Es waren nicht etwa ihre Schritte. Meine Mutter hatte genau zwei Arten zu gehen. Normalerweise läuft sie fast geräuschlos, aber wenn sie wütend wird, hat sie einen fast schon bedrohlichen Schritt. Doch das hörte sich nicht nach meiner Mutter an. Diese Schritte verhießen etwas viel Schlimmeres. Da trat er auch schon vor mich. Groß und muskulös. Verdammt! Mein Vater hatte heute Landgang.
Lächeln tat er nie. Doch der emotionslose Ausdruck in seinem Gesicht, veränderte sich bei meinem Anblick. Seine Augen wurden immer schmaler und er zog seine Augenbrauen immer weiter zusammen. Nein! Meine Mutter schrie mich zwar an, aber wenn mein Vater mich so sah konnte ich nur eines tun. Sofort spurtete ich los. Meinen rechten Hausschuh hatte ich noch in der Hand, der linke schlackerte lose an meinem Fuß herum. Mit viel zu viel Schwung rutschte ich um die Ecke und klatschte gegen die Badezimmertür. Den Schmerz ignorierend öffnete ich meine Zimmertür die gleich daneben war. Auch diese Tür knallte ich zu. Aber nicht etwa, weil mir alles egal war, sondern damit sie wirklich zu war. Ich schloss von innen ab und blickte mich panisch um. Mit was könnte ich sie noch weiter verriegeln??? Da fiel mein Blick auf meine Kommode. Während ich sie Stück für Stück vor die Tür schob, hörte ich meinen Vater. "TOBIO!!", rief er erzürnt. Gerade als er die Tür öffnen wollte hatte ich die Kommode davor geschoben. "Mach sofort auf!", bellte er. Ich hörte weitere Schritte. Meine Mutter. Nein! Mama geh weg! Lauf! Bitte! Sie blieb.
Ich hörte ihren Schrei. "Mach die verdammte Tür auf du Schwächling!", rief er. Ich hörte meine Mutter weinen. Ich hatte keine andere Wahl, also schob ich die Kommode wieder an ihren Platz. Einen kurzen Moment überlegte, durch mein Fenster auf die Feuerleiter zu klettern und zu verschwinden. Doch das ging nicht. Also atmete ich noch einmal durch und schloss auf. Langsam öffnete ich die Tür, meinen Blick gesenkt. Meine Mutter kniete vor ihm, das Gesicht ganz verweint. Er zog ihren Kopf an ihren langen schwarzen Haaren zurück. Sie schrie erneut. "Du verdammter Bengel!", knurrte er bedrohlich. Dann packte er mich im Nacken und zog mich und meine Mutter in unser Wohnzimmer. Dort lies er uns beide los. Schutzsuchend umarmten meine Mutter und ich uns. Sie weinte. Ich blieb ruhig.
Mein Vater stand breitbeinig vor uns. "Ihr seid das Letzte! Du bist immer noch ein elender Schwächling, der nichts alleine hinbekommt und du", er riss meine Mutter aus meinen Armen und schmiss sie auf den Boden, "Du bist eine Schlampe!". Er spuckte auf sie. Dann war es kurz ruhig. Ich dachte erst, dass es das jetzt war. Doch sein Gesicht verdüsterte sich wieder, als er auf das Bild an der Wand hinter meiner Mutter sah. Darauf waren sie und ich......und ihr bester Freund. Er trat auf sie, sodass sie wieder schrie. Ich löste mich aus meiner Starre. "Nein! Lass sie!", rief ich. Er ließ tatsächlich von ihr ab. Er schaute mich ausdruckslos an. Ich saß da und wartete auf den Schlag oder den Tritt, aber es kam nichts. Alles was passierte war, dass er den Raum verließ. "Mama?", fragte ich leise und krabbelte zur ihr. Sie lag auf dem Bauch, ihre Haare verdeckten ihr Gesicht. Schweigend half ich ihr auf und führte sie stützend in mein Zimmer. Dort setzte ich sie auf mein Bett und holte den Verbandskasten aus dem Bad. Vorsichtig versorgte ich ihre Schürfwunden. "Bitte hass mich nicht", flüsterte sie kaum merklich. Ich war verwirrt. "Was?", fragte ich. Sie blickt zu mir auf. Die strahlend blauen Augen, ergraut und dunkel. "Tobio.....bitte hass mich nicht mich mein Engel", sagte sie leise. Wie erstarrt kniete ich vor ihr. Eine einzelne Träne glitt über ihre Wange. Langsam fing ich sie auf. "Ich könnte dich niemals hassen Mama", sagte ich und umarmte sie. Nach einigen Sekunden, hörten wir wie die Haustür ins Schloss fiel. Mein Vater musste raus gegangen sein. Vermutlich hat er wieder geraucht. Ich schaue meine Mutter an. Wie sie da vor mir kauert, kraftlos, ergraut. "Mama wir gehen!", sagte ich bestimmt. Sie schaut mich an. In ihren so unergründlichen Augen blitzt es. Sie nickt. "Ich gehe jetzt einkaufen, wenn ich wieder da bin, ist hier hoffentlich aufgeräumt!", ruft mein Vater von der Tür aus. Das ist unsere Chance. Endlich. Ich nehme einen Rucksack von meiner Tür und stopfe so viele Klamotten wie möglich hinein. Meine Mutter wartete nur bis sie das Türschloss hörte. Er hatte von außen abgeschlossen! Sie bewegte sich zunächst langsam, dann packte sie schnell alles Nötige zusammen. Papiere, Geld, Klamotten, einen Regenschirm und ein kleines Buch. Das Teil sah ganz schön abgegriffen aus. Wir zogen uns in meinem Zimmer die Schuhe an und sahen aus dem Fenster. Mein Vater war nirgends zusehen. "Bereit?", raunte ich. Sie nickte kurz. Ich stieg als erstes auf die Feuerleiter. Sie war etwas wackelig. Meine Mutter war direkt hinter mir. Sie schloss das Fenster hinter uns und wir stiegen die Feuerleiter immer weiter hinab. Unten angekommen rannten wir los. Keine Ahnung warum, aber wir rannten. Irgendwann ließen wir uns röchelnd in eine Wiese fallen. Beide lagen auf dem Rück und starrten in den Himmel. Meine Mutter beginn zu lachen. So laut und klar wie schon lange nicht mehr. So ehrlich hatte ich sie nur sehr selten lachen gehört. Ich musste grinsen. "Wir sind frei", flüsterte sie irgendwann. Ja. Wir waren frei. Endlich frei.
DU LIEST GERADE
Kageyama
FanfictionEine Geschichte die uns an den jungen Tobio Kageyama heranführt, welcher unbedingt Volleyball spielen will.