5. »Sag mal, du redest nicht gerne, oder?«

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»Nein Mama, ich habe alles so gemacht,wie du es gesagt hast«, fuhr ich sie an. »Es sieht auch wieder akzeptabel aus, der Kaffee ist nur noch ein bisschen zu sehen.«

»Der Kaffee sollte aber gar nicht mehr zu sehen sein«, erwiderte sie. »Wasch es einfach nochmal, das nimmt doch keine Zeit in Anspruch.«

»Ich habe aber keine Lust, es nochmal zu waschen«, entgegnete ich und seufzte danach. »Wenn ich es jetzt draußen aufhänge, wird es dann schneller wieder trocken?«

»Halt es doch in den Wind«, witzelte sie und ich lachte tonlos.

»Richtig lustig«, murmelte ich und öffnete die Balkontür. Matze war nicht da, das hatte ich mitbekommen – sein Motorrad war ziemlich laut. Nur hoffte ich, dass er auch noch länger wegbleiben würde. Schließlich wollte ich eine weitere Begegnung nicht herausfordern. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich in seinen Augen dastand.

»Hast du denn schon deine Nachbarn kennengelernt?«, fragte Mama und ich schmiss das Shirt über das Geländer, damit es trocknen konnte. Zum Glück hatte ich eine Mutter, die natürlich wusste, wie man einen Kaffeefleck aus einem T-Shirt herausbekam.

»Teilweise«, antwortete ich seufzend und verschwand schnell wieder in meinen vier Wänden, da es dort wesentlich wärmer war als draußen.

»Teilweise?«, wiederholte sie neugierig.

»Zwei Stück«, klärte ich sie auf und ließ mich ins Sofa fallen. »Meinen direkten und den über mir.«

»Und? Hast du es sehr vermasselt?«, fragte sie aufgeregt.

»Nein«, murmelte ich beschämt. »Viel geredet habe ich nicht, also von daher.«

Und wie ich es vermasselt hatte.

»Sind sie denn nett?«

»Ja«, antwortete ich knapp. »Ja, doch. Ich bin mir sicher, du wirst sie irgendwann noch zu Gesicht bekommen.«

»Das hoffe ich doch«, lachte sie und ich stellte meinen Fernseher an. Irgendwie musste ich Zeit schinden, es war erst fünf Uhr. Die anderen würden erst in zwei Stunden kommen.

»Die anderen schleppen mich heute Abend in eine Disco«, erzählte ich ihr, da einen Moment Stille herrschte.

»Wie schön, dann kommst du auch mal wieder aus dem Haus«, sagte sie und ich lachte leise. Eine andere Antwort hatte ich nicht erwartet. »Aber nicht alleine nach Hause kommen und-«

»Mama«, unterbrach ich sie. »Ich bitte dich, wie oft war ich schon aus? Ich bin alt genug.«

»Ich mache mir nur Sorgen«, verteidigte sie sich leise.

»Ich weiß, doch da gibt es keinen Grund zu, ehrlich.« Ich seufzte und fuhr mir durchs Gesicht.

»Vergiss nicht, deinen Schlüssel unter die Fußmatte zu legen«, erinnerte sie mich.

»Ich werde ihn gleich da verstauen, sobald ich meine Wohnung verlasse«, entgegnete ich leicht genervt. »Danke für die Erinnerung, Mama.«

»Immer wieder gerne.«

»Ich lege jetzt auf, ok?«

»Ok, Liebes.« Ich spürte ihr warmes Lächeln durchs Handy. »Ich hab dich lieb.«

»Ich dich auch«, erwiderte ich und legte danach auf. Langsam ließ ich mich weiter in mein gemütliches Sofa sinken und atmete tief durch. Meine Mutter war schon immer fürsorglich, was ich sehr zu schätzen wusste, doch manchmal regte es mich ein wenig auf. Damals, als ich meinen ersten Freund hatte, da wollte sie mich erst nicht bei ihm übernachten lassen, weil sie dachte, er wäre irgendein Spinner. Tja, wäre da nicht mein Vater gewesen, hätte ich das wohl knicken können. Trotz allem liebte ich sie, sie war eine großartige Mutter.

Last Chance (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt