2 - Gefühle und Orangen

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-3 Wochen früher-

Morgen war es wieder so weit, der Tag, den Kageyama am liebsten aus dem Kalender streichen würde, Valentinstag. Jedes Jahr wurde er mit Schokolade, Blumen, Briefen und anderem Krimskrams überhäuft und wieder würde alles im Müll landen. Schon in der Grundschulzeit, als das ganze mit dem Beschenken am 14. Februar allmählich anfing, hatte er eine Abneigung gegen Schokolade entwickelt. Doch nicht die Süßigkeiten waren das Schlimmste, am meisten hasste er es, all diesen Mädchen zu sagen, dass er kein Interesse an ihnen hatte. Er wusste, dass er sie damit verletzte, das wollte er nicht, doch warum merkten sie nicht, dass es ihn langweilte. Was fanden die Mädchen denn nur an ihm? Wenn es nur an seinem Aussehen lag, war es eigentlich traurig, denn Kageyama würde nie mit jemanden ausgehen, dem der Charakter egal war oder zumindest an zweiter Stelle stand. Und jeder, der ihn ein bisschen besser kennen lernte, würde es nicht lange mit ihm aushalten, da war er sich sicher. Seine Mutter meinte, es läge an einer Krankheit namens Alexithymie, dass er weder Gefühle zeigen noch verstehen konnte, und kümmerte sich nicht weiter darum. Wahrscheinlich kam ihre Annahme daher, dass Kageyama ihr selten etwas erzählte, oder überhaupt mit ihr sprach. Doch Kageyama wusste genau, dass er fühlte. Das Problem war ein anderes, er wusste nicht wie er seine Gefühle ausdrücken sollte, auch wollte er niemanden seine Schwachpunkte zeigen und damit angreifbar werden, darum reagierte er auf alles und jeden abweisend. Mittlerweile fiel ihm gar nicht mehr auf, dass er es mit Absicht tat, oder erst zu spät und er hatte wieder einmal jemanden verletzt, dafür hasste er sich.

Nur mit Mühe überstand Kageyama den folgenden Schultag. Das Morgentraining verlief bis auf einen kleinen Vorfall ganz normal. Tanaka und Nishinoya diskutierten nämlich darüber, ob sie von Kiyoko wohl dieses Jahr ein Geschenk bekommen würden, als sie von einem gelangweilten Tsukishima damit unterbrochen wurden, dass Kiyoko eher ihm etwas schenken würde, als diesen zwei Hampelmännern. Doch so bald auch die anderen Schüler kamen, rutschte Kageyamas Stimmung in den Keller. Noch vor Unterrichts beginn überreichten ihm zwei Mädchen in rosafarbenes Papier gepackte Schokolade, das ging ja toll los. Als die Schulglocke endlich das Ende der letzten Stunde ankündigte, stürmte er aus dem Klassenzimmer, um weitern Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.

An der Sporthalle angekommen, lies er sich auf die Stufen davor fallen und stützte seine Stirn in seine Hände, dabei stieß er einen tiefen Seufzer aus. „Warum den so bedrückt?" Sugawaras Frage ließ Kageyama kurz zusammenzucken, er hatte nicht gemerkt, wie er sich genähert hatte. Kageyama hob seinen Kopf und zuckte mit den Schultern. Die Nummer 2 setzte sich neben ihn und stupste ihn leicht in die Seite. „Willst du darüber reden?" Erst wollte Kageyama das Angebot ablehnen, doch Sugawara sah ihn so besorgt an, außerdem, vielleicht tat es ihm ja gut, mal mit jemanden über seine Situation zu sprechen. „Es ist... Also ich... heute...!" fing er an, aber er fand nicht die passenden Worte. Sugawara, der ein Gespür für so etwas hatte, schien ihn trotzdem zu verstehen. „Es geht um Heute, den Valentinstag, oder?" Kageyama nickte. "Hast du jemanden, der dir wichtig ist, und du dich nicht traust die Person anzusprechen?" Er schüttelte den Kopf. „Nein. Wie soll ich es sagen... es ist einfach zu viel! Diese ganzen Geschenke und die Schokolade! Ich habe heute keine Ahnung wie viele Briefe und Schokolade bekommen und drei Mädchen haben mich nach einem Date gefragt! Drei an einem Tag!" Sugawara sah ihn mitfühlend an. „Ich kann dich gut verstehen, warum dir das zu schaffen macht." Kageyama bezweifelte, dass er wirklich wusste, wie es ihm ging. Suga bemerkte seine Skepsis und lächelte ihn beruhigend an. „Nicht dass ich schon einmal in der gleichen Situation war, aber mir erging es ähnlich. Du fühlst dich als Person nicht ernst genommen und dich nur auf dein Äußeres und dein Können reduziert. Als ich mit Volleyball angefangen habe, war es für mich sehr schwer mit den anderen mitzuhalten, fast wäre ich aus dem Team geflogen, da ich wirklich schlecht war. Doch Daichi hat mich verteidigt, 'Wir brauchen doch eine gute Fee' das hat er gesagt." Kageyama musste grinsen, Sugawara als gute Fee, das passte. „Er hatte erkannt, dass auch ich eine wichtige Rolle für das Team spielte, und alleine dadurch, dass jemand an mich glaubte, fand ich die Kraft hart zu trainieren und besser zu werden. Vielleicht findest du ja auch einen guten Freund oder eine Freundin," Er zwinkerte, „die dir die nötige Energie geben." Kageyama nickte und sprang jedoch kurz darauf auf, als er die sich nähernden Stimmen der anderen hörte. Er wollte nicht, dass sie Fragen stellten, weil er sich mit Sugawara unterhalten hatte. Noch in Gedanken folgte er seinen Kameraden in die Umkleide. Die meisten waren in eine hitzige Diskussion vertieft, wer die meiste Schokolade bekommen hatte, oder anderweitig beschäftigt, so dass niemanden auffiel, dass sie nicht vollzählig waren. Erst als sie mit dem Aufwärmen beginnen wollten, fragte Yamaguchi. „Wo ist denn Hinata, der fehlt doch eigentlich nie?" Stimmt der kleine Mittelblocker fehlte. Alle begannen wild durcheinander zu reden, doch Daichi ermahnte sie zur Ruhe. „Weiß jemand was von ihm?" Kageyama bemerkte wie sich Tanaka und Nishinoya verstohlen anschauten. Hatten die beiden wieder etwas ausgefressen? Auch dem Kapitän war es aufgefallen und er stelle sie zu Reden. „Wir haben nichts gemacht!" beteuerten sie ihre Unschuld. „Wir haben nur gesehen, wie Hinata vorhin mit einem Mädchen in einem Gang verschwunden ist!" Tanaka machte ein wissendes Gesicht und Nishinoya wackelte mit den Augenbrauen. Seufzend drehte sich Daichi um. „Dann hoffen wir mal, dass er noch kommt!" Und schon trieb er sie wieder an, Runden zu laufen, ohne Erbarmen.

Sie waren schon fast mit den Dehnübungen fertig, als die Tür aufgestoßen wurde und Hinata die Halle betrat. „Tschuldigung, ich hatte gerade noch ein wichtiges Gespräch." Nuschelte er. Tanaka kam und klopfte ihm auf den Rücken. „Aber, Aber. Ich hoffe doch mal, dass es nicht nur ein Gespräch war!" Hinata wurde rot. „Woher weißt du denn mit wem ich gesprochen habe?" „Wir haben euch gesehen!" Noya stemmte die Hände in die Hüften. „Nun sag schon, was habt ihr zwei gemacht?" Jetzt lagen alle Augen auf Hinata. „Es ist nicht so wie ich denkt! Sie hat mich gefragt, ob ich kurz Zeit hätte mit ihr ungestört zu reden, also sind wir in einen verlassenen Flur gegangen. Dort hat sie mir gesagt, dass sie mich mag und so..." Er druckste herum, „Nun ja, ich habe ihr zugehört, aber dann gemeint, ich finde es toll, dass sie sich traut mir das zu sagen, ich aber leider ihre Gefühle nicht erwidern kann. Dann haben wir noch ein bisschen geredet, bis mir eingefallen ist, dass ich ja noch Training habe, und bin gegangen!" Keiner hatte erwartet einen so ausführlichen Bericht zu erhalten, doch das war typisch Hinata. Nachdem er geendet hatte wurde er sofort von Tanaka und Nishinoya gelöchert, wie das Mädchen aussah und warum er sie stehen gelassen hat, bis Daichi sie von ihm wegzog und sie endlich mit dem Training anfangen konnten.

Es war schon Dunkel als Kageyama wie immer neben Hinata nach Hause lief. Das Training hatten sie ohne weiter Zwischenfälle überstanden, was wohl an den strengen Blicken ihres Kapitäns gelegen hatte. Beide schwiegen, für Kageyama war das okay, denn Hinata quasselte meisten den ganzen Weg lang, doch heute war er ungewöhnlich still. An der Kreuzung, an der sich ihre Wege trennten, blieb er stehen. Kageyama wollte schon die Straße weiter entlanglaufen, doch er wurde von Hinata noch einmal zurückgerufen. „Kageyama?" Er drehte sich um. Hinata stand im Schein einer Straßenlampe und kramte in seiner Tasche, die auf sein Fahrrad geschnallt war. Er beförderte einen kleinen Beutel ans Licht und wand sich wieder Kageyama zu, der mittlerweile vor ihm stand. „Also, ich wollte dir schon lange was sagen und ich weiß einfach nicht wie du darauf reagieren wirst, aber bitte, bitte schlag mich nicht und lass mich ausreden!" Kageyama war gespannt was jetzt kam also nickte er. „Okay, ich verspreche es!" Hinata holte Luft. „Gut. Also du musst mir nicht antworten, auch nicht später, ich will nur, dass es weißt sonst halte ich das nicht mehr aus. Ich finde es einfach toll mit dir zusammen Volleyball zu spielen, auch sonst verbringe ich gerne Zeit mit dir, weil ich finde, du es wert bist, dass man dich als Freund hat! Heute, als das Mädchen mich gefragt hat, habe ich ihr gesagt, dass ich ihre Gefühle nicht erwidern kann, weil mein Herz jemandem anderes gehört. Und das bist du. Kageyama, ich bin in dich verliebt!" Mit diesen Worten drückte Hinata seinem Gegenüber den Beutel in die Hand, schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr davon. Er hatte es getan, endlich.

Kageyama stand noch immer mit dem Beutel in der Hand unter der Laterne. Hatte er das gerade richtig gehört, Hinata war in ihn verliebt? Wie konnte das möglich sein, sie stritten sich doch so oft. Außerdem hatte Hinata gesagt, er sei es wert, ein Freund zu sein. Trotz seines miesen Charakters? Und warum musste er keine Antwort geben? War dies alles wirklich nur als reine Information gedacht, wie wenn man jemanden sag, wo man wohnt? Er erinnerte sich an Sugawaras Worte, jemanden haben, der an einen glaubt. Vielleicht könnte diese Person ja Hinata sein. Ihm fiel ein, dass er ja noch immer diesen Beutel in der Hand hielt, also öffnete er ihn. Darinnen lagen ein Stück Papier und kleine Bälle, was war das. Kageyama nahm den Zettel heraus. „Die ersten von unserem Baum im Wohnzimmer, ich weiß doch, dass du keine Schokolade magst." Stand darauf. Als er einen der kleinen Bälle heraus nahm erkannte er, was es war, eine kleine Mini Orange. Kageyama musst grinsen, sie erinnerte ihn an Hinata.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 26, 2020 ⏰

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