Prolog

38 8 0
                                    

Mein Name ist Naru, was auf japanisch soviel wie "der Stern" bedeutet. Ich wohne mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester Luna unauffällig in einem kleinen bescheidenen Dorf in der Nähe Waterfords. Vor zwei Jahren mussten wir durch eine finanzielle Notlage unser Haus in Waterford verkaufen und aufs Land ziehen. Am Anfang moche ich es hier gar nicht. Es war schwer ohne meine alten Freunde und mein geliebtes Stadtleben. Mittlerweile habe ich mich aber auch hier eingelebt. Mein neuer Kater Cyrus war mir dabei eine große Hilfe. In Waterford durfte ich nie ein Haustier haben und jetzt habe ich einen grau-weißen knuffligen perischen Kater. Trotzdem möchte ich, wenn ich älter bin, mit meiner zukünftigen Frau und mit Cyrus in einem Loft in London wohnen. Das ist mein großer Traum.

Heute ist der 13. Mai, ein bisher regnerischer Tag. Noch elf Tage bis zu meinem 16. Geburtstag. Ich weiß nicht, wie ich meinen Geburtstag feiern soll. Immerhin habe ich hier noch Niemanden so richtig kennengelernt. Vielleicht wäre eine Feier, bei der ich einfach alle aus dem Dorf einlade, die beste Chance neue Freunde zu finden. Da wir aber noch so pleite, wie die Flug-Airlines in Zeiten von Corona sind, hätte das eh nicht funktioniert. Wie jede woche schauten wir Tatort. Das war mittlerweile eine Familientradition geworden. Heute war der Gärtner der Mörder, wer hätte es gedacht. Ich ging durch unseren schmalen Flur zur Wendeltreppe und hinauf in mein Zimmer.

Der Mond sah aus wie ein leuchtender, weißer Luftballon. Plötzlich erloschen alle Lichter. Nur noch das Mondlicht erhellte die Straße. Alles schien wie  versteinert, nichtmal ein Blatt rührte sich. Ein Stromausfall? Ich versuchte das Licht anzumachen. Ohne Erfolg. Nachdem ich hörte wie meine Eltern in ihrem Zimmer verschwanden, tapste ich die Treppe hinunter. Ich wollte den Fernseher anmachen und schauen, ob in den Nachrichten etwas  gesagt wird, aber der geht ja auch nicht wie ich etwas spät bemerkte. Ich schlich in die Küche für ein paar Süßigkeiten, damit mein Weg nach unten nicht ganz umsonst war. Mit vollen Händen machte ich mich so leise wie Möglich auf den Weg nach oben. Am meisten Angst hatte ich, dass Luna aufwacht und mit ihrem Geplärre meine Eltern weckt. Wenn sie einmal loslegt, ist sie schlimmer als eine Sirene. Luna, der Name meiner kleinen Schwester bedeutet Mond. Meine Eltern müssen wohl irgendeine schöne Erinnerung mit der Nacht verbinden, sonst würden sie ihre Kinder nicht Stern und Mond nennen. Aber wer kanns ihnen verübeln, Sternenhimmel sind schon etwas tolles. „ Autsch." Beim Treppensteigen sollte ich mich wohl lieber  aufs Fußheben konzentrieren. Für ein paar Sekunden nicht aufgepasst und schon habe ich mir an der letzten Stufe den Fuß gestoßen. Humpelnt mit rotem Zeh in meinem Zimmer angekommen schloss ich die Tür hinter mir und wollte aus Gewohnheit das Licht anmachen. Es ging immer noch nicht. Ohne mir großartig weiter Gedanken darüber zu machen schmiss ich mich in mein Bett, knabberte ein paar paprika Chips und schaute noch zwei Videos bis mein Handy leer war. Ohne es zu bemerken war ich eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne  geweckt. Der stärkste und schönste Sonnenaufgang den ich bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte schien durch mein Fenster. So rot wie blut und so stark wie ein Flutlicht. Ich zog meine einzige Hose an, die noch nicht in der Wäsche war, nahm ein frisches Shirt aus dem Ikea-Pax-Schrank und rannte raus, um den Sonnenuntergang vom Hügel aus bestaunen zu können. Ihr müsst nämlich wissen, dass wir auf einem kleinen Hügel am Rand des Dorfes lebten. Ich setzte mich auf den umgefallenen Baum, in der Nähe der Klippe. Die Sonne ragt schon fast komplett aus dem Wasser. Die Bauern der Umgebung sagen immer "Morgenrot, schlechtes Wetter droht.", aber ich glaube nicht, dass etwas so schönes eine negative Bedeutung haben kann. Als die Morgenröte verschwunden war sah ich ein kleines Fischerboot Richtung Land treiben. Es schien leer zu sein. Aus Neugierde rannte ich runter an den Strand um das Boot abzufangen. Das Boot war braun und ziemlich alt. Zumindest hatte es schon einige Schrammen an den Seiten. Ich hörte etwas. War es meine Schwester die aufgewacht ist? Oder doch jemand aus dem Boot? Es war aber Niemand zu sehen. Noch immer war alles so, als ob ob jemand die Zeit angehalten hätte. Nur das Meer rauschte und das Boot trieb in meine Richtung. Das Boot schwankte am Strand hin  und her. Ich ging mit den Füßen ins Wasser um ins Boot zu schauen. Das Wasser war so kalt wie das Bier, das mein Vater am liebsten trinkt. Im Boot war Nichts außer ein kleines Stoffbündel. Es war ein Baby.

Aurora - Die MorgenröteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt