Auch heute Morgen habe ich die sicherere Art und Weise sich fort zu bewegen gewählt. Den Bus! Voll mit schwitzenden Oberstufenschülern und kleinen viel zu sehr mit Deo besprühten fünft und sechst Klässlern. Sicher, stinkend aber keinesfalls so nervig wie Maddies Mutter. Wie sehr ich mich darauf freue einen Rollerführerschein zu machen! Oder noch besser Auto fahren zu können.
Die Sommerferien stehen vor der Tür das merkt man vor allem bei unserer Erdkundelehrerin die wahrscheinlich schon vor vier Jahren in Rente hätte gehen dürften, es aber nicht getan hat. Sie ist in Ordnung aber nicht mehr so ganz auf dem neusten Stand weshalb wir unseren ersten “Ferienfilm” bei ihr auf unserem uralt Schulfehrnseher schauen (das Ding ist so groß wie mein Ofen. Auch in die Tiefe) was für die Tussen aus unserer Klasse, die sich wegen Privatsphäre immer in die letzte Reihe setzen, natürlich der absolute Horror ist wenn sie sich nämlich zu sehr anstrengen beim gucken (jetzt könnte man denken sie sagen wie schädlich es für die Augen ist, was durchaus stimmt.) Sie sagten aber: “Wenn wir unsere Augen so voll lange so anstrengen schwitzen wir im Gesicht und unsere Mascara verläuft dann total.” Als ob einen Film gucken Olympische Disziplin und Schönheitswettbewerb in einem wäre. Hier trifft das Sprichwort “Große Klappe nichts dahinter” definitiv voll zu.
Der restliche Schultag mit Mathe und Kunst läuft noch ohne besondere Ereignisse ab. Jan lässt sich nicht blicken und Noah habe ich mit meinem wilden Hustenanfall gestern sicher für immer verschreckt. Ich muss lächeln als ich mir vorstelle wie es wäre, wenn ich immer in eine Hustenorgie verfallen würde, wenn er in unsere gemeinsame Wohnung kommt und ich ihn sehe während ich vielleicht ich was esse. Warum ich deswegen lächle? Nur wegen unserer gemeinsamen Wohnung. Warum sollte ich wegen dem Husten lächeln?
Ich stehe vor Maddies Tür. Wir holen die Fahrradtour von gestern nach und das Wetter spielt sogar auch mit. Wir wollen ins Nachbardorf fahren, das ist ein ganz schönes Stück aber nicht zu hügelig oder gar steil. Maddie ist übrigens nur mitgekommen, weil sie wusste das es die weltbesten Cupcakes meiner Mutter geben wird. Mama arbeitet in ihrer eigenen Konditorei die sie mit einer Freundin vor ein paar Jahren eröffnet hat. Und wer keine Sucht nach ihren Cupcakes oder crispy Macarons (eigene Erfindung) entwickelt, hat entweder keine funktionierenden Geschmacksknospen oder mag keine Süßigkeiten. Wenn wir schon bei Elternberufe sind, mein Vater ist Architekt bei irgendeiner Firma und hat zufällig unser Haus, in das wir vor einer Weile gezogen sind, entworfen deshalb ist es auch besonders geworden. Es hat mehrere Erker und sogar ein Turmzimmerchen was meine Mutter beschlagnahmt hat, um dort Torten zu Kühlen oder auszustellen für mögliche Auftraggeber. Außerdem ist es sowas wie ein Partyraum für uns. Ich habe ein tolles Zimmer mit Ausblick auf unseren Garten und sogar einen Erker genau wie meine Schwester. Ich weiß ich habe sie bis jetzt nicht erwähnt sie heißt Lilly wir nennen sie aber nur Lil. Sie ist 16 und zum Glück nicht so unbrauchbar wie manch anderer Teenager. Sie ist echt immer für mich da und hat einen Rat für mich, wenn ich mal wieder nicht weiterweiß. Sie war es auch die mir mein heißgeliebtes Tagebuch geschenkt hat.
5.8.2017 (Vergangenheit)
Ich war total verzweifelt, weil mein erstes Date mit Luis aus der Parallelklasse schief gegangen ist. Es hat mir keine Ruhe gelassen und so bin ich nachts um halb 1 zu Lil ins Bett geschlichen und musste ihr jedes Detail erzählen. (Sie war echt hundemüde und hatte gar kein Bock) also stand sie kurzerhand auf und holte aus einem Versteckten Bettfach ein Tagebuch heraus sie gab es mir und sagte “schreib alles hinein was dich bedrückt oder was du fühlst, auch wenn es nur ein Buch ist kann es dir helfen. Vertrau mir.”
(Gegenwart)
Ja das habe ich, habe ihr vertraut und alles was mich beschäftigt reingekritzelt und was soll ich sagen es hat Wunder gewirkt. Ich schreibe jetzt häufig, eigentlich jeden Tag hinein, (obwohl es jetzt schon das sechste Buch ist und nicht mehr das von meiner Schwester) und natürlich habe ich bis jetzt alle aufgehoben. Egal wie peinlich der Inhalt ist es ist meine Geschichte. Man das war kitschig!
