Kapitel 5 -Schredder

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Am nächsten morgen,  steht Julian um kurz vor 7 Uhr mit Brötchen vorder Tür.  Noch im  Halbschlaf setze ich mich an den Küchentisch und gieße mir eine Tasse  Kaffee ein. Wir frühstücken in Ruhe und Kai und ich machen uns danach  genauso gemütlich fertig.

Um kurz nach 9 Uhr  befinden wir uns mit einem Kofferraum voller Kartons auf den Weg nach  Aachen. An einer Raststätte halten wir kurz an, damit Kai tanken und ich  nochmal Kaffee für alle holen kann. Eine halbe Stunde später parken wir  vor dem Mehrfamilienhaus, in dem ich fast ein Jahr gewohnt habe. Wir  packen uns ein paar Kartons unter die Arme und marschieren durchs  Treppenhaus in den dritten Stock. Ich hole meinen Schlüssel aus der  Hosentasche und schließe die Tür auf. Zielgerichtet laufe ich direkt ins  Wohnzimmer und hole meine Ordner von der Bank, der Arbeit, alles  wichtige halt, aus dem Sideboard. Kurz danach, tritt mein verschlafener,  wütender und nur in Boxershorts bekleideter, Ex-Freund aus dem  Schlafzimmer.

„Sag mal, spinnt ihr? Was denkt ihr euch einfach so hier aufzutauchen?"

„Junge, komm mal runter.  Du wolltest doch, dass Mila bis zum Ende der Woche alles hier raus  holt. Das machen wir halt heute.", sagt Julian und schiebt sich an ihm  vorbei, um mir einen Karton für die Ordner hinzustellen.

„Und außerdem, wären wir  dir sehr verbunden, wenn du dir was anziehen würdest. Denn das da, will  keiner sehen.", sagt Kai und fängt an meine Bücher in die Kartons zu  packen. Ich kann mir ein kleines Grinsen im Bezug auf Kais Antwort nicht verkneifen.

Als ich ins Schlafzimmer  gehen will, um die Unterlagen meines Vaters aus dem Kleiderschrank zu  holen, stellt mein Ex-Freund sich vor mich.

„Was willst du da drin?"

„Mein Klamotten holen vielleicht? Da sind noch Sachen von meinem Dad, die ich gerne hätte."

„Die sind jetzt nicht wichtig. Packt erst den Rest von deinem Kram zusammen."

„Ich denke nicht, das du noch berechtigt bist, zu sagen, was mir wichtig ist und was nicht.", sage ich und drücke ihn zur Seite.

Er zieht mich am Handgelenk zurück.

„Hast du mir zugehört? Pack den Rest ein."

„Hast du ihr nicht zugehört? Sie will die Sachen von ihrem Dad.", sagt Kai und schubst ihn leicht.

Ich befreie mein Handgelenk und öffne die Schlafzimmertür.

Sprachlos sehe ich auf das Bett, dann zu Kai und dann wieder aufs Bett.

„Was ist los, Mila?", fragt er besorgt und kommt zu mir.

„Nein, nein. Das ist nicht dein verdammter Ernst, oder?", schreit Kai meinen Ex an.

Auf dem Bett liegen ein paar der Erinnerungen an meinen Vater und daneben auf dem Boden der Papierschredder. Dinge die mir Halt gegeben haben. Gemeinsame Erinnerungen. Bilder. Alles kaputt oder bereit dafür in diesen dämlichen Schredder gestopft zu werden.

"Du willst mich doch verarschen, oder?", fahre ich meine Ex an. "Wer hat dir bitte ins Hirn geschissen, dass du auf so eine bescheuerte Idee kommst?"

"Du hast nicht direkt alles mitgenommen, da dachte ich mir, dass ich die Sachen auch anders loswerden kann.", gibt er zurück.

"Das ist nicht wirklich dein Ernst?! Du hättest alles schreddern können, meine Bücher, meine Klamotten. Aber nein. Du dämlicher Schwachkopf nimmst die Erinnerungen an meinen Dad. Wie kann man eigentlich so verblödet sein?", schreie ich. "Aber wie du mir, so ich dir. Ich begebe mich zwar jetzt auf dein Niveau hinab, aber dieses eine Mal ist es mir wert.", sage ich auf dem Weg ins Wohnzimmer und damit zu seinem Portemonnaie. Ich krame seinen Führerschein und seinen Personalausweis raus und gehe zurück ins Schlafzimmer. Ohne das er oder jemand anderes mich aufhalten kann, stecke ich beides in den Schredder.

"Sag mal spinnst du?", meckert er mich an.

"Oh nein, waren dir die Sachen etwa wichtig? Mir meine auch. Aber du kannst deine im Gegensatz zu meinen ersetzen. Denk mal drüber nach.", gebe ich laut zurück.

Wir tragen die erste  Ladung an Kartons runter zum Auto und verstauen sie so gut wie möglich  in Kofferraum. Nachdem ich den Kofferraum geschlossen habe, breche ich  in Tränen aus.

„Hey Kleine, nicht weinen. Der Typ ist es nicht wert.", tröstet mich Kai.

"Er geht mir am Arsch vorbei. Es sind die Sachen von meinem Dad. Die bekomme ich nicht zurück.", schluchze ich.

„Ich hole schnell den letzten Karton.", sagt Julian und läuft wieder ins Treppenhaus.


Als wir bei Kais Vater  ankommen, sind meine Tränen zwar getrocknet, aber meine Augen rot und  angeschwollen. Als ich aus dem Auto steige, kommt sein Vater mir schon  entgegen gelaufen und schließt mich in seine Arme.

"Mila, tut mir leid was passiert ist. Aber wir helfen dir gerne."


Ich schließe die Tür des  Lagerraums und lehne mich an Kai an. Endlich geschafft. Endlich. Die letzte Fahrt nach Aachen lief ohne Widerworte meines Ex-Freundes ab. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich gar nicht mehr mit in die Wohnung gegangen bin, sondern die Jungs und Kais Vater habe alles machen lassen. Und auch  wenn alles ziemlich plötzlich kam, kann ich jetzt einen neuen Abschnitt  meines Lebens anfangen. Ich weiß zwar noch nicht wohin er führt, aber  ich bin total dankbar dafür, Kai und Julian dabei an meiner Seite zu  haben. Auch wenn sie ein paar Kilometer weit entfernt wohnen.

„So, Kinder. Was haltet ihr davon, wenn wir was essen gehen? Geht auf mich.", sagt Kais Vater und klatscht in die Hände.

Nickend stimmen alle zu  und wir laufen zu den Autos. Wir sitzen wieder in unserer Stammpizzeria, denn die Familie ist schließlich willkommen  und ich schlürfe an meinem Milchshake.

„Mila, ich, wir, haben da noch einen Vorschlag für dich.", beginnt Kais Vater, nachdem wir unser Essen bestellt haben.

„Und der wäre?", frage ich neugierig.

„Kai hat mir erzählt,  dass du nicht weißt, wo du jetzt wohnen sollst. Und das du auch nicht  unbedingt zu deiner Mutter willst, wegen ihres Partners. Was ich auch  nachvollziehen kann. Deswegen wollen wir dir gerne anbieten, dass du bis  zum Ende deines Abiturs bei uns wohnen kannst. In Kais altem  Zimmer."

„Und danach könntest du hierher, nach Leverkusen kommen.", ergänzt Kai den Vorschlag seines Vaters.

Ich blicke sprachlos und geschockt in die Runde.

„Das kann ich nicht  annehmen, wirklich nicht. Ihr habt heute schon so viel für mich getan.  Ich will euch wirklich nicht zur Last fallen."

„Denk darüber nach. Und du fällst uns nicht zur Last, Mila. Du gehörst quasi zur Familie.", lächelt sein Vater mich an.

„Denk wirklich darüber nach, Kleine. Ich hätte ihn nicht gefragt, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er ja sagt."


Ein paar Stunden später  verabschieden wir uns von seinem Vater und seinem Bruder und fahren  zurück zu Kais Wohnung. Oben angekommen, werfe ich mich sofort auf die  Couch. Total geschafft setzen sich Julian und Kai neben mich. Vor lauter  Erschöpfung schlafe ich ein paar Minuten später ein.

Irgendwann werde ich von  dem Geräusch der schließenden Wohnungstür wach. Müde richte ich mich  halb auf und suche nach Kai. Der nur ein paar Sekunden später ins  Wohnzimmer kommt und sich neben mich setzt.

„Wie spät ist es?", nuschele ich.

„Kurz nach 22 Uhr.  Julian ist gerade gegangen. Wir wollten dich nicht wecken. Mach dich  schnell bett fertig, dann gehen wir schlafen."

Übermüdet schleppe ich mich ins Bad und putze mir die Zähne.

„Du schläfst dabei ja fast ein.", lacht Kai, während er im Türrahmen steht.

Eine gefühlte Stunde  später, liege ich neben Kai im Bett. Vorsichtig streichelt er mir über  den Kopf. Er weiß, dass meine Mutter das früher immer gemacht hat, wenn  ich nicht schlafen konnte.

„Danke dir Kai. Danke für deine Hilfe. Und danke das du immer für mich da bist.", nuschele ich bevor ich einschlafe.

I'm With You - Kai Havertz Fanfiction (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt