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Am nächsten Morgen, einem Montagmorgen, wachte ich entspannt durch nichts und niemanden auf. Ich hatte mich bewusst dazu entschlossen derzeit arbeitslos zu sein, weswegen Montage wohl auch nicht so schlimm für mich waren, da ich kein aktiver Part des kapitalistischen Systems war.

Klar ist es schwer sich dem komplett zu entziehen, aber ich versuchte es in dem Maß, wie es für mich halt grad möglich war.

Derzeit lebte ich von dem Geld, welches ich mir die letzten Jahre als Barkeeperin angespart habe. Es ist nicht viel gewesen, aber ich lebe recht sparsam und meine größte und fast einzige Ausgabe des Monats ist eigentlich nur meine Wohnung.

Relativ ausgeschlafen taumelte ich auf meinen Balkon und ließ mich auf einem der beiden Klappstühle nieder. Wieder war es so ruhig in diesem Hinterhof, dass ich manchmal das Gefühl hatte, ich wäre der einzige Mensch der hier wohnt. Irgendwo ist das auch nicht ganz so weit hergeholt. Viele Menschen waren aus diesem alten Haus bereits ausgezogen und wahrscheinlich war es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis mein Vermieter mich und die paar anderen Rausschmiss um das Haus komplett zu sanieren.
Hach, du verfickte Gentrifizierung, klaust uns den Platz zum Wohnen, Leben und Lieben, seufzte ich und zündete meine erste Kippe des Tages an.
Entspannt blies ich den Rauch in die frische Morgenluft und legte meine Füße auf dem Klappstuhl gegenüber ab.

Ich freute mich so auf den heutigen Tag, endlich wieder viele wundervolle Menschen treffen und gemeinsam die Straßen aus Asphalt in eine bunte, lebensfroh Oase verwandeln.
Um 12 Uhr sollte es losgehen, auf dem Platz vorm Stadtgarten. Ich ging auf Telegramm und schrieb in unsere "Family" Gruppe, wann die anderen heute so am Start wären. Diese Gruppe bestand aus Mary, Mark und Joni. Die 3 waren meine besten Freund:innen und keine Aktion fand ohne sie statt. Sie sind also auch meine Bezugsgruppe, das heißt wir bleiben während Aktionen stetig zusammen und geben aufeinander acht. Bei dem Gedanken an die 3 stand ich fröhlich auf. Es ist einfach so ein Privileg diese wundervollen Menschen in meinen Umfeld zu haben.
Ich ging in mein Zimmer und zog mir erstmal etwas an, was zwar bequem war, aber dennoch nicht ganz nach Schlafanzug aussah.
Zufrieden mit diesem entspannten morgen ging ich voller Vorfreude und ein wenig unter Zeitdruck aus der Wohnung, es war nämlich schon 12:15 Uhr. Aber naja, was solls..

Nach etwa 10 Minuten Fußweg kam ich vorm Stadtpark an, vor mir fand ein buntes, lebensfrohes Fest statt. Viele Menschen tanzten, aßen, lachten und sprachen miteinander. Mein Blick schweifte über den Platz und ich sah Mark und Joni an der Küfa stehen. Glücklich wanderte ich zu ihnen. "Hey ihr!"
"Naa, du!" antworteten sie im Chor. "Wo habt ihr Mary gelassen?" fragte ich und drehte mich einmal um meine eigene Achse.
"Sie müsste auch gleich kommen, meinte vorhin, dass ihre Kette rausgesprungen ist.. Naja, du kennst ja ihren alten Drahtesel."sagte Joni.. Er hasste Marys Fahhrad, oder wie er es nennt "Drahtesel", da es wirklich immer in unpassendensten Situationen den Geist aufgab, neulich beispielsweise bevor wir Containern gehen wollten. "Oh man, die hat aber auch ein Glück.." sagte ich und wand mich zur Essensausgabe. Es gab Linseneintopf mit Brot, mein absolutes Küfa-Lieblingsessen.

Ich setzte mich zu den anderen an einen der Bierzeltgarnitur-Tische und Genoss die große Runde in der wir uns befamden. An unserem Tisch, saßen noch etwa 10 weitere Menschen. Viele von ihnen kannte ich schon, manche mehr, manche weniger. Ein Großteil der Gruppe führte grad ein ausführliches Gespräch über Fahrradwege in der Stadt, man könnte schon fast sagen sie debattieren darüber. Das Thema klingt vielleicht erstmal langweilig, aber ich find es eigentlich wirklich so interessant, da es eine riesige Komplexität hinter sich birgt. Es ist quasi eines des ausschlaggebensten Punkte für die Verkehrswende, welche wiederum wichtig für den Erhalt unserer Erde ist.

Naja, genau davon. Ich sollte nicht schon wieder mit meinen Gedanken komplett abschweifen, sondern mich auch mal auf das hier und jetzt konzentrieren.
Grad in diesem Moment sah ich Mary wie sie auf uns zu schlenderte.
Ich stand auf und umarmte sie hektisch.
"Ist es nicht einfach wundervoll hier?" fragte ich sie begeistert und drehte uns im Kreis. "Ja, wirklich! Ich freue mich so auf den Rest der Woche!"
Ich strahlte sie an und wir beschlossen, im vorbeigehen zu unserem Tisch,uns noch für den morgigen Graffiti Workshop anzumelden.

Nach dem wir alle noch ein wenig geredet hatten, verabredeten wir uns auf heute Abend bei mir in der Wohnung um dort noch ein bisschen die nächste Woche zu planen und um einfach etwas Zeit miteinander verbringen zu können.

-Straszenromantik-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt