Ich stand vor meinem Spiegel und zupfte das Kleid zurecht. Es war blau, himmelblau und bodenlang. An der Taille durchzog ein weißes Band das Kleid und es war trägerlos.
Obwohl es schön war, stand es mir nicht. Ich sah darin blasser aus als eh schon. Aber vielleicht lag das auch daran, dass ich aufgeregt war. So angespannt wie noch nie in meinem Leben. Denn bald stand die Auslese an und das entschied über mein zukünftiges Leben. Die Auslese sollte entscheiden, ob man in seinen Trakt passte. Doch seit Jahren fand die Auslese in unserem Dorf nicht mehr statt. Denn eigentlich passte jeder nach Doom, beziehungsweise in Trakt 1. Wir standen für die Landwirtschaft, waren die Sozialen und eigentlich wurde fast niemand zu den Prüfungen geholt, um zu testen, in welchen Trakt man wirklich passt. Meine Mutter richtete noch einmal meine braunen, gemachten Locken und lächelte mich dann an.
„Du siehst wunderschön aus, Emilia.“, sagte sie jetzt und strahlte mich an. Gezwungen lächelte ich zurück. Mir war schlecht vor Aufregung und ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, bald eine Erwachsene zu sein. Unser Land war seit Jahrzehnten der Auslese unterlegen. Während ich meiner Mutter in das Wohnzimmer folgte, ballte ich meine Hände zu Fäusten. So sah man nicht, dass sie zitterten.
Im Wohnzimmer wartete mein Vater auf der kleinen Couch. Er trug den typischen weißen Anzug, den alle Erwachsenen trugen. Meine Mutter hatte in der gleichen, passenden Farbe ein Kleid an. Doch es war okay, dass ich blau gekleidet war. Immerhin war ich erst 16, nicht schon 18 und somit volljährig. Alle Kinder unter 18 Jahren trugen blau. Die kleineren Kinder dunkel -, die älteren Kinder himmelblau. Und ich war stolz, dass ich jetzt schon bei Himmelblau angelangt war.
„Wie die Mutter so die Tochter.“, meinte mein Vater da und stand mit aufgerissenen Armen auf. Er drückte mich sanft an sich, bevor er murmelte: „Du bist das schönste Mädchen auf dieser Welt.“
„Da sind ja auch nicht mehr wirklich viele übrig.“, sagte ich leise. Mein Vater löste sich von mir. Sein Lächeln ist zwar verschwunden, doch seine Augen strahlten weiterhin. Die gleichen grünen Augen wie meine, mit den dunklen Wimpern und den Lachfältchen herum. Ich kannte sie wahrscheinlich besser als meine eigenen. Wie oft hab ich nachts in sie geguckt, wenn ich nicht schlafen konnte oder einen Alptraum hatte.„Lasst uns aufbrechen, auf dem Marktplatz ist wahrscheinlich schon die Hölle los.“, meinte meine Mum und hielt die Eingangstür auf. Mein Vater und ich gingen ihr hinterher und traten aus dem kleinen Haus. Ein Wohnzimmer mit offener Küche, ein kleines Bad und ein Schlafraum für drei Personen bat unsere Hütte. Mum, Dad und mich.
Früher waren wir zu viert, mit meinem Bruder Nathan. Doch er hat die Auslese damals bestanden. Als ich 11 war, wurde er von der Regierung ausgewählt und mit nach Peak kam. Peak ist unsere Hauptstadt und jeder, der für die Auslese bestimmt wurde, kam dorthin um die Tests zu bestehen. Fast jeder, der ausgewählt wurde, bestand sie. Von daher sollte ich keine Angst haben. Doch die Auserwählten kamen nie zu ihren Familien zurück. Nur kurz, um sich zu verabschieden und dann zogen sie nach Peak in Trakt 5 oder einen anderen Trakt. Je nachdem, wie die Tests ausfielen. Ich kann mir ein Leben ohne meine Eltern nicht vorstellen.
Nathan kam nicht zurück, um sich zu verabschieden. Die Regierung hat uns mitgeteilt, dass er einen wichtigen Posten in Peak annehmen wird und diesen direkt antreten muss. Ich war furchtbar enttäuscht, denn Nathan und ich waren ein Herz und eine Seele. Doch jetzt kam meine Zeit und ich sollte mich auf die nächsten Stunden konzentrieren. Seit der Auslese vor fünf Jahren kam die Regierung nicht mehr in unser Dorf. Wir lagen in Trakt 1. Und Trakt 1 ist dafür bekannt, besonders arm dran zu sein seit der Reanimierung.
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Auslese - Nur die Besten überleben
Mystère / ThrillerAmerika 2098. Das Land, wie man es einmal kannte, existiert nicht mehr. Durch die Teilung in fünf komplett verschiedene Trakte stellte die Regierung sicher, dass nie wieder so eine Tragödie wie in der Vergangenheit passiert. Ansich führt Emilia ein...