EINS

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Mit einem lauten ‚Rumms' fiel der Karton zur Erde. Erschöpft richtete ich mich auf und streckt meinen Rücken durch. Meine Wirbelsäule ächzte und ich konnte sie knacken hören.

„Ist das der letzte?", fragte ich hoffnungsvoll.
„Es fehlen noch zwei." Die Worte deprimierten mich und ich stöhnte laut.

Ich konnte hinter mir Schritte hören, die die Treppe hinauf kamen. Ein roter Haarschopf tauchte in der Kurve des Treppenhauses auf und kurze Zeit später entdeckte ich Jona. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und ließ mein Herz höher schlagen.

„Wir haben es gleich geschafft, Sweetie." Kaum erreichte er den Treppenabsatz, schob er mich zur Seite und trug den schweren Karton durch die Wohnungstür.

„Hätte ich gewusst, dass Umziehen so anstrengend ist, wäre ich lieber Zuhause geblieben", beschwerte ich mich.

Ein entrüstetes Schnauben schallte durch den Flur. „Das habe ich jetzt einfach mal überhört", ertönte Jonas tiefe Stimme. Dem Klang nach war er gerade im Schlafzimmer. Missmutig hob ich meinen Umzugskartons auf und betrat ebenfalls seine Wohnung, obwohl ich jetzt wohl besser UNSERE Wohnung sagen sollte. Schließlich zog ich gerade bei ihm ein und damit wäre sein Reich nun auch meins.

Zahlreiche Kisten, Taschen und Koffer, die sich bereits in dem Flur tummelten, machten mir das Durchkommen schwer und es fühlte sich für mich wie ein Hindernisparcour an.

„Du weißt, wie ich das meine, oder?" Mit dem Fuß trat ich die angelehnte Tür des Schlafzimmers auf und entdeckte Jona in seinem weißen Shirt vor dem Fenster stehen. Er strich sich gerade den Schweiß von der Stirn und sah aus dem Fenster.

„Ja, natürlich. Das einzige, was ich bereue, ist, dass wir uns für deinen Umzug den heißesten Tag des Jahres ausgesucht haben."

„Woher hätten wir das auch vorher wissen können? Die Wettervorhersage hatte Gewitter angekündigt." Auch mir rann der Schweiß von der Stirn und sammelte sich in meinem Ausschnitt. Draußen waren an die dreißig Grad, doch für mich fühlten sich die Temperaturen wie Vierzig an. Meine Haare klebten mir im Nacken und ich pustete mir eine Strähne aus den Augen.

„Aber ich bin froh, dass wir den Schritt wagen", gestand er mir und kam auf mich zu. Er nahm mir den Karton ab und stellte ihn zur Seite. Seine Hände legten sich auf meine Hüfte und er zog mich fest an sich. Ich fiel auf seine Brust und meine Hände legten sich wie automatisch um seinen Hals.

Verliebt starrte ich ihn zu ihm auf. Noch immer konnte ich es nicht glauben, dass wir tatsächlich ein Paar waren. Unsere Geschichte hatte so kompliziert und chaotisch begonnen, dass ich zwischenzeitlich befürchtet hatte, wir würden nie zueinander finden.

Doch hier waren wir, verliebt wie zwei Frischvermählte und konnten kaum die Finger von einander lassen. Aber das wollte ich auch gar nicht. Ich genoss es, dass wir auch das Schlafzimmer endlich teilen konnten. Lange genug hatte ihn seine psychisch bedingte Erektionsstörung unter Kontrolle gehabt. Zu oft hatte sein Problem wie ein Guillotine über seinen Beziehungen geschwebt und nur darauf gewartet, bis das Seil riss und es niedersauste.

Er ging seit ein paar Wochen regelmäßig zu Doktor Springer, seine fünfzigjährige Psychologin. Fast jede Woche trafen sie sich und redeten einfach nur. Über die Arbeit, über seinen Vater, über seine Schwester, über mich. Zumindest erzählte er mir das. Ich war bisher nur einmal bei einer ihrer Sitzungen anwesend gewesen.

Falls er ihr Treffen um eine Woche verschoben musste, rächte sich das nach kürzester Zeit. Dann wurde er rückfällig. Das klang, als wäre er Alkoholiker und würde das Trinken wieder anfangen. Zum Glück war das nicht der Fall. Mit rückfällig meinte ich, dass er dann wieder Schwierigkeiten hatte und wir den Sex für diese Woche vergessen konnten.

Gegen Liebe gibt es keine Medizin Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt