben an dem Schmerz der Ungewissheit."
„Glauben Sie?"
„Ja." Sie legte den Block beiseite. „Reden Sie mit ihrer Frau. Sagen Sie ihr was Sie bedrückt."

Robert Lane konnte nur langsam mit dem Wagen fahren. Die Straßen waren Spiegelglatt. Da der Verkehr so langsam von statten ging, hatte Robert viel Zeit zum Nachdenken. Diese Träume fressen mich noch auf, sagte er sich. Heute hatte er sich endlich mal früher von der Arbeit los sagen können um sich professionelle Hilfe zu holen. Jetzt war er wieder auf dem Weg nach Hause. Und dass viel früher als sonst.
Als er die Einfahrt hoch fuhr drückte er den rechten Knopf am Innenspiegel. Das Garagentor öffnete sich und er fuhr hinein. Als er ausstieg schaute er kurz auf die Uhr. Es war kurz nach drei. Langsam ging er auf die Haustüre zu, doch der Boden war spiegelglatt und so fiel er auf den Boden.
„Scheiße!" fluchte er und rappelte sich wieder auf. Doch dann zu zuckte er zusammen. Er überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. Schnell ging er ins Haus und verschloß die Türe hinter sich. Er erwischte sich dabei, wie er nach irgend etwas roch. Dann schüttelte er abermals den Kopf.
Um jeden Zweifel aus der Welt zu räumen, beschloss er nach oben ins Schlafzimmer zu gehen... und dass ganz leise...
Aber schon auf dem Weg dorthin vernahm er etwas was er hoffte nicht zu hören. Das Stöhnen klopfte in seinem Kopf, zerriss ihn förmlich von Innen. Plötzlich hatte er all die Bilder seiner Träume der zahllosen Nächte vor Augen. Immer und immer das gleiche Bild. Wie der Fremde in seine Frau glitt und sie es ihm anschließend besorgte. Den Hintern dabei kreisend und in den Händen dieses Fremden.
Fast schon automatisch griff er zu dem Waffenschrank und nahm die Waffe heraus. Er machte einen Schritt auf die Türe zu, blieb aber kurz davor stehen.
Ich kann sie nicht erschießen, dachte er. Der Schmerz frisst mich aber auf, er frisst mich, er tötet mich. Er biss in den Lauf der Waffe und...

„Ich sagte doch wir sind zu laut." stieß der Freund heraus. Und überhaupt war es eine blöde Idee in dem Bett ihrer Eltern sex zu haben, dachte er.
„Aber der laute Knall? Was war das?" Sie zog sich etwas über und öffnete vorsichtig die Türe. Noch bevor sie etwas sah, konnte sie bereits das Blut riechen. Sie brachte keinen Ton von sich, als sie die mit Blut und Gehirnmasse bespritzte Wand und den Körper ihres Vaters auf dem Boden liegen sah.
„Oh Scheiße!" schluckte der Freund und wandte den Kopf seiner Freund weg.

Warum seine Frau sich verändert hatte? Er hatte aufgehört mit ihr zu sprechen. Er hatte ihr nie gesagt wenn ihn mal etwas störte oder wenn er ein Problem hatte. Dass wurde ihn schließlich zum Verhängnis. Betrogen hatte sie ihn nie, doch die Angst davor war da. Diese war so verbissen, dass ihn der Schmerz dazu veranlasste abzudrücken und...
Er fiel auf den Boden.

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