Die da reden vom Vergessen

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Die da reden vom Vergessen

„Wenn ihr irgendwo einen Lümmel erwischt, vollzieht die Strafe auf der Stelle und gebt ihm eine Tracht Prügel", so Konrad Adenauer am 16. Januar 1960. Hiermit bezieht er sich auf die Hakenkreuzschmierereien an der Synagoge in Köln.

1960 war aber die Entnazifizierung schon vorbei. Wie konnte es da zu Hakenkreuzschmierereien kommen, wenn es doch keine Nazis mehr gab? Die Entnazifizierung scheiterte mindestens in Teilen. Der Umgang mit der Nazivergangenheit ließ zu wünschen übrig.

Im Spruchkammerverfahren wurden oft Täter freigesprochen, nur weil eine Person sie deckte. Sie wurden als „Mitläufer" oder „Entlastete" deklariert und erhielten einen „Persilschein" (Schuld wird reingewaschen) und blieben somit straffrei. Das beruhte oft auf Gegenseitigkeit, sodass sehr viele Verbrecher niemals ein Gefängnis von innen sehen mussten. Spruchkammerverfahren, so nannte man das Prinzip, dass die breite Mehrheit der Bevölkerung entnazifizieren sollte und NS-Hauptverbrecher identifizieren sollte. Dabei wurden Ermittlungen angestellt, um potenzielle Verbrecher zu entlarven. Bezeugten jedoch nur wenige Personen die Unschuld, so wurde das Verfahren oft eingestellt und eine mögliche Gefängnisstrafe oder Entlassung abgewendet.

Dazu kommt die Schlussstrichmentalität, welche die Haltung der Bürger in den 50ern darstellt. Man wollte mit der Vergangenheit so schnell wie möglich abschließen und die Entnazifizierung beenden (u.A. Ziel der FDP, denn der Markt regelt das) rückblickend gesehen war dies übereilt und führte zur eher schlechteren Aufarbeitung der Vergangenheit.

Mit dem 131-Gesetz gelangten teils ehemalige Nazis wieder in Schulen und den Verwaltungsapparat. Es gliederte Menschen wieder in das Beamtentum mit ein, die ihren Beamtenstatus nach 45 aufgrund ihrer Verbindungen zum Nationalsozialismus verloren hatten.

Das Straffreiheitsgesetz 1954 amnestierte alle Ordnungswidrigkeiten nach 1945 und auch Endzeitverbrechen (Verbrechen, die am Ende des Krieges geschahen) was vielen Nazis Straffreiheit und Freilassung verschaffte. Die Verdrängung des Widerstandes war ein weiterer Fehler der Entnazifizierung, denn das Stauffenberg-Attentat, die weiße Rose, die Edelweißpiraten und weitere Widerstandsgruppen wurden eher als Verräter gesehen anstatt als Helden gefeiert.

War aber die Entnazifizierung völlig gescheitert?

Nein. So stark zu Generalisieren wäre falsch. Die Politik der Vergangenheitsbewältigung verzeichnete durchaus Erfolge. Beispielsweise die Nürnberger Prozesse oder die Reeducation, welche aber erst ab den 70ern richtig griff, davor dominierte noch der Gedanke der Schlussstrichmentalität.

Warum gibt es bis heute Nazis? Kann man die Schuld auf eine gescheiterte Entnazifizierung schieben?

Auch hier ist die Antwort nein. Ist eine Ideologie einmal etabliert, wird es immer Menschen geben, die diese verfolgen. Sei es Faschismus, Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus, Liberalismus, ja sogar Monarchie

Wo liegen aber die Probleme der Entnazifizierung?

Zum einen an einem sehr milden Spruchkammerverfahren, welches so gestaltet wurde, um sich mit den Deutschen von Anfang an zu befreunden, denn die Alliierten wollten Deutschland an den Westen binden um einen antikommunistischen Schutzwall aufzubauen. An der Duldung führender Nationalsozialisten in CDU, FDP und andern Parteien und in den Institutionen, wie bei Hans Globke, wie bei all denen, die auf Wikipedia gelistet sind ( ). Die aktive Verdrängung der Vergangenheit in den Jahren bis 1970 trug auch maßgeblich zu dem teilweisen Scheitern der Entnazifizierung bei.

Mit zwei stark zugekniffenen Augen meint man damals wie heute „es gibt keinen rechten Terror", Deutschland habe kein Problem mit Rechtsextremismus und die größte Gefahr komme sowieso von Links. Parteien wie die dämliche NPD, der dritte Weg, die Rechte, etc. sind weiterhin erlaubt. Meinungsfreiheit und so.

So waren es damals die Wehrsportgruppe Hoffmann, der NSU, die Vorfälle in Rostock-Lichtenhagen, so sind es heute Hanau, Halle, Gruppe Nordkreuz, Gruppe Freital etc die neonazistische Gewalt ausüben. 2019/20 gab es mehr rechtsextreme Morde als im „Blutjahr" 1980.

Der Mörder Walter Lübckes hatte Verbindungen zur AfD. Der „Flügel" ist Prüffall des Verfassungsschutz und Bernd Höcke und Andreas Kalbitz werden von selbigem als Faschisten geführt. Worauf möchte ich hinaus?

Die Benennung eines offensichtlichen Problems ist damals wie heute der erste Schritt zu einer erfolgreichen Problembewältigung. Die Frage, wie man mit Rechtsextremen umzugehen hat bleibt jedoch damals wie heute. Nach welchem Prinzip geht man vor? „Küsst die Faschisten" (Kurt Tucholski, Rosen auf den Weg gestreut), also der pazifistische Umgang mit Nazis oder „die da reden von Vergessen und die da reden von Verzeihen, all denen schlage man die Fressen mit schweren Eisenhämmern ein." (Berthold Brecht, Schlussakt der Dreigroschenoper). Uns allen sollte jedoch klar sein, dass in unserer Gesellschaft nie ein Mittel des politischen Diskurses sein soll, somit geht es hier viel mehr um einen verbalen Vorschlaghammer in die Gesichter der Neofaschisten.

Und ja, man ist entweder für Faschismus oder man ist gegen Faschismus. Es gibt hier keinen Mittelweg. 

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⏰ Last updated: Jun 21, 2020 ⏰

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