🌊Prolog🌊

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Der warme Wind wehte mir spielerisch durch die langen Haarsträhnen, als ich reglos im ausgetrockneten Gras einer Lichtung stand. Die Sonne knallte gnadenlos und unablässig auf den Grund hinab und verbrannte all die ungeschützten, verdorrten Sträucher um mich herum. Eine enorme Hitzewelle umgab mich von allen Seiten und in der Nähe hörte ich ein Gewässer plätschern. Ein salziger Geruch begleitete die stickige Waldluft. Ich war umgeben von riesigen Bäumen und unberührter Natur, doch dann hörte ich auf einmal mehrere Leute hinter mir, die mich mit Schusswaffen verfolgten. Sie riefen mir etwas zu, doch ich konnte nichts verstehen, denn ich rannte bereits aus purem Instinkt und wie vom Blitz getroffen, in den dichten Wald hinein. Atemlos wollte ich stehenbleiben und Luft holen, doch mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich lief immer weiter, so schnell ich konnte. Ich wagte es nicht, mich umzudrehen und ließ mich durch nichts bremsen. Völlig außer Atem sprang ich über umgefallene Stämme, duckte mich vor tief hängenden Ästen, die über mir wie knorrige Arme ineinander verhakt, nur an wenigen Stellen das blendende Sonnenlicht hindurchließen und verharrte mit meinem Blick am Erdboden, um nicht über Steine oder Wurzeln zu stolpern. Nicht ein einziges Mal sah ich zurück und mein Herz hörte auch nicht mehr auf zu rasen, doch all meine Konzentration brachte mir nichts, als plötzlich eine Kugel durch meinen Rücken schoss, meinen Brustkorb zerfetzte und das Blut nach draußen sickern ließ. Mein Umfeld verschwamm vor meinen Augen und die Rufe der Anderen rauschten an mir vorbei, sodass ich nichts Genaueres verstehen konnte und nur das Zittern meines eigenen Körpers vernahm. Es fühlte sich an, als wäre ich unter Wasser getaucht. Die Stimmen konnten einfach nicht zu mir hindurchdringen. Ich erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde und wollte eigentlich instinktiv vor Schmerz losschreien, doch ich spürte nichts. Stattdessen drehte ich mich um und sah einen Mann, der mir triumphierend mit seiner Waffe in den Händen entgegenstrahlte. Da tauchten hinter ihm auch schon die restlichen seiner Anhänger zwischen den Büschen auf. Ich musste um Hilfe rufen, aber meine Stimme versagte kläglich.

Dann schlug ich die Augen auf.
Meine Mutter kam zu mir ins Zimmer herein und zog mir die Decke weg. "Guten Morgen. Komm dann frühstücken, okay?", begrüßte sie mich wie jeden Morgen und ging dann wieder. Ich war total verwirrt und in Gedanken immer noch in diesem absurden Traum, der mich, seit wir von New York nach Bernal, einer Kleinstadt in Mexiko gezogen waren, verfolgte. Obwohl wir erst eine Woche hier lebten, hatte ich diesen Unsinn schon zum vierten Mal geträumt und je länger ich darüber nachdachte, was er zu bedeuten hatte, desto ratloser wurde ich. Nach dem Frühstück verließ ich die Wohnung und wartete im Treppenhaus ungeduldig auf den Aufzug. Völlig entnervt seufzte ich, als er nach einer Minute immer noch nicht da war und entschied mich dann doch fürs Laufen. Also ging ich die Treppen hinunter und schlenderte aus dem Reihenhaus, wo außer meiner Mutter und mir noch fünf weitere Familien wohnten. Nervös lief ich den verschneiten Weg entlang und blickte unsicher dem großen Gebäude am Ende der Straße entgegen. Immer wieder spähte ich auf meine Smart-Watch an meinem Handgelenk.
7:24 Uhr. Mit rasender Geschwindigkeit rückte mein erster Schultag an der Avalon-High-School immer näher und ich blieb schließlich vor der Glastür am Eingang stehen.

Ein letztes Mal atmete ich tief durch und riss dann die Tür auf. Orientierungslos folgte ich einfach nur den Pfeilen bis zu meinem Klassenraum in der obersten Etage. Außer mir, standen noch mindestens zwanzig andere Mitschüler vor der verschlossenen Eisentür und tauschten sich über ihre Ferien aus. Ich wollte mich nicht gleich am ersten Tag aufdrängen, also ging ich an ihnen vorbei und stellte mich allein an eine Wand. Eine Weile ließ ich meinen Blick durch den Flur schweifen und beobachtete die verschiedenen Mädchen- und Jungsgruppen. Jeder stand in irgendeinem Freundeskreis oder einer Clique dabei. Fast jeder. Denn da bemerkte ich einen dunkelhaarigen, großen Jungen, der mir schräg gegenüber stand. Auch er war allein, doch anders als ich, interessierte er sich nicht einmal ansatzweise für die Anderen, sondern starrte genervt aus dem Fenster. Das Komische war, dass er mitten in der Winterzeit eine Sonnenbrille trug. Draußen fielen die weißen Schneeflocken aus den Wolken und tauchten die Stadt in eine kalte Eislandschaft und er kam zur Schule, als wär's Sommer. Vielleicht brauchte er das einfach für sein Ego, damit er sich cool fühlte, dachte ich mir nur und ignorierte ihn daraufhin. Ich konnte solche selbstverliebten und eingebildeten Machos, wie ihn, bis auf den Tod nicht ausstehen. Dann kam auch schon unsere Lehrerin den Gang entlang und entschlüsselte die kugelsichere, schwere Eisentür mit ihrem Erkennungscode und registrierte ihre Smart-Watch, sowie ihren Fingerabdruck an dem eingebauten Scanner in der Tür. Ich hörte, wie sie sich von innen entriegelte und danach fuhr die Metallplatte automatisch wie eine Schiebetür mit einem technischen Surren nach hinten und der Eingang tat sich vor uns auf. Eine programmierte Computerstimme ertönte und wies uns an: "Tretet alphabetisch geordnet in Eure jeweilige Regenerationskapsel. Weitere Anweisungen erfolgen."

Dark Individuals - The Shadows will follow you (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt