SECHZEHN

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»Kannst du die Musik nicht etwas leiser drehen?«, fragte mich Jona. Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Er kniff seine Augen zu und rieb sich die Stirn.

»Vielleicht hättest du doch eine Kopfschmerztablette nehmen sollen«, erwiderte ich und sah schnell wieder auf die Straße.

»Du weißt selber, was das für ein Gift ist«, maulte er mich an. Da hatte er nicht unrecht. In meiner Ausbildung hatte ich gelernt, dass Paracetamol lebertoxisch war und Ibuprofen auf lange Dauer die Niere schädigte.

»Dann dreh doch ruhig die Musik leiser, ich hab damit kein Problem«, erwiderte ich. Eine Hand schnellte vor und mein Lieblingssong Dance Monkey wurde leiser. Trotzdem summte ich mit und ließ mir von Jona nicht meine gute Laune verhageln.

Meine Großeltern hatten uns beide zum Essen eingeladen. Da ich Urlaub hatte und Jona endlich mal wieder ein freies Wochenende, hatte ich natürlich sofort zugesagt.

»Vielleicht hast du zu wenig Wasser getrunken?«, fragte ich ihn, woraufhin er nur ein Brummen für mich übrig hatte. »Oder es ist die Hitze? Die setzt mir auch immer zu«, plapperte ich fröhlich weiter. Dank der Klimaanlage war es in meinem Polo erträglich, fast schon kalt. Ich trug mal wieder nur ein dünnes hellblaues Top und eine knappe Jeanshose. Anders wäre es draußen kaum auszuhalten.

Ich empfand tiefsten Respekt für Frauen, die im Hochsommer nur schwarze Kleidung trugen. Wenn ich so rumlaufen würde, wäre ich schon längst geschmolzen.

»Ich glaube, es ist einfach der Stress«, murmelte Jona. Ich warf ihm einen Blick zu. Er sah wirklich elendig aus. Seine Stirn ruhte an dem kühlen Glas, seine Augen waren geschlossen und sein Gesicht sah angespannt aus. Er hatte sich heute die Haare nicht gemacht und sie standen in blonden Stacheln in alle Richtungen ab.

»Das kann wirklich gut sein. Bei mir auf der Station ist die Hölle los, will gar nicht wissen, wie es da bei dir aussieht.«

»Vermutlich genauso schlimm. Aber ich hab ja auch bald Urlaub.«

»Stimmt! Schon nächste Woche!«, jubilierte ich.

Es war reiner Zufall gewesen, dass sich unsere Urlaube überschnitten. Im Krankenhaus war es üblich, dass mein seine Tage bereits am Anfang des Jahres einreichen musste. Daher war Spontanität wenig möglich, umso mehr freute ich mich über unser Glück.

Ich fuhr von der Bundesstraße und bog rechts ab. In wenigen Minuten würden meine Großeltern meinen Freund kennenlernen und ich war dezent aufgeregt. Schon den ganzen Morgen war mir flau im Magen gewesen. Dazu kam noch, dass ich nichts gegessen hatte, und das trug zu meiner Aufregung und Hibbeligkeit - falls es dieses Wort überhaupt gibt - bei.

Wenige Minuten später parkte ich den Wagen an der Straße und schaltete den Motor ab.

»Wir sind da«, quietschte ich. Jona öffnete die Augen und sah sich um.

»Das ist doch die Straße deines Vaters«, stellte er stirnrunzelnd fest.

»Richtig! Als mein Vater ausgezogen ist, hat er einen Stein geworfen und da, wo er gelandet ist, hat er sein Haus gebaut«, witzelte ich. Jona zog nur kritisch seine Augenbrauen hoch.

»Dann muss er ein guter Werfer gewesen sein. Es liegen doch mindestens fünfhundert Meter zwischen den beiden Häusern.«

Ich verdrehte die Augen. »Musst du mir denn alles kaputt machen?«, seufzte ich und öffnete die Tür. Brütende Hitze knallte mir entgegen, brachte mich augenblicklich zum Schwitzen. »Kommst du auch?«, rief ich ins Wageninnere. Ohne eine Antwort abzuwarten, knallte ich die Tür zu und öffnete die hintere Tür. Auf der Rückbank lag meine heißgeliebte Liebeskind Handtasche. Ich habe sie vor Jahren von meiner Mutter geschenkt bekommen und, obwohl sie aussieht, als würde sie gleich auseinanderfallen, benutzte ich sie immer noch.

Gegen Liebe gibt es keine Medizin Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt