Kapitel 3

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Violet

Ich stürzte nach hinten. Er hat mich geschlagen! In mir breitete sich Wut aus, doch ich war unfähig mich zu bewegen, mich zu wehren. Der Soldat packte mich an meinem Pullover und zog mich hoch. Ich fühlte mich wie damals, damals als ich das erste Mal Drogen genommen hatte, so unbeteiligt an der ganzen Sache, als wäre ich nicht selbst dabei. Er schleifte mich hinter sich her und stieß mich in eine Art Auto hinein. Ich konnte Stimmen vernehmen, viele Stimmen. Drinnen war es stickig und mir wurde plötzlich etwas über den Kopf gestülpt. Es wurde noch dunkler als zuvor und ich bekam noch schlechter Luft. Viele Arme griffen nach mir und zogen mich zu ihren Körpern. Das erste Mal seit langem, fühlte ich mich bedrängt. Ich hasste es, wenn zu viele Leute um mich herum waren. Das erste Mal überhaupt, hatte ich Angst sterben zu müssen.

Ein paar Minuten später setzte sich der Wagen, ich nahm an es war ein Bus, in Bewegung. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen, ich konnte nicht realisieren was eigentlich gerade passierte. Das einzige was ich wusste war, dass ich mit anderen Personen in einem Bus befand und wir weggebracht wurden. Es passierte alles so schnell und war so unwirklich. Auf einmal gab es ein seltsames Geräusch. Als wäre eine Dusche angegangen und ich vernahm einen süßlichen Geruch. Ich versuchte schnell das Tuch von meinem Kopf wegzubekommen, doch ich konnte es nicht bewegen. Ein paar Leute schrien auf und es wurde noch unruhiger als vorher. Es fühlte sich an als würden plötzlich Tonnen von Gewicht auf mir liegen und ich versuchte mich irgendwo anzuhalten, damit ich nicht im Sitzen umkippte. Doch es half nichts, diesen Geruch kannte ich, aber ich wusste nicht mehr woher, nur, dass er schlechtes bedeutete. Ich spürte wie meine Augen schwer wurden und ich mich nicht mehr festhalten konnte. Mein Körper kippte nach hinten und blieb auf irgendeinem anderen Menschen liegen. Obwohl es dunkel war, konnte ich noch einen Umriss einer Gestalt erkennen, welche sich über mich beugte. Doch dann war es aus.

Ich öffnete meine Augen und blickte in grelles Licht, woraufhin ich sie sofort wieder schloss. Ich lebe. Mein Kopf tat schrecklich weh. Von überallher hörte ich das Gemurmel von Leuten. Hört doch endlich auf! Ich lag auf dem Rücken und versuchte mich langsam aufzusetzen. Wo ist meine Tasche? Ich betastete den Boden um mich herum, doch ich konnte sie nicht finden. Sie haben sie mir weggenommen. Langsam konnte ich wieder klar sehen und stellte fest, dass wir uns in einer Art Lagerraum befanden. Am Boden lagen Kartons verstreut und Menschen saßen gegen die weißen Wände gelehnt. Von den Soldaten fehlte jede Spur. Anscheinend gab es auch keine Fenster, denn die Luft war sehr staubig. An meiner Nase klebte getrocknetes Blut, von der Waffe, die sie mir ins Gesicht geschlagen haben. Mein restlicher Körper sah auch nicht besser aus, ich erinnerte mich wieder an den Mann, welchen sie direkt vor mir erschossen hatten. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Nicht, dass ich noch nie eine Leiche gesehen hätte, aber die wurde nicht so brutal ermordet. Ich hatte so einen Hass auf diese Menschen. Was ist passiert? Warum? Fragen auf die ich keine Antwort wusste. Doch eines war mir klar, ich werde mich meinem Schicksal nicht hingeben, egal was die anderen Verschleppten taten. Ich musste mich unbedingt umsehen und mit jemanden reden.

Ich zog mich an der kalten weißen Wand hinter mir hoch und stand auf meinen wackeligen Beinen. Überrascht musste ich feststellen, dass ich richtig weiche Knie hatte und mir die Schritte schwer fielen. Von dieser Position aus, hatte ich auch einen besseren Überblick über die Menschen der Stadt. Jede Altersgruppe war vertreten, von Babys bis hin zu gebrechlichen alten Menschen, die wahrscheinlich sowieso nicht mehr lang zu leben hatten. Viele von den Leuten waren in einer recht guten Verfassung, andere weinten und hatten blutige Wunden an ihren Körperteilen. Ich entdeckte einen Mann, von dem ich das Gesicht nicht einmal erkennen konnte, da es mit einer Schicht aus Blut überzogen war. Normalerweise war ich ein starkes und mutiges Mädchen, doch jetzt war mir eher nach weinen zu mute. Ich darf meine Gefühle nicht zeigen. Bleib stark! Ich konnte nicht abschätze wie viele Menschen in dem großen Lagerraum waren, aber sicher mehr als hundert. Wohin haben die Soldaten die anderen gebracht? In andere Lagerräume? Und wo zum Teufel sind die ganzen Soldaten? Wenn ich einen der Soldaten entdecken würde, konnte der sich auf was gefasst machen. Zuerst würde ich ihm ins Gesicht schlagen, genauso wie er es bei mir getan hatte und dann würde ich ihn zum Reden zwingen. Ich wettete, alle hier wollten die Wahrheit erfahren. Ich meine, passiert ja nicht alle Tage, dass eine Stadt überfallen wird und die Menschen verschleppt werden. Beruhig dich Violet. Du weißt, du sollst dich nicht so aufregen. Es wird sicher eine logische Erklärung dafür geben. Eine logische Erklärung wofür? Dass den Menschen Leid zugefügt wird? Dass sie geschlagen werden? Manche von ihnen wurden sogar umgebracht! Ich fasste mir an die Schläfen und begann sie zu massieren. In stressigen Situationen drehte ich leicht durch. Ich muss mich kurz auf den Boden setzten… Ich setzte mich auf den Boden und zog meine Knie ganz eng an meine Brust und kauerte in dieser Position ein paar Minuten, ehe ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Mein Kopf tat noch immer so schrecklich weh, ich hätte etwas kaputtschlagen können, aber ich riss mich zusammen und stand wieder auf. Ich entdeckte weiter hinten im Raum einen Durchgang. Vielleicht ist das ein Durchgang zu einem anderen Lagerraum. Ich ging quer durch das Zimmer und steuerte auf mein Ziel zu. Es war ein bisschen dunkler dort, wahrscheinlich war eine Lampe ausgegangen. Zum Glück hatte ich den Durchgang schnell erreicht und stützte mich davor noch kurz an der Wand ab. Ich wollte unbedingt wissen, was sich am anderen Ende befand. Ich ging wieder ein Stück weiter und hörte plötzlich Schritte und Gemurmel. Jemand schrie: „Hey!“ Ich dachte es seien die Soldaten, woraufhin ich doch Angst bekam und wegrennen wollte, doch ich stolperte und blieb auf dem kalten Fliesenboden liegen und starrte ängstlich in die Richtung der näherkommenden Menschen. 

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