Schnaubend hielt der Schulbus mit einem leichten Ruckeln an der Haltestelle vor der Schule. Es war erst halb neun am Morgen, aber ich war trotzdem der glücklichste Mensch der Welt. In meinem Bauch kribbelte es wie verrückt. Aber das war ja kein Wunder, so verliebt wie ich war.
Als einer der ersten stieg ich aus dem Bus und machte unter dem Gedränge meinen Freund ausfindig. Weil er so viel kleiner war als ich und der Rest unserer Stufe, hätte man ihn beinahe mit einem Siebtklässler verwechseln können.
Nach kurzem Suchen hatte ich ihn gefunden. Da stand er. Die hellbraunen Haare größtenteils von einer Mütze bedeckt, die übrigen trug er wie immer glatt zur Seite über die Stirn gestrichen, seine blau-grauen Augen fixierten mich, seine Lippen formten sich zu einem Lächeln. Er schob sein Handy in die Hosentasche und hängte sich seinen Rucksack über eine Schulter.
Louis.
Ich schlängelte mich zwischen den Menschenmengen hindurch zu ihm und schloss meine Arme um ihn. Am liebsten hätte ich ihn geküsst und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebte, aber auf dem Schulgelände war nicht mehr als eine brüderliche Umarmung drin. Ich schämte mich nicht für ihn, nein, ich hätte dazu gestanden, aber ein schwules Pärchen hätte hier niemand toleriert. Deshalb waren wir uns einig geworden, das vorerst für uns zu behalten.
„Guten Morgen, Haz.“ Bei dem klang seiner rauen Stimme stellten sich bei mir alle Nackenhärchen auf.
„Morgen, Lou“, erwiderte ich und löste mich von ihm.
„Wie geht’s dir?“, fragte er mich. Seine Augen klebten förmlich an meinen Lippen.
Ich beugte mich zu seinem Ohr hinüber. „Wenn du da bist, geht es mir immer gut.“
Als ich mich wieder aufrichtete und in sein Gesicht blickte, waren seine Wangen leicht rot geworden und er sah lächelnd auf den Boden. „Geht mir genauso“, murmelte er.
Ich lächelte. „Komm, lass uns reingehen.“
Am liebsten Hätte ich seine Hand genommen.
„Wollen wir heute was machen?“, fragte Louis mich auf dem Weg nach drinnen.
„Klar, aber ich muss vorher noch meine Mum fragen. Zu mir oder zu dir?“
„Da ich zwei … bald vier Schwestern habe … zu dir.“
Ich schnaubte belustigt. „Du musst dich doch manchmal echt entmannt fühlen, oder?“
„Da fragst du noch? Es ist grausam! Und bald hab ich auch noch die doppelte Qual. Ich bin froh, wenn ich mal zu dir gehen kann und abschalten kann.“
„Oh, ich werde für deine Entspannung sorgen. Das garantiere ich dir.“ Ich grinste ihn versaut von der Seite an und er verdrehte die Augen.
Ich sehnte mir schon jetzt den Nachmittag herbei, musste mich aber wohl oder übel damit abfinden, dass noch sechs Schulstunden vor uns lagen.
Am Eingang der Schule hielt ich Lou wie üblich die Tür auf und er ging mir voraus hinein. Früher hatte ich die Schule immer als „Gefängnis“ bezeichnet, aber seit Louis neu in unsere Klasse gekommen war, fand ich es gar nicht mehr so schlecht, hier meinen Morgen zu verbringen.
Wir setzten uns in irgendeine Ecke der Aula und machten gemeinsam die Mathehausaufgaben, die ich mal wieder nicht allein hingekriegt hätte. Ich hätte ja meinen Dad fragen können … wenn ich einen gehabt hätte. Mit dem neuen Typen an Mum's Seite kam ich überhaupt nicht klar.
Als hätte Lou meine Gedanken gelesen, sprach er mich in diesem Moment drauf an, wie es mit ihm und meiner Mum lief.
„Gut … Er wohnt neuerdings bei uns. Gem mag ihn, aber ich kann ihn nicht ausstehen. Ich weiß nicht, was meine Mum an ihm findet. Er sieht weder gut aus, noch hat er einen tollen Job oder viel Geld.“
„Dann muss er wohl ziemlich gut im Bett sein“, schlussfolgerte Louis, während er das Mathebuch aufschlug und nach der richtigen Seite suchte. Ich verzog angewidert das Gesicht. „Oh, Gott, hör auf! Das Letzte, was ich will, ist, mir die beiden beim Sex vorzustellen.“„Okay, also … Berechne die fehlenden Koordinaten der Eckpunkte des Hexagons und den Flächeninhalt. Kann ja nicht so schwer sein. Den Flächeninhalt kann man auf jeden Fall bestimmen, indem man das Ding in der Mitte teilt, sodass zwei Trapeze entstehen. Also müssen wir die Länge von A zu D berechnen und von dem Lot von B zu der Strecke AD.“ Ich schlug meinen Kopf auf den Tisch. Von dem, was Louis gerade gesagt hatte, hatte ich kein einziges Wort verstanden. In Mathematik war ich im Gegensatz zu ihm wirklich nicht der hellste Kopf. Und dabei schickte mich meine Mum schon zur Nachhilfe.
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Ein (fast) normaler Schultag [l.s.]
FanfictionEigentlich sagt der Titel schon alles, was man wissen muss...