Zurück zu Maddies und meiner Radtour. Wir strampelten eine Stunde lang bis wir endlich an unserem Picknickplatz angekommen waren. Wir breiten die Decke im Schutz des großen Baumes aus und lassen uns darauf fallen. Ziemlich schnell überkommt uns der Hunger und wir packen das Picknick aus. Maddie stürzt sich sofort auf die versprochenen Cupcakes meiner Mutter und beißt genüsslich hinein. Auf einmal fängt sie an über Luis zu reden. Ja Luis der mit dem mein Date voll in die Hose ging (der Anfang meiner Tagebuchliebe) ja in genau den Typen hat sich meine beste Freundin verguckt uns zwar so richtig und anscheinend brennt sie darauf etwas von ihm zu erzählen. Ich sollte mich auf was gefasst machen, da kommt was auf mich zu. Hatte ich schon erwähnt das Maddie sich natürlich immer perfekt verhält, wenn Luis in der Nähe ist? Im Gegensatz zu mir. Ich sag nur Hustenanfall.) “Als ich vorgestern nach der Schule auf meine Mutter gewartet habe kam Luis auch gerade aus der Schule und, ich hätte es echt nie erwartet, kommt er genau auf mich zu. Er sah voll traurig aus und eigentlich wollte ich ihn trösten, aber er hat ohne Begrüßung einfach gefragt ob ich mit ihm Eis essen gehen will. Ich war total perplex hab aber natürlich ja gesagt. Wir haben übermorgen ein Date!!!”, den letzten Satz schreit sie mehr als dass sie ihn sagt. “Und warum war er traurig?”, frage ich sie. “Freust du dich gar nicht für mich? Du bist doch meine BFF.” “Ja. Ich freu mich für dich”, tat ich eigentlich nicht, ”aber ich möchte trotzdem wissen warum er traurig war.” Ich weiß nicht warum mich das so wütend macht das sie unbedingt möchte das ich mich für sie freue. Fakt ist es ist so, es macht mich wütend und auf einmal sehe ich rot! “Es ist mir scheißegal was Luis gesagt hat und ich habe echt kein Bock mehr darauf das du mich ausnutzt oder mich irgendwie verändern willst.” “Was hat das denn damit zu tun?”, fragt sie mich herausfordernd. “Du hast das Fass echt zum Überlaufen gebracht. Ich schicke dir die Hausaufgaben, weil du unbedingt noch ein Schminktutorial nachmachen musst und ich schicke es dir einfach, weil ich deine Freundin bin und nicht will das du Ärger bekommst, ich habe mich vor deinen Eltern blamiert nur damit sie nichts davon erfahren das du mit Luis am See bist, ich habe eine coole Überraschungsparty organisiert um dir zu zeigen das du mir wichtig bist …", sie unterbricht mich. “Die hast du aber doch freiwillig gemacht ich habe gar nichts gemacht.” “Stimmt! Genau das ist der Punkt du hast gar nichts gemacht, und zwar für mich. Kein schicken der Hausaufgaben als ich einmal spät dran war, kein Decken als ich mal was Geheimes oder Verbotenes gemacht habe, keine Überraschungsparty, um mir auch zu zeigen das ich dir wichtig bin -falls ich das bin- und am wichtigsten hast du dich jemals für mich so richtig gefreut? Als Noah auf Jans Geburtstagsparty gesagt hat das er mich mag jedenfalls nicht.”, ich schreie nur noch, einfach alle meine Gedanken ungefiltert vom Gehirn nach draußen. Es ist irgendwie befreiend alles was mich stört laut auszusprechen. Und auch wenn es das nicht sollte, gefällt mir der Gedanke das sie sich schlecht fühlt einfach, weil ich mich schon so oft wegen ihr furchtbar gefühlt habe. Ich packe einen Teil des Picknicks hastig in meinen Rucksack steige auf mein Fahrrad und fahre so schnell wie möglich nach Hause. Ich denke das jeden Moment die Tränen kommen, doch sie bleiben komplett aus. In mir breitet sich ein Gefühl der Entschlossenheit aus und ich fühle mich mit dem Gegenwind im Gesicht so frei wie lange nicht mehr.
Hey Tagebuch,
Ich warne dich schonmal vor denn was jetzt folgt ist eine absolut unerwartete Wendung, die selbst ich nicht vorausgesehen habe. Ich habe Madison heute bei unserem geplanten Picknick mal ordentlich die Meinung gesagt, wohl eher geschrien, ich war wegen dem was sie wegen Luis gesagt hat so wütend, dass ich ausgeflippt bin und alles gesagt habe was mich nervt. Auf dem Heimweg dachte ich die ganze Zeit ich bereue es, doch nichts als Entschlossenheit und Freiheit war zu spüren. Erst jetzt wird mir klar was ich da die ganze Zeit mitgemacht habe, Madison mit den reichen Eltern die eingebildete, versnobte Schminktussi die gerne ihre Freunde ausnutzt, um sich das Leben leichter zu machen. Ich würde am liebsten Neele und Sora anrufen, um ihnen alles zu erzählen damit es morgen in der Schule nicht komisch ist, aber erstens ist es schon halb 12 und zweitens was, wenn Madison, das schon längst getan hat, dann möchte ich nicht die zweite sein die damit ankommt. Also muss ich wohl bis morgen warten. Guuute Nacht!

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Liv Haber
Teen FictionLiv ist 13 eigentlich läuft bis jetzt alles gut doch dann schlägt auf einmal ein Blitz des Chaos ein und es wird verzwickt und kompliziert egal was sie auch tut.