1 - Tokyo

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Kageyama wachte gerade auf, als der Bus den Parkplatz ihrer Unterkunft für die nächste Woche erreichte und unangenehm über die Bordsteinkante holperte, endlich waren sie in Tokyo angekommen. Mit einem Grinsen im Gesicht rammte er seinem Sitznachbarn seinen Ellenbogen in die Seite, dieser stöhnte verschlafen auf. „Mensch, Kageyama. Was sollte das?" „Wir sind da!" Das musste man dem Knirps nicht zweimal sagen, sofort war er hellwach und drückte seine Nase an der Scheibe platt. „Wie konnte man sich denn immer so für alles begeistern lassen?" Kageyama hatte schlechtere Laune als sonst, und das lag nicht nur an der stundenlangen Fahrt nach Tokyo, sondern auch an dem Streit, den er vor der Abfahrt mit seiner Mutter gehabt hatte, er hatte nicht einmal Auf Wiedersehen gesagt, sondern war wortlos aus der Tür gestürmt. Er würde sie morgen anrufen und sich für sein Verhalten entschuldigen. Genervt verdrehte er die Augen, als die Anderen voller Vorfreude aus dem Bus stürmten und ihr Gepäck ausluden. Erst deutlich später stieg er aus und trotte zu Daichi, der die Zimmer verteilte und einen kurzen Überblick für das noch anstehende Abendprogramm gab, Kageyama hörte nicht mehr zu. Er wollte gerade nach seiner Tasche greifen, als er von Daichi ein energisches „Kommt gar nicht in die Tüte, du bleibst hier!" und von Hinata eine lautstarke Beschwerde hörte. Neben ihm lachte Tsukishima leise „Typisch Hinata, kann nicht stillsitzen und will noch eine Runde Joggen gehen!" „Ach bitte, Daichi, bitte! Ich kann nicht einschlafen, wenn ich nicht noch Laufen gehe, ich saß viel zu lange im Bus!" „Nein!" „Und was wenn jemand mitkommt?" „Wer will denn um diese Uhrzeit noch joggen?" Hinata wollte noch etwas erwidern, doch Daichi schnitt ihm das Wort ab „Nein Hinata, du bleibst!" Ehe Kageyama darüber nachgedacht hatte, trat er vor und legt seinem Teampartner die Hand auf die Schulter. „Ich gehe mit, brauch auch noch etwas Bewegung." Hinatas Blick wanderte kurz zu Kageyama und dann wieder zu ihrem Kapitän. „Na gut!" seufze Daichi und Hinata sprang mit einem lauten Quietschen in die Luft. Kageyama verdrehte die Augen. „Idiot!"

Nachdem sie ihre Sachen auf die Zimmer gebracht und sich passend angezogen hatten, wurden sie noch einmal von Daichi aufgehalten, der sie ermahnte spätesten in einer Stunde wieder da zu sein, beide nickten und machten sich auf den Weg. Sie entschieden sich dafür, da sie sich nicht besonders gut auskannten, einmal die Hauptstraße entlang und nach ungefähr zwanzig Minuten wieder zurück zu laufen. Obwohl es schon spät war, waren die Straßen hell erleuchtet, überall hingen Neonschilder und Reklametafeln. Als sie an eine Biegung kamen und kurz verschnauften, hatte Hinata eine Idee, bislang waren sie nebeneinander her gelaufen, nun war es Zeit für ein kleines Rennen. Widerwillig stimmt Kageyama ein, jedoch nur zwei Straßenblocks weit. Als Startsignal diente die Fußgängerampel, und als diese auf grün schaltete, stürmten beide Jungen los. Auch wenn er eigentlich keine Lust dazu hatte gab Kageyama sein Bestes, denn eine Niederlage wollte er nicht ohne Weiters annehmen. Schon hatten sie den zweiten Bock erreicht, nur noch über die zweite Straße und er hätte gewonnen, er beschleunigte weiter. Plötzlich sah er ein helles Licht aufblitzen und er wurde nach hinten gerissen, und dann ging alles ganz schnell, an ihm vorbei schoss ein kleiner orangener Blitz, man hörte ein lautes krachen, Reifen quietschen, dann schlug Kageyama auf dem Boden auf und alles um ihn herum wurde schwarz.

Kageyama war wohl nur kurz ohne Bewusstsein, denn als er wieder zu Sinnen kam, lag er noch auf der Straße. Um ihn herum versammelten sich Menschen. Eine betagte Frau wies ihn an, liegen zu bleiben, doch er musste wissen, was mit Hinata passiert war. Mühsam richtete er sich auf und bahnte sich torkelnd einen Weg zu ihm durch. Er lag ein paar Meter weiter auf der Seite und bewegte sich nicht, sein Rücken war eine einzige offene Wunde. „Hinata!" Kageyama ließ sich neben ihn fallen. „HINATA!!" Schrie er ihn an, doch er bekam keine Antwort. „Komm schon! Wach auf, du Idiot! Hinata du Idiot, warum hast du das getan?" Er merkte nicht wie der Krankenwagen kam, doch als sie ihn von dem leblosen Körper beiseite schoben, geriet er in Panik. Was wenn Hinata starb? Er brauchte ihn doch! Er musste bei ihm bleiben! Kageyama näherte sich wieder Hinata, der mittlerweile von ein paar Sanitätern auf eine Liege gehoben wurde, jedoch kam er nicht weit, denn kräftige Hände hielten ihn zurück. „NEIN! Ich muss zu ihm! NEIN HINATA!!" Kageyama begann sich zu wehren und um sich zu schlagen. Er wollte sich befreien, aber die Hände packten nur noch fester zu. Er schrie nach Hinata, Tränen liefen über sein Gesicht und vermischten sich mit Schweiß, Dreck und Blut. Auf einmal spürte er einen leichten Stich im Arm, dann begann sich die Umgebung zu drehen und Kageyama stolperte, dann verschwamm alles vor seinen Augen und eine schwere Dunkelheit hüllt ihn ein.

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