015 | Harry

1.7K 250 56
                                    

Harrys P.o.V

Ich war schon eine Weile wach und starrte einfach nur an die Decke. Etwas anderes blieb mir auch nicht übrig. Schließlich waren die Manschetten wieder um meine Gelenke geschlossen und hinderten mich, wie die Tage auch zuvor, an meinen Bewegungen.

Ich dachte an gestern zurück, wie ich um Hilfe gefleht hatte und biss mir auf die Lippe. Es war überhaupt nicht meine Art jemanden so nah an mich zu lassen. Das letzte Mal, als ich versucht hatte jemanden in mein Leben zu lassen ist es kläglich gescheitert und ich bereute es zu tiefst. Von dieser Situation an geprägt, wollte ich niemanden mehr an mich heranlassen. Doch es wurde einfach immer schlimmer. Die Träume häuften sich und die Erinnerungen verschlangen mich regelrecht.

Das ich überhaupt jemals wieder leben konnte hielt ich für gänzlich ausgeschlossen. Es reichte nur einen Blick in den Spiegel und ich sah nicht meine Augen, sondern die eines Monsters.

Doch es war etwas an Louis, was mich wie ein Mensch fühlen ließ. Und ich genoß es. Ob er heute noch vorbeikommen würde? Langsam fühlten sich meine Gliedmaßen vollkommen steif an. Und mein linkes Bein schlief mir permanent ein, welches für eine gewisse Wut in mir sorgte. Es war wie ein austretendes Gas. Wenn jetzt jemand mit einem Streichholz ankommen würde, würde ich vermutlich explodieren.

Wegen den Gedanken musste ich grinsen und schmiegte mich mehr in die Kissen. Auf einmal wurde die Tür geöffnet und Schritte näherten sich. Als ich meinen Blick von der Decke abwendete schaute ich zu der Person und erkannte Louis. Er stellte gerade das Tablett ab und stellte sich vor mich hin.

"Guten Morgen Harry." Ich erwiderte nichts, sondern schaute ihn gespannt an. Das er so früh morgens hier her kommen würde hätte ich nicht erwartet. Eher hatte ich gedacht, dass er wieder kurz vor Dienstschluss vorbeikommen würde. Irgendwas war merkwürdig an seiner Körperhaltung. Er schien wegen etwas aufgebracht zu sein.

"Warum hast du meine Schwester umgebracht?"

Perplex schaute ich ihn an und öffnete meinen Mund, nur um ihn kurz danach wieder zu schließen. Ich war viel zu sprachlos, war er Charlottes Bruder? Woher wusste er davon? Bei keiner Gerichtsverhandlung war er mir aufgefallen. Anscheinend gefiel es ihm nicht, dass ich nichts auf seine Frage erwiderte, denn er trat näher und schaute mich mit einem stechenden Blick an. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass er mich hasst. Doch auch Unsicherheit und Trauer spiegelte sich in seinen Augen wieder.

Er schaute schweigend auf mich hinab und verschränkte seine Arme vor der Brust. "Raus mit der Sprache, warum hast du meine kleine Schwester rücksichtslos und kaltblütig ermordet?"

"Ich habe sie nicht umgebracht", stieß ich bissig hervor und zog an den Manschetten. Das er jetzt so in die Offensive ging, gefall mir absolut nicht.

"Ich habe es aber gelesen. In deiner Akte. Und was ist mit den ganzen anderen? Was ist mit deiner Schwester. Was hast du ihr angetan?"

Das war genau das Streichholz, welches meine Wut entfachte.

"Wenn du noch einmal ihren Namen erwähnst." Meine Muskeln spannten sich an und meine Schmerzen waren mir einfach nur noch egal. Mit aller Gewalt stemmte ich mich gegen die Manschetten. Das Adrenalin pumpte nur so durch meine Adern und sorgte für ein befriedigendes Brennen. Die Metallglieder der Verbindungstücke der Manschetten verbogen sich und mit einem weiteren Ruck hatte ich meine linke Hand befreit.

Mit schnellen Handgriffen löste ich die anderen drei und schwang mich auf meine Beine. Auch wenn die Bewegungen zu schnell waren hatte Louis nicht damit gerechnet und ich nutze den Moment mich zu sortieren. Es war ungewohnt auf eigenen Beinen zu stehen. Und eigentlich fühlte ich mich auch noch nicht so weit, doch die Wut blendete mich völlig und gab mir die Kraft, welche ich brauchte.

Prison Love [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt