1 Kapitel

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Verwirrt, sauer und entschieden ihm meine Meinung zu sagen, hebe ich meinem Kopf und tausche somit mein Blickfeld. Das Müsli verschwindet und das wirklich gutaussehende Gesicht meines Bruders taucht auf. Nur würde ich ihm das niemals sagen, weil er es zum einen selber weiß und zum anderen möchte ich sein Ego nicht noch mehr pushen. „Was ist dein Problem Jacob. Es tut mir ja leid dass du dich hier zurechtfindest, ich aber nicht. Okay, ich kenn hier niemandem und bin dementsprechend nicht besonders heiß drauf allein herum zu marschieren." Mein Bruder lässt seinen Löffel in die Schüssel fallen wobei die Milch ein bisschen überschwappt und schaut mir tief in die Augen. „Darum geht es hier doch gar nicht, ich..." Wütend schneide ich ihm das Wort ab. „Doch genau darum geht es. Ich bin keine 5 mehr. Finde dich damit ab." „Lilith, ich will doch nur das du dich hier besser einlebst. Die Schule beginnt in drei Tagen wieder und du kennst noch immer niemanden." Darauf kann ich jetzt echt verzichten, mit einem deutlichem quietschen schiebe ich den Stuhl zurück. „Lilith!" seine Stimme lässt mich inne halten. „Jacob hat Recht. Ich weiß es fällt dir schwer dich an zu passen aber du kannst ja mit uns mit kommen. Heute am Nachmittag teffen wir uns mit ein paar Freunden. Komm doch mit." „Bitte? Anpassen? Vergiss es Dylan, ich werde mich nicht verbiegen damit die anderen es leichter mir mit haben. Und nein ich komme ganz sicher nicht mit euch mit. Wisst ihr was, ich schaffe das allein. Ich finde schon jemanden!" Ungläubig schauen mich die Zwillinge an. Aber ich werde ihnen schon noch beweisen dass ich nicht auf sie angewiesen bin. Drei Tage um eine nette Person zu finden, ist doch ein Kinderspiel. Ohne noch ein Wort mit meinen Geschwistern zu wechseln renne ich die Treppen hinauf. „Hey, wie oft hatten wir das schon. Du sollst nicht so die Stufen hinauf laufen. Irgendwann fliegst du noch hinunter und brichst dir den Rücken!" Ich schreie noch ein „Ja Mama!" hinunter und weiß jetzt schon das ich mir das niemals abgewöhnen werden kann. Aber für heute habe ich was vor und ich werde das schon umsetzen können. Wie gesagt ich bin keine 5 mehr.

Viellicht doch. Nachdem ich mich umgezogen, fertig gemacht und ein paar Sachen zusammengepackt habe bin ich schnurstracks nach draußen gegangen. Und hier stehe ich jetzt. Und hab keine Ahnung wo hin mit mir. Einerseits bin ich überzeugt dass ich jetzt einfach einen Fuß vor den anderen setzen sollte aber wohin. Was soll ich dann machen. Soll ich ein Mädchen ansprechen weil es nett aussieht mit der Begründung, dass ich nicht wollte dass meine Brüder rechtbehalten und ich mich sehr wohl auch alleine zurecht finden kann. Das kommt dann doch extrem aufgesetzt rüber. Also Planänderung.
Ohne einen wirklichen Plan zu haben mache ich genau das was ich vorgehabt habe, ich gehe los und schaue wohin mich mein Weg bringt, den zweiten Teil von der Aktion streiche ich einfach und wenn ich glück habe spricht mich ja wer an. Meine Füße machen sich selbstständig und bewegen sich die Straße hinunter. Auf dem Weg ist noch nicht viel los, aber mich sollte das wirklich nicht wundern es ist immerhin erst 8:30 und es sind Ferien. In der ruhigen Straße auf welcher wir jetzt leben, ist nur ein altes Paar unterwegs. Sie gehen entspannt den Weg entlang. Ihre Hände sind ineinander verschlungen und der Mann schaut verliebt auf seine Frau hinunter. Das ist genau das was ich auch mal haben möchte. Bis an mein Lebensende genauso glücklich mit meinem Partner sein wie an dem ersten Tag. Aber leider habe ich in diesem Bereich bis jetzt nur schlechte Erfahrungen gemacht. Alle Jungs in meinem Alter sind nur auf das eine aus, und der Junge der meine Jungfräulichkeit gestohlen hat, hatte genau das gleiche im Sinn. Ich war Naiv und verliebt und habe es nicht durchschaut, erst als er mich fallen gelassen hatte mit der Begründung ich sei ihm zu langweilig. Damals habe ich Stunden nein Tagelang weinen müssen. Mitlehrweile kann ich nur noch darüber lachen. Ich und langweilig, diese Worte kann man nicht miteinander verbinden. Es passt einfach nicht. Ich bin zwar froh das ich mit diesem Typen nichts mehr zu tun habe allerdings hat es mir auch gezeigt das die Jungs doch alle gleich sind. Von der Kirchenglocke aus den Gedanken gerissen, schaue ich mich um. Ich habe gar nicht bemerkt wohin ich gegangen bin. Mich wundert es eher dass ich heil und nicht in 100 Einzelstücken hier angekommen bin. Bei meinem Talent hätte mich das nicht überrascht. Allerdings war das Läuten der Glocke nicht laut, weshalb ich schon weit außerhalb der Ortschaft sein muss.
Orientierungslos schaue ich mich erneut um. Der weg unter meinen Füßen ist nicht mehr Asphaltiert sondern aus Kieselsteinen gelegt. Bei jedem meiner Schritte kann ich nun das Knirschen ganz deutlich wahrnehmen. Links von mir ist ein kleines Haus fast schon eine Hütte. Und geradeaus ist eine Art Lichtung. In der Mitte führt der Kiesweg durch und links und rechts davon stehen die Bäume so dich nebeneinander das man kaum durchsehen kann. Meine Neugierde holt mich mal wieder ein und ich folge dem Weg. Allerdings ist es nicht wie gedacht eine Lichtung sondern eine große, schöne Wiese auf der eine Neue aber deswegen nicht weniger hässliche Lagerhalle steht. Langsam bewege ich mich auf sie zu und schaue mich fast panisch um damit ja keiner bemerkt dass ich hier bin. Nur würde mir das auch nichts nutzen denn hier gibt es keinerlei Möglichkeiten sich schnell zu verstecken. Die Tür in der Ecke der riesigen, grauen Wand ist einen Spalt offen und ich kann die Stimmen von drinnen leise hören. „Raphael wird heute Operiert und erst in 3 Woche wieder Einsatzfähig!" Ich zucke zusammen als jemand Lautstark auf einen Tisch schlägt. „Verdammt, das kann keiner hier wieder aufholen! Niemand wird das schaffen, alles muss man selber machen!" Schreit eine männliche alte Stimme. „Wenn Raphael nicht ausliefern kann, kann er auch nicht in den Ring! Wie lange Jackson? Wie lange setzt er aus?" Die gleiche alte Stimme wird immer lauter. „Ich bin mir nicht sicher. Er wunde übel zugerichtet, vielleicht 2 bis 3 Monate eher 3!" Ein frustrierter schrei dringt aus der Kehle des älteren Mannes. „Wo zum Teufel bleibt Ryan wenn man ihn braucht!" Hinter mir ertönt ein raues lachen und erschrocken fahre ich herum. „Ich bin schon längst hier Boss, habe nur meine neuste Bekanntschaft beobachtet." Ein Schauer fährt mir den Rücken hinunter und ich könnte mich gerade umbringen weil ich meiner Neugierde gefolgt bin. Der junge Typ etwa in meinem Alter dreht mich unvorsichtig um und stoßt mich mit der gleichen vorsicht in die Höhle der Löwen. „Na wen haben wir den da! Ein neugieriges kleines Püppchen!" Der Mann mit der alten Stimme kommt auf mich zu und fasst mir auf die Wange. Angeekelt drehe ich meinen Kopf von ihm weg. „Wie heißt du?" fragt der Mann jetzt. Als ich nicht antworte fragt er diesmal lauter, schreit mir fast schon ins Ohr. „Ich habe gefragt wie du heißt!" Als ich meinen Mund noch immer nicht öffne landet eine Faust in meinem Magen. Ich sacke kurz zusammen, falle jedoch nicht auf die Knie. Ich richte mich wieder gänzlich auf und schaue dem hässlichen Schwein direkt in die Augen. „Aus mir bekommst du rein gar nichts heraus!" Durch die Halle geht ein Raunen, erst jetzt fällt mir auf das ungefähr ein Dutzend anderer Jugendlicher hier stehen. Alle sehen mich mit purem Abscheu an. Alle bis auf einen. Der Junge kann nur ein bisschen älter als ich sein, im Gegensatz zu den anderen, sieht er mich eher mit einer Art Maske an. Sie erinnert mich stark an meine welche ich immer dann aufsetzte wenn niemand wissen soll wie es mir geht, genau wie jetzt. Man schaltet sein Gesicht quasi auf emotionslos. Genauso schaut mich der Junge gerade an, ohne jegliche Emotionen. Der Mann vor mir wird nichts aus mir herausbekommen, dafür habe ich schon zu viel durchgemacht, zu viele schmerzen durchlebt. „Jackson, bringe sie weg und Liefere mir alles was du über sie herausfinden kannst!" Der Masken Typ, welcher sich als Jackson entpuppt nickt und geht auf mich zu. Er packt mich am Arm und schleift mich schon fast in den nächsten Raum. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich bei ihm sicherer, ich weiß nicht warum, vielleicht ist es weil er sich genauso benimmt wie ich es tue. Oder aber ich handele mal wieder naiv und sollte jetzt lieber auf meinen Verstand hören. In dem Raum ist ein alter Sessel, auf welchen mich der Junge schubst, sonst nichts. „Was machst du hier?" Ich werde diesen Männern nichts verraten, daran hat sich auch jetzt nichts geändert. „Wie alt bist du?" Stur schaue ich ihm direkt in die Augen. „Also gut, fangen wir nochmal von vorne an. Du bist nicht von hier, ich kenne dich nicht und ich weiß wer hier wohnt. Du bist sicher jünger als ich, also keine 19 wenn ich raten müsste bist du vor kurzem hier her gezogen und hast dich verlaufen." Für einen kurzen Moment werden meine Augen groß, doch dieser kleine Moment scheint ihm zu reichen. „Wusste ich es doch. Hör zu du bist hier ganz offensichtlich nicht absichtlich reingeraten und wenn ich du wäre würde ich hier schnellstmöglich verschwinden, allerdings schaffst du das alleine nicht." „Also was!" fahre ich ihn dann doch wütend an. „Ich werde sicher nicht vor dir auf die Knie gehen und dich anbettelt mich gehen zu lassen!" Der Junge vor mir beginnt zu schmunzeln und beugt sich zu mir herunter. „Wenn du ganz nett bitte sagst kann ich dir hier raushelfen, aber auch nur dann!" Stur schüttle ich den Kopf. Das mache ich nicht, auch wenn alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillen und mich anschreien auf das Angebot einzugehen werde ich sicher nicht darum betteln gehen zu dürfen. Außerdem kenn ich ihn nicht, wer weiß vielleicht stellt er nur noch schlimmeres mit mir an. Kopfschüttelt dreht sich Jackson um, kurz bevor es die Tür aufmacht sagt er noch. „Ich hab dir die Wahl gelassen, kleine. Jetzt lebe mit den Konsequenzen!" Dann verschwindet er auch wieder.

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