24.08.2020 01:25 Uhr

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Ich glaube ich traue mich nicht schlafen zu gehen, weil das bedeutet, meinen Kopf zum Schweigen kriegen zu müssen, damit ich schlafen kann- und das funktioniert einfach nicht.

Ich bleibe viel zu lange auf, ich lenke mich ab, ich schlafe dann irgendwann morgends ein und natürlich ist das nicht gut. Nichts ist gut.

Aber inzwischen sage ich, wenn ich gefragt werde wie es mir geht, auch einfach: "Es ist okay." oder "Ich halte mich ganz gut" - aber das ist einfach leichter zu sagen.

Ich will nicht jedem sagen "ich habe keine Ahnung wie ich das beantworten soll", weil das Diskussion nach sich zieht. Und Diskussionen ziehen Kraft. Und Kraft ist... ich brauche alle Energie die ich habe und sie reicht nicht aus selbst wenn ich diese Art von Konversation aktuell vermeide. Sie reicht nicht aus um Kontakte zu halten, die weit weg sind. Meine Fernbeziehung leidet und ich sehe zu und alles was ich denken kann ist, dass es dann wohl so ist. Ich zweifele an meiner Liebe, weil ich sie einfach nicht fühle zurzeit. Weil alles was ich fühle wenn ich mal doch hinhorche dieses Loch ist.

Ich kenne Tiefs. Ich kenne Situationen, die man nicht ändern kann. Ich habe früh gelernt, mich selber wieder auf die Bahn zu bekommen. Aber das hier ist... anders.

Ich muss mich jeden Tag aufs neue motiviert bekommen, aber ich habe keine Ahnung woher ich das nehmen soll. "Kinder leben für ihre Eltern weiter, besonders wenn ein Elternteil so früh gestorben ist. Dann ist es die Aufgabe der Kinder, diese verlorenen Jahre für das verstorbene Elternteil zu leben in all der Fülle und Freude und dem Schmerz, die das Leben bietet" - das hat mein Psychologe (so ähnlich) zu mir gesagt. Und er hat Recht, ich weiß das er Recht hat, aber in diesem Monat der seit dem Unfall vergangen ist hatte ich zwei Zusammenbrüche und in denen... ich weiß nicht wie. Ich weiß nicht wie ich aufstehen und das hinbekommen soll.

Ich schlafe nicht. Ich esse unregelmäßig. Und mein Körper fand es praktisch aus all den Trauerreaktionen, die man physisch haben kann, Magenprobleme,  Diarrhoe und Migräne zu wählen.

TrauerARBEIT. Dieser Kampf ist Arbeit und "man bekommt danach keine Medaille dafür", niemand sieht es einem auch nur an wenn man sich da durch gekämpft hat. Das lese ich manchmal quer in den schlauen Büchern die überall bei uns im Haus verteilt sind jetzt. Über Trauer. Über Abschied.

Arbeit. Es ist Arbeit aufzustehen. Es ist Arbeit weiter zu machen. Und wenn ich mich "erfolgreich" abgelenkt habe sitze ich danach irgendwo und mir fällt wieder ein was passiert ist. Es ist wie sich im Kreis zu drehen, bloß dass es so nebelig und düster ist, das man es garnicht bemerkt. Und im Grunde ist der Weg (für mich) in seinen Ansätzen einfach, aber eben auch nur in seinen Ansätzen.

Sowas wie geregelte Zeiten fürs Essen einzuhalten. Außerdem regelmäßig zu essen, regelmäßig zu schlafen. Etwas zu tun, das nicht alleine und am Laptop funktioniert, sondern das soziale Umfeld einbezieht. Sport, um abends müde zu sein. Arbeit, oder zumindest ein Minijob, um neue Anreize zu schaffen, auch wenn ich mich echt nicht danach fühle. Kunst oder kreatives schreiben, damit ich mein Mindset wo hinbekomme, wo immerhin ein bisschen die Sonne scheint oder zumindest der Horizont glitzert.

Und ich muss mir klar werden, dass es nicht mehr sein wird wie früher. Dass das "okay" von jetzt an etwas anderes meint als das "okay" von vorher. Dass das "es geht mir gut" jetzt nicht heißt, dass ich Papa nicht vermisse oder nicht zurück wollen würde oder das ich mit seinem Tod klarkomme sondern dass...

Ich muss mir erlauben sagen zu können, dass es mir gut geht. Ich muss mir erlauben dass es mir gut gehen darf auch wenn Papa tot ist. Ich glaube das ist wirklich der Knackpunkt.

Dass ein Teil von mir sich schuldig fühlt wenn es mir "gut" geht jetzt. Denn wie kann ich.

Das ist der tägliche Krampf.

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