Kapitel Drei

88 2 0
                                    

Und was sollte ich jetzt machen? Zum Konzert gehen? Oder hat der uns veräppelt und ich stehe schon zum zweiten Mal heute vor der Olympiahalle und komme nicht rein? Nein, das wäre ziemlich deprimierend. Ich hatte echt keine Lust mehr, ich würde jetzt nach Hause gehen und mir auf dem Weg noch ein Stück Lasagne von meinem Lieblingsrestaurant mitnehmen. Während ich gemächlich die sich leerenden Straßen Münchens entlanglief, dachte ich nochmals über die Begegnung mit Luca nach. War er nur ein stinknormaler Typ, der sich einen Scherz erlaubt hatte oder vielleicht einer, der in der Halle arbeitete und Mitleid hatte? Ich werde es wohl nie erfahren...

Eine Viertelstunde später mit Lasagne in einer Styroporbox und Maiswaffeln aus dem nächsten Discounter bewaffnet, stand ich auf meinem Balkon, der sich direkt gegenüber der großen Konzerthalle befand, in die eine riesen Menge Fans stürmte. Dafür, dass eine ausländische Band spielte, waren relativ wenige Fans da. Ich beobachtete das Getümmel und konnte Jugendliche ausmachen, die versuchten, sich ohne Karte reinzuschmuggeln und heulten, als ein Sicherheitssteher sie zurückwies. Andere holten sämtliche „gefährliche" Gegenstände aus ihren Taschen wie Deosprüher, Wasserflaschen, Pfeffersprays, etc... Ich hätte diesen Aufwand nicht, wenn ich hingegangen wäre. Mich hätte man im Backstage Bereich empfangen und ohne Kontrolle durchgelassen. Ich merkte, wie meine Gedanken immer weiter in diese eine Richtung wanderten. Wenn ich doch hingehe würde ich diesen Typen von vorhin wieder sehen, solange er uns nicht verarscht hatte. Ich würde ein Konzert anhören können mit dem netten Effekt, Luca vielleicht wiederzusehen, vorausgesetzt er arbeitete nicht bei der Technik oder etwas, was seine Zeit beansprucht. Und auf einmal war die Idee nicht einmal so schlecht, die Straße zu überqueren und den Backstage Pass überzustreifen.

Und auf einmal stand ich da. Vor dem Seiteneingang, von dem Luca erzählt hatte; Immer noch mit der Lasagne und den Maiswaffeln im Gepäck. Noch Fünf Minuten wies ein großes Leuchtschild auf dem Parkplatz hin, auf dem zahlreiche Autos parkten. Und schließlich fasste ich den Mut und stieg die Betonstufen hoch, an deren Ende ein großer schwarzgekleideter Mann stand, ein Security. „Name.", befahl er. Eingeschüchtert stotterte ich: „y/n. Ich- ähm... also Luca hat mich eingela-" Schroff wurde ich unterbrochen. „Hier ist dein Pass, geh einfach die Zweite, links." Ein Schlüsselband mit einem einlaminierten Kärtchen hielt mir der Security unter die Nase. „Äh, danke." Wie erfordert ging ich zwei Türen entlang und durch die rechte Tür. Das war nicht das Klischee Backstage Setting, sondern ein Haufen Mitarbeiter tummelten sich in der schwach beleuchteten Halle und taten hektisch ihren Job. Und bis ich gemerkt hatte, dass ich nicht im Backstage Bereich war, sondern im Vorraum der Bühne, war es zu spät. Ein Typ, etwa so alt wie ich mit hellbraunen Locken winkte mich zu sich hin, während ein Mitarbeiter ihm ein Mikrophon in die andere Hand drückte und auf ihn einredete. Das war wohl der Sänger... fuck. Ich hatte mich ganz schön in die Scheiße geritten. Statt auf den Lockenkopf zuzugehen murmelte ich beschämt: „Sorry, I was wrong at the door. I'll go now to the-" Schon wieder wurde ich unterbrochen. „Bitte, was?", brüllte mir der Sänger entgegen und ging ein paar Schritte auf mich zu. Warte mal, was? „Das ist eine deutsche Band", stellte ich entgeistert fest. „Was dachtest du denn?"

„Giant...irgendwas ist doch ein englischer Bandname?" Erst als ich das raue Lachen hörte, merkte ich, dass ich dem Brünetten geantwortet hatte und nicht meiner inneren Stimme. Ich blickte auf in ein Gesicht das sich gefühlte Meter über mir befand. Dieser Typ war echt groß. „Giant Rooks.", verbesserte er mich grinsend und fügte noch spöttisch hinzu: „Man kann ja Englisch singen, aber trotzdem noch deutsch sprechen oder muss ich direkt meine Muttersprache ändern?" Mein Gesicht wurde augenblicklich heiß und von meinen Ohren brauchte ich nicht einmal anfangen. Ich stammelte irgendetwas von ‚Konnte ich ja nicht wissen' und noch etwas Peinliches dieser Art. Sein Grinsen wurde nur noch breiter, während er eine Hand in die Hüfte stemmte. „Und du gehörst in den Backstage?" Bevor ich etwas erwidern konnte, wurde er von einem ebenfalls schwarz bekleideten Angestellten an die Schulter gepackt und in Richtung Bühne gezerrt. „Wie heißt du eigentlich?", rief er mir zu. „y/n.", rief ich in der gleichen Lautstärke zurück. „Fred.", lächelte er mich noch an, bevor er hinter einer schweren Tür verschwand.

Ich warf noch einen letzten Blick in den dunklen Raum, bevor ich auch diesen verließ und diesmal durch die richtige Tür zum Backstage Bereich trat. Dort war alles wie erwartet. Auf einer großen weißen Couch sammelten sich Fans in jedem Alter und tuschelten aufgeregt mit ihren Begleitungen. Doch bevor ich noch einen Schritt in den Raum setzen konnte, baute sich vor mir ein Schrank auf. Wirklich, diesen Mann konnte man als Schrank bezeichnen. Auch wieder in schwarz, wie sollte es denn sonst sein... Ich hielt ihm meinen Pass hin, doch der war ihm relativ egal. „Was ist in der Tasche?", fragte er duster. Ich packte meine Lasagne und die Maiswaffeln, sowie mein Handy und den Geldbeutel aus der Umhängetasche und blickte den Security erwartungsvoll an. Er untersuchte die Styroporbox, öffnete sie, schloss sie, wandte sich an den gepressten Mais. „Das muss in den Müll, könnte gefährlich sein.", befahl er knapp. Ich glaubte nicht richtig zu hören. „Was zum Teufel soll daran gefährlich sein?! Soll ich die heißen Fleischbatzen der Band ins Gesicht werfen, sodass sie Brandblasen bekommen? Und kleine Stücke von den Maiswaffeln abrechen und dem Sänger in den Mund werfen, sodass er sie verschluckt und erstickt?" Verstört von meiner ausführlichen Beschreibung überlegte er wohl, ob ich Mordfantasien hätte. Nach einigen Sekunden winkte er jedoch ab und ließ mich den Raum betreten. 

Choosing Between YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt