Orgelmusik ertönt. Monströs legt sie ein musikalisches Gewand auf den in der Mitte der Kapelle liegenden Sarg. Unter all den schwarz gekleideten Trauergästen fällt ein junger Mann mit hellgrauem Jackett und weißem Hemd auf. Auf einer Hochzeit wäre er optisch besser aufgehoben. Während man sich betroffen das Beileid bekundet, lächelt der Mann, der sich nach ausgiebiger Kondulation in die zweite Reihe der Kirchenbank setzt, wo er sich einen optimalen Blick auf das Geschehen am Altar erhofft. Niemand scheint Notiz davon zu nehmen, dass der Sonderling ein Klappmesser bei sich führt, dass er munter auf und zu schnappen lässt, außer einer Frau. Die nächste Angehörige der beiden Toten: Ihre Tochter Maja. Schockiert über diesen grotesken Anblick lässt sie sich auf die Bank zurück fallen und ergreift, scheinbar von Trauer getrieben die Hand ihres Gefährten Dominik - eine Verlobung steht demnächst an -, der sie tröstend in die Arme schließt.
Während der Pfarrer den Verstorbenen die letzten Worte nach ruft, kann Maja schwören, dass der unpassend gekleidete Mann hinter ihr, ihr sein Messer in die Seite bort, doch in dem Bestreben ihn zu ignorieren wagt sie es nicht sich umzudrehen um in sein grinsendes Gesicht zu blicken. “Es ist deine Schuld. Allein deine.” Haucht er ihr von hinten ins Ohr, doch Niemand vernimmt das außer ihr, so hält man es für weitere Trauer, als Tränen ihr die Wangen hinunter wallen.
Ihre Lieben Eltern verstarben durch einen Autounfall und allein diese Tatsache entband Maja von jeglicher Schuld. Dennoch behaupten die wispernden Worte in der Reihe hinter ihr genau das Gegenteil. “Deine Schuld. Allein Deine.”
Auf einer Bestattung treffen viele Bekannte ein, auch viele von denen man es nicht erwartet hätte. Aber überhaupt nicht erwartet hat sie es von dem adretten Mann, der nun hinter ihr sitzt. Sie kennt ihn und nur sie. Bevor er vor wenigen Sekunden wieder in ihr Leben trat, war es ihr gelungen alle Erinnerungen an ihn zu verdrängen. Jetzt sieht sie sich wieder mit dem konfrontiert, was ihr als elfjährige einen langen Krankenhausaufenthalt einbrachte. Ein Suizidversuch. Zoe hatte es ihr damals gesagt, doch Zoe existierte nicht. Er war ihr Phantasiefreund. Er hätte sie überredet, sagte sie den Psychiatern. Mit einer langen Therapie gelang es den Ärzten Zoe wieder aus Majas Kopf zu verbannen. Bis jetzt. Nun ist er wieder da und flüstert in ihr Ohr.
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Zoe kehrt zurück - Kurzthriller / Psychodrama
Mistério / SuspenseDie imaginäre Figur Zoe, in Majas Kindheit ihr Phantasiefreund, kehrt in ihrem Erwachsenenalter nach dem Tod ihrer Eltern als Verkörperung einer Depression zurück. Die Kurzgeschichte habe ich vor kurzem wiedergefunden. Sie ist die Fortsetzung eines...