2. Kapitel

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8 Monate später zogen wir aus dem sonnigen Florida weg in das regnerische Oregon.

Mein Dad hatte sich eingebildet, ein hühnerstallgroßes Haus mit ausladend kleinen Fenstern und einem penetrant modrigen Geruch, der sich hartnäckig an allem festzubeißen schien, was das Haus betrat oder sich bereits in ihm befand, genau das war, was das kleine Rest Familie, der uns jetzt noch geblieben war, brauchte, um wieder zurück ins Leben zu finden. Gerne hätte ich ihm erklärt, wie sehr das gerade nicht das war, was ich brauchte noch voraussichtlich jemals in meinem Leben brauchen würde, dann wiederrum war es mir allerdings verblüffend gleichgültig.

Es ist nicht so, dass ich unserem Kleinstadtleben in Cedar Key mit einem weinenden Auge hinterher sah und ich tausende, zu Tode betrübte Freunde zurücklassen würde, die mir mit tränenerstickter Stimme predigten, dass sie mich nie vergessen würden und ihren Whatsapp Status auf einen broken heart Emoji änderten.

Tatsächlich hatte ich an meiner alten Schule genau eine Freundin gehabt, (abgesehen von Hausmeisterin Rita, welche gezwungenermaßen ihre Pausen mit mir hinter der Sporthalle verbrachte (nur dort konnte man ungestört rauchen)) und das vermutlich auch nur, weil wir die einzigen Personen waren, die damals an der Schülerzeitung gearbeitet hatten. Abgesehen davon, dass sich absolut niemand jemals auch nur einen Deut um die Cedar High Daily geschert hatte, war dies das einzige Hobby gewesen, für das ich immerhin gemäßigte Begeisterung empfinden konnte. Unsere Arbeitsteilung bestand darin, dass ich die Fotos schoss und Becca (so hieß die Gute) an den Artikeln arbeitete. Wir waren ein relativ okayes Team. Wir waren in Ordnung. In gewisser Weise ergänzten wir uns in unserer miserablen, halbtalentierten Art und der Verkorkstheit, die ich eventuell und sie definitiv an sich hatte, sogar. Es war angenehm mit ihr zu arbeiten, denn sie war sehr ruhig und von grund auf ein sehr gelangweilter, sehr unscheinbarer Mensch, der sich nie für etwas zu interessieren schien, sowie niemand sich für sie zu interessieren schien. Sie war sehr groß und dünn und hatte sehr merkwürdige, knorpelige Beine, für die sie in der Schule gemobbt wurde, und für die ich sie eventuell auch gemobbt hätte, wäre ich eines von den coolen kids gewesen und wäre sie nicht die einzige Person, die mit mir sprach. Wir waren gewissermaßen einfach Freunde, weil wir es sein mussten, und das war okay für uns.

Einmal sind wir sogar zusammen nach der Schule zu Bettys Diner gegangen und haben dort einen Milchshake getrunken, aber Becca war offenbar allergisch gegen irgendetwas in ihrem Banana split Cocktail, also verbrachte sie die Hälfte der Zeit auf dem Klo und ich alleine in einer zwei-Mann Bucht, wobei ich mich fühlte, als hätte mich jemand bei einem Date versetzt, was ziemlich mies ist, besonders wenn einem klar wird, das man noch niemals auch nur ansatzweise in die Nähe eines tatsächlichen Dates gekommen war, bei dem man dann hätte versetzt werden können. Als Becca dann irgendwann wieder zurückkam war sie sehr blass und ihre Augen sahen ungesund gelb aus. Wir haben dann noch ein bisschen über ihre Katzen geredet und ich habe ihr erzählt das ich auch eine hätte, was gelogen war. Danach haben wir uns nicht mehr getroffen. Als ich ihr erzählt habe das ich mit meinem Dad wegziehen würde hatte sie genickt und dann gesagt okay. Also habe ich auch genickt und okay gesagt.

Dann sind wir weggezogen.


Als der Sommer starbWo Geschichten leben. Entdecke jetzt