Kapitel 1: Worte sind Macht
Man sagt, dass Wörter mächtiger sind, als jedes noch so scharfe Schwert. Dass nichts so sehr verletzt, wie die richtigen Worte. Meiner Erfahrung bestätigt dies. Meine Worte haben ganze Einheiten in Bewegung gesetzt. Haben Existenzen in den Abgrund getrieben. Haben Tod, aber auch Wohlstand gebracht. Und als Dank dafür, sitze ich hier in diesem einsamen Komplex. Ein ganzer Komplex. Nur für mich. Mutet seltsam an meiner Meinung nach. Die Wärter tragen Ohrenstöpsel. Sie sollen mich nicht hören. Sie kommunizieren mit mir über Texte, die sie aufschreiben. Keine schlechte Idee. Meine Worte wirken nur, wenn ich sie ausspreche. Die Tage laufen gleich ab. Immer kommt so ein schmieriger Forscher, um Tests mit mir durchzuführen. Immer mit einem halben duzend schwerbewaffneter Wachen. Bin es bereits gewohnt, dass man mich bedroht.
Sie wollen meine Macht erforschen. Wollen wissen, woher ich diese unbändige Kraft habe. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es selber nicht. Sie war eines Tages da. Genau wie meine Langlebigkeit. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange ich bereits auf dieser verkommenden Welt verkehre. Doch man sagte mir, dass ich bereits etwas mehr als 110 Jahre alt bin. Ich erinnere mich an den ersten Weltkrieg. 1914. Ich war gerade einmal 9 Jahre alt. Man drückte mir eine Waffe in die Hand. Ich sollte mich verschanzen. Man beschrieb mir grob, wie der Feind aussah. Was er trug. Ich sollte auf alles schießen, was dieser Beschreibung gleichkam. Andernfalls würde man meine Familie töten und mich alleine lassen. Also tat ich, wie man mir befahl. Es kamen insgesamt 12 Soldaten an diesen Ort, den ich mein Zuhause nannte. Ich erschoss jeden. Sie haben nicht erwartet, dass ein Kind auf sie schoss. Erst später habe ich herausgefunden, dass es meine eigenen Landsleute waren.
"Oberst. Bitte konzentrieren sie sich!", reißt mich die ölige Stimme des schmierigen Forschers aus meinen Gedanken. Ich blicke ihn neutral an. Zumindest glaube ich, dass ich neutral schaue. Sie nennen mich hier alle "Oberst". Weil ich es wollte. Es war meine einzige Bedingung unter der ich freiwillig mit ihnen gekommen bin. Ich nicke. Innerhalb der Tests, trägt niemand der Anwesenden Ohrenstöpsel. Es wäre meine Gelegenheit zu fliehen. Doch wohin? "Bitte benutzen Sie ihre Macht, um dieses Testsubjekt zu exekutieren.", fordert der Forscher von mir. Diese Tests kommen oft vor. Immer muss ich etwas mit diesen "Testsubjekten", in orangenen Overalls anstellen. Die junge Dame, asiatischer Herkunft tut mir irgendwie leid. Alle tun sie mir leid. Doch ich muss kooperieren. Noch. Der Forscher hält ein Fleischermesser in der Hand. Bestialischer Bastard.
Ich schaue die ängstlich aussehende Dame an. Ihr Blick fleht mich an, es nicht zu tun. Keine Sorge. Ich werde deinen Tod kurz und schmerzlos werden lassen. "Nimm dir das Fleischermesser und schneide dir die Kehle auf!", befehle ich mit meiner tiefen, markant klingenden Stimme. Ihre Augen, die eben noch vor Angst Tränen gebildet haben, werden ausdruckslos. Fast blass. "Jawohl, Herr Oberst!", sagt sie vollkommen emotionslos. Sie dreht sich zum Forscher. Nimmt das Fleischermesser. Nickt mir zu. Setzt das Fleischermesser an ihrem Hals an und zieht durch. Ihr Körper fällt zu Boden. Sie zuckt wild. Lautes Röcheln hallt durch den leeren, mit Kacheln besetzten Testraum. Eine Pfütze ihres Lebenssaftes bildet sich um ihren Kopf. Der Forscher notiert sich etwas. "Sehr gut. Das soll es für heute sein. Bringt ihn zurück in seine Unterkunft.", befiehlt der Forscher den Wachen. Sie umkreisen mich. Geleiten mich durch einen langen, leeren, sterilen Gang, bis zu einer breiten, dicken, silbernen Stahltür. Einer der Wachen gibt einen 8-stelligen Code ein. 98573302. Ich habe ihn mir schon lange gemerkt.
"Bis bald. SCP-Denied.", verabschiedet sich einer der Wachen fast schon brüllend, da er aufgrund der Ohrenstöpsel, die sie nun alle wieder tragen, sich selbst nicht zu hören scheinen. Ich nicke. Ich will nicht so genannt werden. Ich bin der Oberst! Die Tür schließt sich. Nun bin ich wieder alleine. Ich bin schon unendlich lange hier. Es müssen wirklich bereits Jahre vergangen sein. Ich habe kein Zeitgefühl. Nur zum Jahreswechsel, wird mir Bescheid gegeben. Das letzte Mal sagten sie, dass es 2014 sei. 1948 wurde ich hier her gebracht. Herausgerissen aus meiner Führungsposition. Nachdem der russische Soldat, der mir die Waffe gab, sah, dass ich es erfolgreich war, nahm er mich. Entriss mich meiner Familie. Aufgewachsen zwischen Waffen, Blut und Tod. Verziehe eine Seite meiner Lippe zu einem Lächeln nach oben. Das war die beste Zeit meines Lebens.
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Der Oberst (Creepypasta)
HorrorWorte können schärfer sein, als jede Klinge dieser Welt. Zerstörerischer als jeder Tornado. Das weiß vorallem der Oberst. Er wird festgehalten in einer ominösen Organisation. Zur Erforschung seiner Macht. Doch schon bald, wird die Chance zur Flucht...