Ein gewöhnlicher Morgen

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Jamie
Das Klingeln des Weckers reisst mich aus dem Schlaf und ich schlage einige Male auf meinen Nachttisch, bis ich den Wecker endlich erwische und ausschalten kann. Brummelnd rapple ich mich auf und stolpere zu meinem Stuhl, der überhäuft von mehreren Hosen, zwei Pullovern und drei T-Shirts ist. Mit einem mürrischen Blick suche ich mir eine grüne Hose und ein passendes Hemd aus, torkle dann in das Badezimmer und betrachte mich seufzend. Meine blonden Haare hängen mir strähnig ins Gesicht, unter meinen Augen prangen dunkle Augenringe und meine Lippen sind rissig.

Genervt binde ich meine Haare zurück und schminke mich kurz, ehe ich mir ein Stirnband um meinen Kopf schlinge und runter in die Küche gehe, um mir ein Müsli zu machen.

Mein grosser Bruder Richard sitzt an seinem Platz, verschlingt ein Stück Brot und spielt gleichzeitig ein Spiel auf seinem Handy. Als ich mich neben ihm niederlasse, hebt er seinen Kopf und zwinkert mir begrüssend zu. „Gut geschlafen?“

Knapp hebe ich meine Augenbrauen und nicke kurz, ehe ich beginne, mein Müsli zu essen. Richard seufzt leise und senkt seinen Blick wieder auf den Bildschirm seines Handys.

Wenig später öffnet sich die Tür und Mum kommt in ihrem Anzug in die Küche. Ohne mich oder meinen Bruder zu begrüssen geht zur Kaffeemaschine, lässt sich einen Kaffee raus, schnappt sich ein Stück Brot und holt ihr Handy aus ihrer Hosenasche, welches zu klingeln begonnen hat. Sie wirft uns einen entschuldigenden Blick zu und hebt dann ab, währenddessen sie die Wohnung verlässt.

„Mum ist wieder mal gut gelaunt“, brummelt Richard sarkastisch und runzelt seine Stirn. „Vielleicht sollte sie wieder Ferien machen.“

„Du w-w-weisst ja, w-wie sie ist.“ Ich verziehe mein Gesicht und stehe ebenfalls auf. „F-fährst du mich zur Schule?“

„In Ordnung.“ Mein Bruder stopft sich den Rest seines Brotes in den Mund und steckt sein Handy in die Hosentasche. Im Gehen wirft er seine Jacke über seine Schultern und schlüpft in seine Schuhe, bevor er mir galant die Haustür öffnet. „Bitte sehr.“

Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und ziehe meine Jeansjacke an. Dann lächle ich ihm dankbar zu, schultere meine Tasche und folge ihm zu seinem schwarzen Mini. Der dunkelblonde Junge setzt sich eine Sonnenbrille auf, fährt sich durch die dunkelblonden Haare und grinst mir zu. Nachdem er gestylt ist, schliesst er den Wagen auf und lässt sich ans Steuer fallen. Auch ich steige ein und schnalle mich an. Mit einem Handgriff startet Richard danach den Motor und schiebt gleichzeitig eine CD in den CD-Player, woraufhin laute Hip-Hop-Musik aus dem Lautsprecher dringt.

Ich verdrehe die Augen, sage aber nichts dazu. Ich weiss, wie sehr Richard es hasst, wenn ich seine Musik kritisiere.

„Zu laut?“, erkundigt sich mein Bruder nun doch, woraufhin ich nicke. „Tschuldigung.“

„M-macht nichts“, murmle ich und beisse mir auf die Lippen, währenddessen ich aus dem Fenster hinausschaue.

Richard schaltet den Blinker ein und fährt neben dem Trafalgar Square vorbei hinein in die Innenstadt von London. „Du musst am Abend selber schauen, wie du nach Hause kommst. Ich muss arbeiten.“

Mit einem Seufzen drehe ich wieder meinen Kopf, um in seine Richtung zu schauen und runzle wütend meine Stirn. „N-na, toll. I-ich hätte d-doch meinen F-Führerschein schon m-m-machen sollen! Verdammte Kacke! D-du kannst mich d-doch jetzt n-nicht einfach s-s-so im Stich l-lassen!“

„Reg dich ab, Jamie!“ Richard tätschelt meine Schulter mit einem kleinen Lächeln. „Du kannst ja mit der U-Bahn heimfahren. Du musst nicht mal umsteigen.“

„D-du hast g-gut reden!“ Ich lache trocken. „I-i-ich hasse die E-enge der U-Bahn, d-das w-w-weisst du!“

Mein Bruder zuckt gleichgültig die Schultern. „Und wenn schon, nimm halt den Bus oder ruf Ma an. Obwohl ich denke, dass du mit dem Bus besser dran bist.“

Da muss ich ihm Recht geben. „Na gut. I-ich kann eh nix a-a-anderes tun, n-nicht wahr?“

Zufrieden nickt er und beginnt nun im Takt der Musik auf das Lenkrad zu trommeln. Kurz vor der Treppe der Schule bremst er scharf ab und zwinkert mir zu. „Viel Spass!“

Schnaubend steige ich aus und trotte deprimiert auf das grosse, graue Gebäude zu. Verschiedene Grüppchen sitzen vor dem Eingang auf der Treppe, rauchen und reden, doch ich dränge mich an ihnen vorbei ins Innere und gehe zielstrebig zu meinen Spind. Mit Menschenmengen kann ich nichts anfangen, lieber bin ich alleine und hänge meinen eigenen Gedanken nach. Nicht dass ich unbeliebt wäre, aber ich bevorzuge es, an ruhigeren Orten zu sein.

Als ich all meine Bücher verstaut habe, begebe ich mich zu dem Klassenzimmer, wo ich als erstes Schule haben werde. Nur zwei Jungs, die irgendein Game gemeinsam besprechen, sind schon da, weshalb ich mein kleines Notizbüchlein aus dem Rucksack ziehe und langsam an der kleinen Geschichte, die ich begonnen habe, weiter schreibe.

Once in a blue moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt