Choosing Between You

Kapitel Eins

Das dies mein erstes Zusammentreffen mit ihm sein sollte, war nur schwer zu glauben. Man ging immer von diesem einen Augenblick aus, dem alles entscheidenden Moment. Liebe auf den ersten Blick, wie es alle nannten. Die Art und Weise, wie wir uns eigentlich näher kamen, war nicht einmal in den verstörenden Romanen beschrieben, wie sie meine Freundin las. Mit ihr fing übrigens meine Geschichte mit ihm an; ihre Tollpatschigkeit war sozusagen der Auslöser, auch wenn ich es erst nicht glauben mochte.

„Und? Was wolltest du mir jetzt so unglaublich tolles erzählen, y/n?" Annika schlürfte genüsslich an ihrem Cappuccino, während sie mir erwartungsvoll in die Augen schaute. „ Ich hab zwei Karten für das Konzert von..." Ich liebte Kunstpausen. „Charlie Puth! Die Karten waren so billig, die kann ich dir sogar ausgeben. Und das Beste daran: Nur noch vier Mal schlafen, dann ist es soweit!", ließ ich meiner Freude freien Lauf. Aber während ich strahlte wie ein Honigkuchenpferd, machte Annika ein enttäuschtes Gesicht. „Aber ich... ich wollte dir auch noch was sagen... Ich hätte Karten für das Giant Rooks Konzert am Donnerstag. Da wollte ich unbedingt mit dir hin." Der Name war mir genauso fremd wie Mathe. „Giant wer?"

Annika machte ein entsetztes Gesicht. „Wie? Du kennst Giant Rooks nicht? Die beste Band weltweit?!" Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Nein, noch nie davon gehört. Gibt's bekannte Lieder von denen?" Eine Sekunde später hatte meine Freundin schon mein Smartphone in der Hand, auf dem sie wild herumtippte, bevor sie es mir mit einer neuen Playlist zurückgab. „100 mg? Ist das ein Rezept oder was?", spottete ich skeptisch. Die Brünette mit den lila Strähnen verdrehte jedoch nur ihre Augen. „Hör es einfach an und komme am Donnerstag mit. Bitte!", flehte sie. „Ich soll Charlie Puth dafür vernachlässigen? Niemals! Außerdem... wie soll das eigentlich funktionieren, wenn zwei Künstler an dem Tag spielen?"

Es kann nicht funktionieren, wie ich Fünf Tage später herausfand.

Ich drängelte mich durch die Mengen von Teenagern, die sich vor der Olympiahalle stauten. Viele Mädchen hielten große Pappschilder in den Händen mit der Aufschrift „I love you Fred!" Die wollten wohl alle zu diesem Konzert, von dem Annika erzählt hatte. Aber das Charlie Puth Konzert musste doch stattfinden! Ich machte Halt vor einem Türsteher, der die Eingänge bewachte. Meine Konzertkarte blickte er jedoch skeptisch an. Nach einigem Hin und Her Drehen gab er sie mir wieder und meinte „Diese Karte ist ungültig. In einer Stunde findet hier das Giant Rooks Konzert statt, nicht das von Charlie Puth. Ihre Karte ist wohl gefälscht."

Während ich wieder nach Hause stampfte, dachte ich wütend über meine Dummheit nach. Es gab doch niemals eine Konzert Karte mit Backstage Pass für 20 Euro... Ich war so dämlich! In meinen Gedanken versunken stürmte ich die endlosen Straßen Münchens entlang ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Dabei stieß ich einen Starbucks Tisch um, rammte einen Typen im Anzug und trat in den Geigenkoffer eines Straßenmusikers. Irgendwann endete aber mein Fast- Amoklauf, indem sich eine Gestalt direkt vor mich stellte. Nach einem Augenblick der Verwirrung erkannte ich sie und umarmte Paula. „Was machst du denn hier?", erkundigte ich mich. Sie ließ wieder los und zog mich zum den Rand der Fußgänger Zone. „Das sollte ich wohl besser dich fragen, du Terrorist. Warum machst du mit deinem Getrampel die Stadt unsicher?" Ich wollte schon zu einer Antwort ansetzten, da fiel mir etwas ein und ich kniff meine braunen Augen zusammen. „Seit wann bist du wieder in Deutschland und warum?" Sie seufzte genervt, antwortete aber trotzdem: „Shawn ist schon wieder auf Tour, da fliege ich lieber zu dir als alleine in der Wohnung rumzusitzen." Ich schaute sie mitleidig an. Man sah es ihr deutlich an, dass sie sich nicht mit der Popularität ihres Partners anfreunden kann. Um schnell das Thema zu wechseln, ging ich auf ihre Frage davor ein. „Ich habe dir doch von dem Charlie Puth Konzert erzählt? Mit den total billigen Karten?" Sie nickte wissend. „Tja, war wohl eine Fake- Seite. Das Konzert findet niemals statt." Mir wurde abermals meine Dummheit bewusst, außerdem hab ich überall herumerzählt, dass ich heute dorthin wollte. Paula machte einen nicht allzu erschrockenen Gesichtsausdruck, nein, sie fing an zu glucksen. „Da bist du nicht von alleine darauf gekommen? Das merkt doch jeder, dass das keine echten Tickets sind. Wie heißt denn die Seite?", spottete sie.

„www.teure-konzerts-billige-tickets-hier.com", murmelte ich beschämt. Meine beste Freundin fing, wie erwartet, an, laut loszulachen. Doch unerwarteter Weise hörte sie damit schnell auf, um meinen Arm zu greifen und mich zu einer Gruppe Teenagers hinzuziehen und diese anzulabern. „Hey Mädels, sicher kennt und mögt ihr Charlie Puth." Sie wartete gar nicht das Nicken der jungen Mädchen ab und plapperte direkt weiter. „Also hier sind zwei Tickets für das Konzert in zwei Stunden, inklusive Backstage- Karten. Und das nur für- 30 Euro pro Karte!" Sie hielt die Karten wie ein Zauberer direkt unter die Nasen der Jugendlichen, die freudige Blicke austauschten. Ich stand wie angewurzelt daneben und war schockiert darüber, wie dreist Paula sein konnte. „Fuck ey, digga ich hab kein Money dabei. Ich kann dich nicht supporten... aber Share it with us auf Instagram und snapchat und Twitter!", quietschte ein kleines Blondes Mädchen. Daraufhin zog mich Paula zu der nächsten Gruppe, bestehend aus jungen Männern in unserem Alter, die es sich in einem Café gemütlich gemacht hatten. Das gleiche Prozedere wie vorhin, nur dass keiner sich für die Karten interessierte. Wir bummelten noch ein bisschen in den Straßen Münchens herum und alberten mit der übrig gebliebenen Karte herum. Doch auf einmal rief uns eine tiefe Stimme hinterher: „Wartet mal!" Wie in einem schlechten Film drehten wir uns synchron um und- blickten einen jungen Mann an.

Einen gut aussehenden jungen Mann. Groß, dunkles Haar, lange Beine und ein bescher Rollkragenpullover, der seine Schultern betonte. Alles in allem: hot, wirklich hot.