73.: Every man gets two metres

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- Mittwoch, 20.09.2034 -

Der Gebäudekomplex des nordkoreanischen Geheimdienstes war groß. Groß, modern und sah von weiter weg ein wenig aus, wie das JYP Building.
Abgesehen von dem fehlenden Schriftzug.
Und dem Stacheldrahtzaun, der das Gebäude eingrenzte.

Jeongguk ließ sein Handy sinken und schluckte schwer, als er einen Schritt auf den hässlichen, grauen Betonklotz zumachte. Die Straße war menschenleer und der Haupteingang unbewacht. Eigentlich hatte er überlegt einen Hintereingang zu suchen, bei dem es weniger offensichtlich wäre, in das Gebäude zu gelangen, doch er hatte diese Idee sofort wieder verworfen, als ihm klar geworden war, dass - so sehr es ihm auch manchmal vorkam - der Geheimdienst bestimmt nicht so blöd wäre, einen Hintereingang nicht mit Sicherheitsvorkehrungen zu versehen.

Und so peilte er weitaus weniger selbstbewusst, als er es sich ausmalte, die große Doppeltür an und betätigte die Klingel, während ihm das Herz bis zum Hals schlug.

Nachdem er die Adresse von Mr. Wang bekommen hatte, hatte er sofort die Feierlichkeiten verlassen und sich auf den Weg gemacht. Auf der Strecke hier her, hatte er immer wieder mit den Gedanken gespielt die Polizei zu verständigen oder wenigstens seine Sicherheitsleute, doch sollte Mr. Wang tatsächlich nicht geblufft haben, würden sie auf diese Aktion hin vermutlich nur mit allzu viel Spaß an der Freude Yoongi, Namjoon und Taehyung zur Strafe etwas antun.

Jeongguk war sich dem Dilemma bewusst, aber nach dem zehnminütigen Dauerlauf, den er durch die halbe Stadt hingelegt hatte, war er sich sicher, dass er, wenn es darauf ankam, sein Leben über das seines Bruders stellen würde.

So schlecht ihr Verhältnis auch einmal gewesen sein mochte. So sehr sie sich verabscheut und einander beschimpft hatten.
So sehr würden sie beide für einander durchs Feuer gehen.
Das hätten sie schon immer getan.

Jeongguk wartete keine fünf Sekunden, da hörte er ein Surren über sich. Etwas Rotes leuchtete auf und er kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit die Kamera zu erkennen, doch bevor er auch nur irgendetwas sagen konnte, schwang eine der Türen geräuschlos auf.

So leise wie möglich trat er ein, sein Handy fest an sich gepresst.
Die Eingangshalle war groß, hoch und mit einem Teppichboden ausgelegt, der jeden seiner Schritte abdämpfte, sodass von den Wänden nur sein schweres, angestrengtes Atmen zu hören war.

„Hallo?", fragte er zaghaft, doch niemand antwortete ihm. Bis auf entferntes Gemurmel schien das Gebäude ausgestorben zu sein und er erschreckte sich zu Tode, als er noch einen Schritt machte, der Bewegungsmeldern ihn auffing und das Licht auf einmal den Raum flutete, als müsste es die Helligkeit des Tages nachahmen. Jeongguk unterdrückte einen Aufschrei, doch die Lampen hatten ihn genug aufgeschreckt, dass er anfing sich in Bewegung zu setzen und ziellos begann den ersten Gang hinunterzulaufen.

Er war nicht sonderlich traurig darüber, dass ihn kein bewaffnetes Empfangskomitee erwartet hatte. So konnte er wenigstens so lange wie möglich ungestört nach seinem Bruder suchen.

Doch je länger er lief und je länger er darüber nachdachte, dass die Gänge kein Ende zu nehmen schienen und er von draußen gesehen hatte, dass das Gebäude bis in den sechsten Stock ging, desto fester krallte sich die Angst in seinem Kopf fest.

Was Jeongguk nicht wusste, war, dass sein Ziel gar nicht so weit von ihm entfernt war.
Ein paar Meter weiter und hätte er den linken statt den rechten Flur genommen, würde er sich jetzt genau sechs Stockwerke unter dem Flur befinden, in dem Taehyung und Namjoon gerade den Schock ihres Lebens durchlitten.

„Yoo... Yoongi? Min Yoongi?"
„Höchstpersönlich, du Gorilla. Und jetzt lass mich runter."

Verdattert ließ Namjoon seinen Griff locker und Yoongi rutschte an der Wand herunter, bis er wieder sicher auf seinen zittrigen Beinen stand und wütend zu Namjoon aufsah.
Es war ein Größenunterschied von knapp anderthalb Köpfen entstanden.

The Final Countdown  ⇢  TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt