Verschneite Tage

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Verschneite Tage waren das absolute Gegenstück zu dem fast sommerlichen Wochenende. Wann immer Rosie früher aufwachte als geplant, lag sie wach im Bett und begann ihren Tag in bunten Bildern an die Wände zu skizzieren. Eingenommen von jener Unlust, die sie zur Zeit des öfteren heimsuchte, beinhaltete dieser Plan natürlich nicht das Schreiben der Hausarbeit und noch viel weniger das Besuchen der Vorlesung, die in zwei Stunden stattfinden würde. Es war der dritte Tag des Semesters und sie stellte sich jetzt schon vor, wie sie nach einem ausgiebigen Frühstück durch den Park flanierte, selbst wenn sie kein Mensch war, mit dem man tanzen konnte, ohne danach blaue Füße zu haben. In der Vorstellung sah das natürlich viel besser aus. Die Sonne würde scheinen und die Vögel zwitschern. Wie sollte das nur die nächsten vier Monate weitergehen.

Vor ihrem Fenster hingen derweil die Wolken tief. Sehr motivierend war das um ehrlich zu sein nicht. Es hatte bereits um fünf Uhr angefangen zu regnen und die, die sich bei dem Wetter auf die Straßen trauten nahmen durch Regenschirme entweder doppelt so viel Platz ein als sonst oder rannten sich gegenseitig schier über den Haufen, weil die Kapuzen bis zur Nase gezogen waren und dadurch die Sicht versperrten. Ihrer Meinung nach hätte es ruhig mal wieder ein bisschen schöner bleiben können.

Dass Wetter die Stimmung vieler Menschen formt ist kein Gerücht. Je nachdem, wofür ein jeder sympathisiert kann es auch sein, dass er durch den Herbstregen tanzt, während sich ein anderer unter jedem vorstehenden Hausdach unterstellt. Auch wenn sich Rosie ausgemalt hatte, durch den Park zu tanzen, war sie dennoch nicht Typ a sondern eher der missmutige Regenhasser, der sich an solchen Tagen lieber unter eine warme Decke verkriechen wollte. Als Kind war sie auch im Sommer bei Regen draußen gewesen aber das war etwas anderes. Immerhin waren die dicken Tropfen warm und man fror sich nach einem Schauer nicht die Knie blau. "Weißt du was?", hatte Elisa sie immer gefragt. "Wenn ich das Wetter bestimmen würde, dann wäre der Himmel immer blau und der Regen warm und weich. Man könnte den ganzen Tag draußen spielen." Mit zwanzig saß sie tief in den Zwängen ihres Studiums zur Journalistin und trug dabei stets einen kleinen jungen Mann auf ihrer Hüfte, den sie ihren Sohn nennen konnte. Oscar war gerade einmal zwei und das Beste, was ihr nach dem Verlust der Mutter hatte passieren können. Elisa war ungefähr in dasselbe tiefe und dunkle Loch gefallen wie ihre große Schwester, früher aber wieder herausgekrochen, nachdem der Schwangerschaftstest positiv war und sie sich mit ihrem Freund über das zwar ungewollte aber dennoch wundervolle Geschenk freuen konnte. Im Nachhinein nahm sie nie wieder das Wort 'ungewollt' in den Mund. Sie meinte immer, dass es zwar nicht geplant gewesen sei, sie aber nicht wollte, dass ihr Sohn einmal denken würde, man hätte ihn in seiner eigenen Familie nicht haben wollen. "Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn er mich mit einem Blick anschaut, der mir zeigt, wie sehr er sich davor fürchtet, wir könnten ihn nicht lieben." Rosie bewunderte sie dafür, wie tapfer sie das Ganze gemeistert hatte. Obwohl sie mit Oscar während ihres Schulabschlusses schwanger geworden war, hatte sie diesen mit Bravur gemeistert und auch noch eine komplikationslose Geburt an den Tag, oder eher an die Nacht gelegt. Ab und an überlegte Rosie, wie es sein würde, wenn sie selbst einmal Kinder hätte, verwarf den Gedanken jedoch schnell, da für diesen Umstand in aller erster Linie der richtige Mann fehlte.

Als das Telefon etwas zu laut für ihren Geschmack klingelte und sie stürmisch aus den Gedanken riss, war Elias auf der anderen Seite der Leitung. Wer auch sonst? Die einzigen, mit denen sie sonst ab und an über die Strippe verkehrte waren ihr Vater oder Elisa. "Kleines, du warst die ganze Woche nicht in der Uni, alles okay?" Er klang besorgt, auch wenn sie sich sicher war, dass er wusste, dass Rosie so schnell nicht krank wurde. Das einzige, weswegen sie wirklich lange flachgelegen hatte waren Windpocken im Kindergarten und der Kater nach ihrer 'mit Fünfzehn ist man ja wohl alt genug für Alkohol'-Aktion.

"Das Wetter ist scheiße", brummte sie halb in ihr Kissen, halb in den Hörer des alten Telefonapparats. "Ich gehe generell nicht raus, wenn's draußen scheiß Wetter ist."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 11, 2021 ⏰

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