Erkläre mir meine Sünden.

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Eva war stets brav, stets gehorsam, stets bedacht. Nun war Eva betrunken. Es rann durch ihre Adern, ihre Venen, durch ihren Verstand. Es erhitzte und ließ sie heißblütig werden. Eva lachte und lachte und das Lachen bebte ab, machte einem spöttischem Lächeln Platz, einem traurigem.

"Erklär mir meine Sünden.", rief Eva aus und hielt die Vodkaflasche in die Höhe. "Was habe ich flasch gemacht? Ist es der Alkohol, die Drogen, der Sex?", schrie sie.

Er blickte gelassen auf, wollte beruhigend nach ihrer Schulter greifen, aber taumelnd stand sie auf und schüttelte hektisch ihren Kopf.

"Was habe ich falsch gemacht?", schrie sie laut. "Sind meine Noten nicht mehr gut genug? Habe ich begonnen, zu oft Nein zu sagen?"

Er schüttelte langsam seinen Kopf. Er kannte ihre Eltern nicht.
"Setz sich hin, Eva.", setzte er ruhig an und nippte an seinem eigenen Alkohol.

"Eva, Eva!", äffte sie ihn schreiend nach. "Bin ich eine Schlampe? Hab ich illegale Sachen gemacht? Hör auf mich Eva zu nennen! Ich heiße nicht Eva!"

Sie war rasend vor Wut. Der Alkohol stieg ihr zu Kopf. Er ließ die Worte an sich abprallen, nippte an dem Alkohol und starrte in die Ferne. In der anderen Ferne hörte er teilnahmslos ihr Schluchzen, das ihren zerbrechlichen Körper beben ließ. Wenn es möglich war – auf Hausdächern war alles möglich – hörte er ihr Zittern und die stummen Tränen, die auf das Dach fielen und abprallten wie Regen. Aber sie beide waren in zwei verschiedenen Fernen. Sie wusste, dass sie Eva war, dachte er, und sie wusste, dass es zu lange dauern würde, ihr ihre Sünden zu erklären.

Eva.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt