Kapitel 3

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Mit hämmerndem Herzen starre ich auf die Wanduhr über der Tür. Ich fühle mich wie in einem Film, in dem der Kamerafokus auf die Zeiger gerichtet ist, die sich nur in Zeitlupe vorwärts bewegen. Matt hat wieder das Wort ergriffen, das glaube ich zumindest. Seine Lippen bewegen sich, er gestikuliert enthusiastisch, doch nichts kommt bei mir an. Die Worte prallen einfach an mir ab, als wollte gar keines davon meinen Verstand erreichen.

May schreibt neben mir fleißig mit, das was Matthew von sich gibt scheint also wichtig zu sein. Ein Grund mehr sich am Riemen zu reißen, aber es geht nicht. Ich wage es nicht nach vorne zu sehen, weil ich weiß, mein Blick würde an einem ganz bestimmten Punkt hängen bleiben. Darum starre ich wieder in mein Notizbuch. Die leere weiße Seite strahlt mir spöttisch entgegen. Lediglich das Datum und die Uhrzeit habe ich notiert. Unaufmerksamkeit ist eigentlich nicht meine Art, im Gegenteil, wie oft während unserer Studienzeit hat May mich als Streberin bezeichnet? Zu oft, um es zählen zu können.

Meine Grübeleien werden unterbrochen, als sich plötzlich alle zu mir umdrehen und mich fragend anschauen. W- was? So schnell wie möglich schließe ich mein Notizbuch, damit niemand sieht, dass ich noch kein einziges Wort mitgeschrieben habe. Shit! Obwohl ich völlig unter Schock stehe, versuche ich mir meine Verwirrung nicht ansehen zu lassen. Irgendwie schaffe ich es sogar zu May zu schielen. Sie zuckt mit den Schultern und nickt mir aufmunternd zu. Also nicke ich auch.

Matt lächelt und tauscht einen triumphierenden Blick mit Nathan. »Sehr gut! Schön, dass ihr beiden das übernehmt. Ich bin sicher das wird großartig.« Ich zwinge meine Mundwinkel in die Höhe.

Wovon redet er?

Mit genau dieser Frage beschäftige ich mich bis dieser Horror ein Ende nimmt. Bevor May und ich allerdings nach dem Meeting den Raum verlassen, kommt eine kleine brünette Frau auf uns zu. Sie trägt eine große runde Brille und strahlt mit den Deckenlampen um die Wette.

»Ihr beiden dürft mit mir mitkommen. Ich bin Ella«, sie reicht uns beiden die Hand zum Gruß. »Ich zeige euch euer Büro. Ihr werdet euch vorübergehend eines teilen müssen, wir hoffen das ist in Ordnung.«

May lächelt mich verstohlen an. Wir bejahen und folgen ihr zur Tür. Ich allerdings nicht ohne mich ein letztes Mal umzudrehen. Nathan steht bei Matthew. Sieht aus, als würden die beiden etwas diskutieren. May hatte recht, diese geschäftliche Seite an Matt habe ich nie kennengelernt. Es wäre allerdings eine Lüge zu behaupten, es würde nicht zu ihm passen.

Bevor ich mich unbemerkt wieder abwenden kann dreht Nathan den Kopf in meine Richtung und sieht mich nachdenklich an. Ich erstarre. Schnell schüttle den Kopf und folge Ella und May in den Gang.

Zusammenzureißen, Lexi!

Wir traben hinter Ella her, die uns in einen Flur mit haufenweise Türen lotst. »Bitteschön«, trällert sie und drückt eine davon auf. Der Raum, in den wir eintreten, ist ähnlich wie der Konferenzraum eingerichtet, hell und modern. Es ist wirklich unglaublich schön. Vor dem gigantischen Fenster stehen zwei große Schreibtische mit Telefon und PC und an den Wänden reihen sich Regale und Aktenschränke aneinander.

Das alles wirkt zwar noch sehr steril, aber ich bin sicher, wir peppen das Büro ohnehin noch etwas auf. Unwillkürlich überlege ich schon einmal, wie es aussähe ein paar Pflanzen anzuschaffen und ein kleines Radio aufzustellen. An Mays Gesichtsausdruck erkenne ich, dass sich die Zahnräder in ihrem Kopf in genau dieselbe Richtung drehen. Ich schmunzle. Wenn ich nicht wüsste, dass Mom neben mir noch Rosie und Carry hat, würde ich May für meine verschollene Schwester halten.

Ella bleibt eine Weile bei uns, um uns etwas einzuarbeiten. Wenn ich bis jetzt noch Zweifel hatte, sind sie nun ausgelöscht. Ich liebe diesen Job. Hier mit May das tun wofür ich brenne. Es könnte gar nicht besser sein. Kurz bevor Ella unser Büro verlässt, hält sie inne.

When our time comesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt