Tears of Fire

Am Anfang war nichts und am Ende war alles.

Ein leises Seufzen entkam ihrer Kehle, als die Tropfen sanft auf ihren Körper prasselten. Sie ließ ihren Kopf zurückfallen und schloss die Augen.
Das Treffen heute war wieder einmal erschöpfend gewesen. Rikkan war wie üblich ein Arschloch, Keke war genervt und Hefisto schlief. Nichts Neues eben.

Sie massierte sich ihren verkrampften Nacken, ihr langes, weißes Haar verdeckte ihr Gesicht. Wasser plätscherte und sie konnte hören, wie die Blätter raschelten.

Ruhe.

So etwas Schönes konnte sie vom alljährlichen Treffen der vier Elemente nicht erwarten. Ob es nun sie und Rikkan waren, die sich in die Haare kriegten, oder Keke, die sich kontinuierlich darüber beschwerte, dass Hefistos Schnarchen unterbewusst kleine Erdbeben auslöste. Sie waren vier vollkommen unterschiedliche Lebewesen und sie wussten es. Trotzdem mussten sie ihren Pflichten nachgehen.

Erschöpft rieb sie sich die Augen. Wieso sie sich ausgerechnet mit Rikkan herumschlagen musste, war ihr immer noch nicht vollkommen klar. Er ärgerte sie, wann er nur konnte. Jedes Mal hetzte er seine kleinen Feuerfunken zum Spaß auf sie und vergnügte sich, wenn sie bei der Berührung erschrak. Erstaunlicherweise verbrannten sie zwar ihre Haut nicht, dafür durchfuhr sie aber stets ein Schlag, der scheinbar von Jahr zu Jahr mehr an Stärke gewann und sie vollkommen atemlos zurückließ. Ganz zu schweigen von diesem raubtierhaften Grinsen, das nie ganz aus seinem Mundwinkel verschwand und sie noch in ihren Träumen verfolgte!

Sie schnaubte. Natürlich sollte das nicht bedeuten, dass sie ihm im Gegenzug das Leben nicht auch schwer machte. Als Rache schickte sie oft kleine Wassertröpfchen los, die sich in rasender Geschwindigkeit zu einem Ball formten und ihm ins Gesicht klatschten, das danach vor Nässe nur so triefte.

Sie erfreute sich wahrlich an seinen Gesichtsausdrücken, das Zeugnis ihrer Rache an ihm. Immer wieder ein kleiner Triumph in ihrem jahrhundertelangen Gezanke.

 
Stumm wusch sie ihren Körper mit einem kleinen Wasserstrahl, den sie heraufbeschwor, und schwamm anschließend eine Runde im See. Als sie wieder auftauchte, durchbrach sie die Oberfläche und warf ihren Kopf zurück, damit ihr keine Strähnen ins Gesicht fielen.

Ihr Blick fuhr über den Ort.

Der hohe Wasserfall, der von den Klippen gehalten wurde, sammelte sich in einem See. Neben dem Wasser baumelte eine Hängematte an den Ästen einer atemberaubenden Glyzinie herunter. Wunderschöne Pflanzen und Bäume verschiedenster Gattungen umsäumten ihr kleines Paradies und standen das ganze Jahr über in voller Blüte. Hefisto hatte hier gute Arbeit geleistet. Wenn er auch nicht so wirken mochte, hatte er ein Händchen für alles Grüne und brachte Pflanzen zum Blühen wie kein anderer.

Langsam schwamm sie zum Ufer, Wasser rann an ihrem Körper runter und tropfte auf den Boden. Sie zog sich ihr blaues Kleid über und wrang ihre Haare aus, die sie anschließend zu einem Zopf flocht.

Gerade wollte sie zu ihrer Hängematte gehen, als sie etwas in ihrem Augenwinkel bemerkte. Neugierig drehte sie sich um und erblickte ein einsames Glühwürmchen.

"Oh? Wo kommst du denn her?", wunderte sie sich bei seinem Anblick. Sie hatte in über fünfzig Jahren kein Glühwürmchen mehr bei sich zu Hause gesehen. Hatte Keke es geschickt?

Es bahnte sich den Weg zu ihr rüber und umkreiste sie. Maila hob die Hand, auf welcher sie dem kleinen Insekt erlaubte, zu verweilen. Sie betrachtete es näher. Es leuchtete schwächer, als wolle es sie mit seinem Licht nicht blenden, und sie konnte es somit besser sehen. Die filigranen Fühler zuckten in ihre Richtung und die kleine Kreatur erkundete ihre Hand. Lachend ließ sie es zu und drehte diese, damit es leichter krabbeln konnte.

Es dauerte nicht lange, bis es ihren Arm eroberte und zu ihrer Schulter gelangte. Ein Kichern entschlüpfte ihren Lippen, denn die kleinen Füße kitzelten sie. Das Geräusch hallte über die ganze Wiese ihrer Oase wider. Langsam krabbelte es auf ihre Schulter, dann ihren Hals und schließlich ihr Gesicht, wo es stehenblieb, fast schon zögerte, weiterzugehen.