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Sie blickte nicht aus, als sie das rascheln des Zelteingangs hörte. 
"Ich bin sofort bei Ihnen." rief sie über die Schulter und legte ihre Tarotkarten in die handgeschnitzte Schachtel aus Eichenholz. 
Sie erholt keine Antwort. 
Sie strich sich das weißblonde Haar aus dem Gesicht und trat aus dem hinteren Teil des dunkellila Zeltes, durch einen Vorhang aus Federn und glitzernden Kristallen und den besser beleuchteten Kundenraum. 
Ihr Kinde stand im Schatten der Lampe doch konnte sie spüren, dass er sie anblickte. 
"Was kann ich für sie tun?" wollte sie wissen und setzte sich an den rundentisch. Auf ihm lag ihre Kristallkugel, ein Pendel und eine Sternenkarte. 
"Erkennst du mich nicht?" fragte der Kunde, lehnte sich ein Stück vor, jedoch ohne den Schatten zu verlassen und legte einen gefaltenen Zettel auf den Tisch. 
Sie zog eine geschwungenen Augenbraue hoch und faltete das Papier auf. 
Nur ein kurzer Blick auf die feine Zeichnung eines jungen Mädchens im Inneren genügte und sie sprang zurück. 
"Hallo Samira." trat ihr Gast nun ins Licht. 
Blondes Haar, klare Augen und ein arrogantes Lächeln. 
Glänzende Ohrringe und eine funkelnde Halskette trug er mit einem Runten Umhang zusammen. 
"Hauro." bekam sie heiser heraus und sah ihn mit ihren graublauen Augen erschrocken an. 

"Du machst es einem nicht leicht dich zu finden." bemerkte Hauro und sah sich Samiras Schränkchen mit Zaubertinkturen an. 
"Das ist Absicht." erklärte Samira und strich sich nervös das Haar nach hinten. 
"Von dem Vorfall vor acht Jahren habe ich gehört. Seit dem suche ich dich." erklärte Hauro ruhig und drehte sich zu ihr um. 
"Warum bist du nicht zu mir gekommen?" wollte er wissen, zog sich den Stuhl an dem runden Tisch raus und setzte sich. 
Sie wisch schell seinem Blick aus. 
"Ich bitte dich Samira. Wir sind beide erwachsen." erinnerte Hauro sie und schnipste einmal. 
Samira wich zur Seite aus, als ihre Teekanne zusammen mit zwei Teeschalen an ihr vorbei Flog und sich sanft auf dem Tisch vor Hauro niederließ. 
"Aber deswegen bin ich nicht hier." gestand Hauro und goss Tee in beide Schalen. 
Er nickte auf den Stuhl sich gegenüber. 
"Setz dich." bat er. 
"Hauro was willst du hier?" fragte sie und verschränkte mit einem Strengen Blick die Arme vor der Brust. 
Hauro lächelte mit einem Schnauben und nahm die Zeichnung in die Hand. 
"Du hast dich verändert. Ich hätte dich um ein Haar nicht erkannt." erklärte er, faltete die Zeichnung zusammen und steckte sie in die Innentasche seines Umhangs. 
"Ich will, dass du zurückkommst." erklärte Hauro und nahm seine gefüllte Teeschale in die Hand. 
Mit einem Kopfschütteln wandte sich Samira ab und setzte sich dann Hauro gegenüber. 
"Ich kann auch mich selbst aufpassen Hauro. Ich brauche seinen Schutz nicht. Geh jetzt bitte." bat sie höflich, nahm ihm die Teeschale aus der Hand, nahm sie Teekanne und stand auf. 
"Willst du nicht wissen, wie es Markel geht?" 

Sie blieb so ruckartig stehen, dass ihr die Teeschale aus der Hand viel und mit einem lauten Scheppern auf dem Boden zerbrach. 
"Was?" keuchte sie und fuhr zu Hauro herum. 
"Wir gehen, jetzt." erhob sich Hauro ruckartig, griff über den Tisch, packte Samira am schmalen Handgelenk und zog sie um den Tisch herum. 
"Lass mich!" zischt sie. 
"Wenn du das von vor acht Jahren, nicht nochmal erleben willst, komm!" fuhr Hauro sie an, riss ihr die Kanne aus der Hand, knallte diese aus dem Tisch und zerrte Samira aus ihrem Wahrsager Zelt. 
Er kannte diese magische Aura wie keine andere. SIE war es. 
"Hier lang!" schob Hauro sie von dem Platz in eine der vielen Gassen hinein. 
Nun erfasste auch Samira diese widerlich, kalte, habgierige und neidische Aura. 
"Himmel bitte nicht." keuchte sie und warf den Blick über die Schulter nach hinten. 
"Nicht nach hinten sehen, einfach weiter gehen." raunte Hauro ihr zu und blickte im Gehen auf ihr Schulterfreies, bodenlanges, lila Kleid runter. 
Es umspielte ihre feminine Figur und ein Lederkorsett, mit silbernen Blühten bestickt ihre schmale Taille. 
"Was ist mit meinen ganzen Sachen?" zischte Samira. 
"Ich habe deine alten Sachen noch." antwortete Hauro knapp und machte mit einer Hand eine abwinkende Bewegung. Schon bildete sich ein sauberer, langer Riss an der Vorderseite von Samiras Kleid. 
"Du musst gleich rennen, halt dich an mir fest." forderte Hauro und harkte Samira an seinem Arm ein. Die fasste um seinen Oberarm zu. 
Schon hörte sie ein bekanntes fließendes Geräusch hinter sich. 
Die Sklaven von IHR. 
"Nicht umdrehen, sieh nur mich an." lächelte Hauro und strich Samira kurz mit dem Zeigefinger über das Kinn. 
Mit einem zittrigen Aufatmen blickte sie zu ihm hoch. 
"Das ist mein Mädchen." lächelte er und lehnte sich etwas zu ihr runter. 
"Lauf." hauchte er und gleichzeitig begannen sie zu rennen.
Sich an Hauro festhaltend rannte Samira mit ihm durch die verwinkelten Gassen. Sie konnte hören, das sich die aus schwarzem Gummi bestehenden Sklaven von IHR näherten. 
"Du weißt, dass das alles deine Schuld ist?!" rief sie im Laufen und blickte zu Hauro auf. 
Doch der lachte sie an. 
"Du kannst mich ja später dafür verteufeln! Aber jetzt halt dich fest, da vorne geht es nicht weiter!" antwortete Hauro und nickte auf das Ende der Sackgasse, worauf sie zu liefen. 
Ihr Blick schwenkte nach oben. 
"Nein, nein, nein, du weißt ich kann nicht fliegen!" schrie Samira panisch und warf den Blick nach hinten, worauf ihre platinblonden Locken durch die Luft flogen. 
Die Sklaven der Hexe kamen näher. 
"Aber ich!" antwortete Hauro, warf den Arm um Samiras Taille, packte mit der anderen Hand um ihren Oberarm zu und sprang in die Luft. 

Ihr Griff war fest um Hauros Oberarm verkrampft, ihre Augen zusammen gepresst und ihre Beine wie gelähmt. 
"Seit wann hast du Höhenangst?" sprach er sie da mit sanfter Stimme an und mit rasendem Herzen wagte Samira es, einen Moment die Augen zu öffnen. 
Weit über den Dächern der Stadt, sicher in Hauros Griff schwebte sie. 
"Ich hab dich. Keine Angst." raunte Hauro mit rauer Stimme, ließ Samiras Oberarm los und nahm ihre Hand in seine. 
"Erinnerst du dich noch? Einen Schritt nach dem anderen." Lächelte er und nickte auf Samiras Beine. 
Wenn auch zögerlich, streckte Samira langsam die Beine aus und atmete erschrocken auf, als sie mit den Füßen auf Widerstand traf. 
"Wie beim tanzen. Ein, zwei, drei, eins, zwei, drei." zählte Hauro den Takt und schritt mit Samira in diesem Takt nach vorn. 
Es war, als würden sie auf Wolken laufen. Solch ein leichter und beschwingter Schritt. 
"Du bist immer noch ein Naturtalent." lächelte Hauro und lockerte den Griff um ihre Taille, bis er sie nur noch an einer Hand locker festhielt. 
"Das Kleid ersetzt du mir." war Samiras Antwort und sie blickte zu Hauro auf. 

Das wandelnde Schloss FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt