Kapitel.3

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Toby antwortet direkt, dass er Mama gefunden hat, wie sie einem anderen Mann erzählte, dass ihre Tochter die beiden nicht stören würde. Mama hätte meinen Namen erwähnt, deshalb beschloss er, sie nach Hause zu bringen, damit ich nicht die ganze Nacht alleine bin. Wieso kann Mama sich nicht einmal zusammenreißen? Genervt sage ich Toby, dass er nicht darüber nachdenken muss, ich komme sehr gut alleine klar. Er holt wortlos eine Packung von diesen gezuckerten Waffeln aus seiner Tasche und gibt sie mir. Ich will sie ihm zurückgeben, aber er tätschelt meinen Kopf mit einem richtig netten Lächeln, weshalb ich nichts sagen kann.

"Wir sehen uns morgen."

Toby läuft zur Haustür, ich folge ihm und bedanke mich, bevor er die Haustür zu zieht. Die Waffeln esse ich in der Küche, wir brauchen kein ekeliges Ungeziefer im Haus. Sie schmecken wirklich gut, ich bin froh, dass Toby so freundlich ist. Lächelnd werfe ich die leere Packung in den Müll, ohne einen fremden Mann im Haus und mit Mama, die friedlich schläft, kann ich selbst auch schlafen gehen.



Ich werde von einem lauten Poltern, unten im Wohnzimmer, geweckt. Draußen geht gerade erst die Sonne auf, wahrscheinlich sucht Mama nach ihrem Lieblings Bier. Mama schreit nach mir, sie klingt sehr aggressiv und sehr betrunken. Das ist kein gutes Zeichen, rennend verlasse ich mein Zimmer um mich im Badezimmer einzuschließen. Mama hämmert gegen die Tür, sie verlangt, dass ich aufschließe, das werde ich bestimmt nicht machen. Die Tür gibt ein unschönes Knacken von sich, ängstlich hoffe ich, das diese nicht nachgeben wird. Ein weiteres Knacken ertönt, ich stemme mich kräftiger gegen die Badezimmertür und lande dann mit einem weiteren lauten Knacken auf den harten Boden. Mama lacht triumphierend, bevor sie zum ersten Mal zu schlägt.



Zitternd klammere ich mich an den Saum meines blauen Lieblings Shirt mit den weißen Rüschen an den Ärmeln. Mein anderes Shirt ist dreckig geworden, aber ich habe es geschafft wegzurennen. Mama wurde schnell müde und schlief ein, weswegen ich mein Shirt wechseln und das Haus verlassen konnte. Ich kann nicht mit einem dreckigen Shirt zum Bäcker gehen, das würde gegen die Hygienevorschriften verstoßen. Der Bäcker hat gesagt, dass ich nur die Tische abwischen darf, um die Brötchen zu bekommen, wenn ich sauber bin. Er fragt, ob ich hingefallen bin, da meine Bewegungen wohl ein bisschen seltsam wären. Lächelnd antworte ich ihm, dass es in Ordnung ist, es tut nicht weh. Selbst wenn es wehtun würde, würde ich es nicht zugeben, diese Genugtuung gönne ich Mama nicht. Nachdem ich die Tische abgewischt und den Boden sauber gemacht habe, gibt mir der Bäcker mein Frühstück. Er packt immer zwei Semmel in die Tüte, die ich dann auf dem Waldspielplatz esse. Falls jemand fragt, lautet meine Antwort, dass Mama mir die Brötchen mitgegeben hat und gleich nachkommen wird. Heute wieder, ich sitze auf der Bank, von der man den ganzen Spielplatz überblicken kann, esse meine Brötchen und werfe die leere Tüte in den Mülleimer. Leute, die ihren Müll einfach auf den Boden werfen, sind eine Schande, besonders auf diesen Spielplatz liegt oft Müll. Sally sollte auch bald herkommen, hoffentlich lässt sie sich überzeugen verstecken, anstatt fangen zu spielen. Allerdings taucht Sally nicht auf, ich sitze fast den ganzen Tag alleine auf dieser Bank. Wahrscheinlich ist es besser so, ich habe heute sowieso keine Lust, irgendetwas Anstrengendes zu machen. Eigentlich bin ich ziemlich müde, es ist erst mittags, aber ich könnte jetzt schon schlafen. Ich klettere in das kleine Häuschen das wir als unseren sogenannten Stützpunkt benutzen und lehne mich an die Wand. Eine gute Idee ist es mit Sicherheit nicht, jedoch ist es besser, als auf einer Bank einzuschlafen. Einschlafen tue ich nicht wirklich, es ist eher ein, vor sich hin dösen. An einem öffentlichen Platz einzuschlafen wäre eine dumme Idee, die fatale Folgen haben könnte. Mama hat zwar oft bewiesen, dass sie problemlos draußen schlafen kann, aber sie hat nur unverschämtes Glück. Halb schlafend höre ich Schritte, diese rutschen in den Hintergrund als sie dem Häuschen erst näherkommen und sich dann wieder entfernen.

"Kaylee?"

Verschlafen krabble ich aus dem Häuschen, das war Toby's Stimme, vielleicht sind sie doch noch gekommen. Toby entdeckt mich sofort, er klingt erleichtert als er mir erzählt, dass ich nirgends zu finden war. Nicht beim üblichen Bäcker, nicht bei der Nachbarin und nicht zu Hause, um sicherzugehen, dass Mama nicht an ihrem Erbrochenen erstickt. Er scheint sich tatsächlich Sorgen gemacht zu haben, vielleicht ist es wegen gestern.

"Du kannst weiter schlafen, ich bring dich nach Hause."

Toby hebt mich mit einem Satz hoch, ich bin sofort hellwach und versuche mich aus seinen Griff zu winden, es tut weh. Sein Arm drückt genau auf die Stelle an meinem Rücken, die Mama besonders hart getroffen hat. Er sieht mich entschuldigend an und stellt mich zurück auf meine eigenen Beine. Hastig versichere ich Toby, dass er mir nicht wehgetan hat, dass ich ungünstig gelegen haben muss. Seine Antwort ist ein ungläubiger Blick und die Frage, was wirklich passiert ist.

"Nichts, ich muss nach Hause, wir sehen uns."

Ich renne nach Hause, der Alkoholgeruch ist stärker als sonst, es bedeutet, dass Mama jemand mitgebracht hat. Toby ist nett, er würde mir vielleicht sogar helfen, aber ich brauche keine Hilfe. Was ich brauche, sind meine Pläne und ich bin auf den besten Weg diese umzusetzen. Nach der Umsetzung brauche ich nie wieder Mama oder jemand anderes, dann kann ich endlich alleine leben. Erwachsene sind unzuverlässig, wobei ich das nur von Mama behaupten kann, schließlich kenne ich Papa nicht. Sally's Aufpasser Tim und Brian sind zwar auch erwachsen, aber die beiden kenne ich bloß vom Sehen.

"Kaylee, mein kleiner Liebling, bring Mami und ihrem Gast den guten Wein und die guten Gläser."

Damit meint sie den Wein und die Gläser die ganz oben im Schrank stehen, auf die Flasche wurde ein Kleeblatt gedruckt. Um daran zu kommen brauche ich einen Stuhl, diesen Mann mag sie wohl besonders gerne. Zusammen mit den Wein und den Gläsern betrete ich das Wohnzimmer, der neue Mann sieht abstoßend aus. Der Mann hat fettige blonde Haare, trübe Augen und ist dick, ein typischer Widerling. Seine Kleidung sieht teuer aus, er trägt eine glänzende Uhr, ein hässliches grünes Hemd und eine weiße Anzughose. Er stellt sich nicht vor, versichert mir aber das er und Mama sehr nett zueinander sind, daher bekommt Mama das Geld. Mama verlangt, dass ich mich ordentlich vorstelle, dieser Mann könnte mein neuer Papa werden. Der Mann stimmt lachend zu und behauptet, dass wir uns jetzt schon super verstehen würden, das sehe ich anders. Mama kichert kurz, bevor sie anfängt, mit ihm zu flirten, er geht sofort darauf ein. Ich gehe in mein Zimmer, ohne mich vorzustellen, etwas so Erbärmliches muss ich mir nicht angucken. Die beiden Erwachsenen brauchen nicht lange bis sie die Treppe heraufkommen und sich ins Schlafzimmer zurückziehen. Angeekelt von den Geräuschen die sie machen, gehe ich nach unten, um Fernsehen zu gucken. Jedoch entdecke ich etwas Interessanteres, Mama hat ihr Handy liegen lassen und da sie ihren PIN immer vergisst, hat sie keinen. Hastig schnappe ich mir ihr Handy und verstecke mich in der Abstellkammer unter der Treppe. Neugierig durchsuche ich Mama's Handy nach irgendetwas brauchbaren, sie hat viele männliche Kontakte aber niemanden den ich kenne. Manche Namen kommen öfters vor, bloß den Namen Jack gibt es nur einmal. Hieß nicht der Mann, der letztens auf Sally aufgepasst hat, auch Jack? Mama hat den Chat mit ihm nicht gelöscht, ich scrolle ganz nach oben, um alles zu lesen. Anfangs schreiben die beiden sehr glücklich und verliebt miteinander aber das ändert sich innerhalb von einer Woche. Mama beschimpft ihn als Monster und wie er es wagen konnte, ihre hart erarbeiten Drogen die Toilette herunter zu spülen. Er versucht, ihr zu erklären, dass Drogen keine Lösung sind und das sie Hilfe braucht damit diese Sucht nicht ihr Leben zerstört. Die beiden Streiten und vertragen sich immer wieder, dem Datum nach haben sie diese Beziehung über drei Monate geführt. Bis Jack dann geschrieben hat, dass es so nicht weiter geht und sich endgültig trennte. Unerwarteterweise hat Mama ihn daraufhin nicht beschimpft oder überhaupt geantwortet. Danach haben sie nicht wieder geschrieben, der ganze Chat ist fast acht Jahre her. Ich überlege, ihm zu schreiben, selbst wenn er Mamas Nummer gelöscht hat, wäre es nett sich mit jemanden zu unterhalten. Zögernd denke ich darüber nach ihm doch nicht zu schreiben, vielleicht ist er gar nicht mehr wach. Mir ist aber langweilig, mehr als ignorieren kann er meine Nachricht ja nicht. Ich begrüße ihn und frage, ob er sich unterhalten möchte. Ganz lange kommt keine Antwort, obwohl er diese, kurz nachdem sie angekommen ist, gelesen hat. Anscheinend kann er sich doch daran erinnern das diese Nummer zu Mama gehört.

//Wieso schreibst du mir?//

UnlovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt