Eine Nacht im Dezember

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Diese Geschichte entstand 2013 im Rahmen eines Schreibwettbewerbs auf fanfiktion.de.
Alle Personen und Handlungsorte gehören JK Rowling.

Viel Spaß beim Lesen!



Eine Nacht im Dezember

Die Nacht ist dunkel und eiskalt; der Wind peitscht um das kleine, gedrungene Haus und rüttelt an den Fensterläden. Die Bäume ächzen, ihre Äste schaben über die Hauswand. In der vergangenen Woche hat es beinah ununterbrochen geschneit und die Temperaturen sind selten in den positiven Bereich aufgestiegen. Es ist Dezember und nie ist Weihnachten so fern gewesen wie heute.
Andromeda Tonks steht in der Küche, die Hände in das brühend heiße Abwaschwasser getaucht. Das Geschirr ist längst gespült; sie braucht nicht viel, seit er nicht mehr da ist. Sie isst kaum etwas - nur wenn Dora zu Besuch gekommen ist, zwingt sie sich, etwas Anständiges zu kochen. Dann räumt sie auch ein wenig auf und versucht, den Eindruck zu erwecken, alles sei in Ordnung. In Wahrheit ist ihr Leben meilenweit davon entfernt, in Ordnung zu sein.

Andromeda betrachtet durch das Küchenfenster die unwirtliche Welt da draußen. Der winzige Gar­tenteich - das Schlammloch, in welches der berühmte Harry Potter vor einem halben Jahr gestürzt ist - ist zugefroren. Sie gibt sich alle Mühe, dem Jungen keine Schuld zu geben. Er ist fast noch ein Kind, das weiß sie, und er hat kaum die Macht, etwas an der Situation zu ändern. Trotzdem kann sie nicht anders, als sich zu fragen, wann er endlich etwas unternehmen wird, wann sich endlich etwas ändert. Wann wird es wieder sicher sein in England? Wann wird Ted zu ihr zurückkommen?

Der Gedanke, dass ihr Mann schon seit Wochen in der Wildnis herumirrt, ohne Ziel, ohne Plan, be­hagt ihr überhaupt nicht. Sie weiß, dass er vor allem sie schützen wollte, als er gegangen ist; nichts­destotrotz wäre es ihr lieber, er wäre hier. Um ihn hier zu finden, hätten die Todesser die Schutzzau­ber über dem Haus aufheben müssen und das wäre nicht einfach. Da draußen kann Ted genauso gut verhungern oder erfrieren wie erwischt werden.
Es ist so kalt, dass erfrieren nicht eben unwahrscheinlich ist. Langsam zieht Andromeda die Hände aus dem Wasser, trocknet sie mechanisch an einem Handtuch ab. Wie es sich wohl anfühlt? Der Schnee, der nach und nach jede Schicht Kleidung durchnässt. Die Kälte, die über den ganzen Kör­per kriecht und dich unkontrolliert zittern lässt?

Mit eckigen Bewegungen, wie von einem Außenstehenden gesteuert, streift Andromeda ihren Man­tel über und schließt die Knöpfe. Sorgfältig, einen nach dem anderen. Ihre Hand umschließt die Türklinke; sie fühlt sich merkwürdig kalt an ihrer Haut an. Andromeda drückt sie hinunter, zieht die Tür einen Spalt auf. Sofort wird das Pfeifen des Windes lauter, die Kälte dringt ins Haus. Stück für Stück wird der Spalt breiter und irgendwann kann Andromeda hindurchtreten. Der Sturm reißt an ihren Haaren, Schnee fällt in ihr Gesicht und auf ihren Hals. Eine Gänsehaut überzieht ihren ganzen Körper. Vorsichtig, um nicht auf einer Eisfläche auszurutschen, setzt Andromeda einen Fuß vor den anderen. Sofort weichen ihre Hauspantoffeln durch. So fühlt es sich an, nass und kalt und hoff­nungslos.

Andromeda schließt die Augen, konzentriert sich ganz auf den alles verdrängenden Schmerz, den die Kälte hervorruft. Ihre nackten Hände fühlen sich an, als gefrieren sie, schon kann sie die einzel­nen Finger nicht mehr spüren. Eine Böe fegt ihr die Locken aus dem Gesicht und plötzlich erinnert sie sich an eine andere Nacht vor so vielen Jahren. Beinah kann sie die Stimme hinter sich hören. Heyho! Heiße Tränen rollen über ihre Wangen, als sie auf die Knie fällt und das Gesicht in den Hän­den birgt. Oh, sie vermisst ihn so schmerzlich!


***


Die Sonne war bereits untergegangen und es sah aus wie Mitternacht, obwohl es in Wirklichkeit erst gegen fünf Uhr nachmittags sein konnte. Der allgegenwärtige Schnee machte den Weg zwi­schen Hogwarts und Hogsmeade rutschig und beschwerlich für die Schüler, welche von einem ent­spannten Tag oder den Weihnachtseinkäufen zurückkamen. Zumeist schweigend stapften sie durch die Dunkelheit, nur hoffend, das Schloss schnell zu erreichen.

Eine Nacht im DezemberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt