49 Der Richtige Weg

26 11 7
                                    

Nach allem, was passiert ist, nach den Qualen, die Vater mir bereitet hat, sollte ich nicht zögern

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Nach allem, was passiert ist, nach den Qualen, die Vater mir bereitet hat, sollte ich nicht zögern. Ich sollte nicht so hier stehen - schwer atmend und mit zitternden Händen. Soll das etwa ein Beweis für meine Menschlichkeit sein? Dabei bin ich doch halb Nymphe und halb Fee. Der nymphische Teil in meinem Blut trotzt der Dunkelheit in diesem Zimmer. Weder eine Fackel, noch eine kleine Kerze brennt, doch ich sehe den König, mit jeder Faser seines Körpers, deutlicher, als meine Sinne ihn je wahrnahmen. Das Gras unter meinen Füßen nimmt auch das leiseste Geräusch meiner Bewegungen auf und lässt es in seinen Wurzeln verklingen, als ich das Bett des Königs umlaufe.

Friedlich schlafend liegt Cyrus auf dem riesigen Plateau aus verwachsenen Ästen, das fast schon an ein Menschenbett erinnert. Seiner paranoiden Natur entsprechen liegt er mit dem Kopf zur Tür, um den riesigen Balkon vor sich im Blick zu haben.

Je weiter, ich um ihn herumgehe, desto mehr nehme ich von ihm wahr. Die Falten auf der Stirn, vom Zerdenken jeder Kleinigkeit, die langen schwarzen Wimpern, die seine kalten Augen umrahmen und ihnen die überirdische Schönheit, mit welcher das Volk der Feen gesegnet ist, verleihen. Die Form der Spitzen an seinen Ohren, die Wangenknochen, auch die letzte ach so beliebige Einzelheit, scheint so offensichtlich, wie sonst nie. Kurz vor dem Moment seines Todes sollte er mir viel kleiner und verletzlicher vorkommen aber er war noch nie der Typ Mann, der sich klein halten lässt - selbst im Schlaf nicht. Sein Alphatiergehabe versprüht noch jetzt den, alles zur Schau stellenden, omnipräsenten Duft seiner Macht und Arroganz. Sein großer muskulöser Körper liegt schlaff im Bett, doch sein Kiefer ist angespannt.

Er ist wach. Er weiß, dass ich hier bin. Und bestimmt wartet er nur noch auf die passende Gelegenheit, um mir mit einem versteckten Dolch unter seinem Kissen die Kehle aufzuschlitzen. Dafür, dass er dieses Spiel schon so lange spielt, hat die Durchdachtheit seiner Schachzüge gewaltig nachgelassen.

Die Maske legte sie wie von selbst über mein Gesicht, und die Tore zu meiner Festung, die bisher so standhaft mein Innenleben verborgen hielt, schlossen sich schon beim Austreten aus dem verborgenen Gang. Mechanisch sucht meine Hand nach der kleinen Giftampulle, die Hikaru mir erst kurz vor der Abreise in die Hand drückte. Sie ist unsere einzige Chance, also darf ich es unter keinen Umständen vermasseln.

Ist das wirklich die beste Lösung? Ist das die einzige Lösung? Es gibt mit Sicherheit einen besseren Weg, als seinem Vater das Leben zu nehmen.

Aber wir haben bereits entschieden. Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Der König ist wach, so ruhig er sich auch stellen mag. Wenn wir jetzt fliehen, erwischen sie uns. Das würde nicht gut ausgehen. Ich habe keine Wahl mehr.

Doch sagt man nicht, man habe immer eine Wahl.

Mein Daumen drückt leise den Korken aus dem kleinen Fläschchen. Der Rat zählt auf mich, Luna zählt auf mich. Unsere Welt steht kurz vor dem Verderben und er stellt sich quer.

Und das ist Grund genug jemanden umzubringen? Wir sind Attentäter, Mörder, kein Deut besser, als er.

Aber es gibt keinen anderen Weg, die Zeit läuft uns davon. Vorsichtig, mit pochendem Herzen und eingesogener Luft in den Lungen, beuge ich mich über den Feenkönig. Jetzt oder nie. Mein Arm schnellt vor und presst sich auf seine Kehle, drückt sein Genick nach hinten.

Luna greift nach seinen Beinen, um ihn am Bett zu fixieren. Alles geht furchtbar schnell.

Der König zieht, wie erwartet einen Dolch unter seinem Kissen hervor und ich kippe ihm den Inhalt der Flasche noch im selben Augenblick in den Rachen, als Vater mir den Dolch zwischen die Rippen stößt und mein Herz nur knapp verfehlt.

Von der Seite höre ich, wie meine Freundin erschrickt eine Hand vor ihren Mund schlägt und ein leises Quieken von sich gibt. Bevor ich nachgeben kann, zwinge ich den strampelnden Mann dazu, die giftige Flüssigkeit seinen Hals hinunterlaufen zu lassen. Ich löse meinen Griff, falle nach hinten uns sehe meinem Vater dabei zu, wie er an seiner eigenen Spucke zu ersticken beginnt.

Natürlich musste er seinem Sohn noch ein letztes Abschiedsgeschenk mitgeben. Dass er diesen Kampf verliert, damit hat er wohl nicht gerechnet.

Wie kann man nur so paranoid und selbstsicher zur gleichen Zeit sein. Diese Frage kann wohl nur der Psychopath selbst beantworten. Immerhin kann ich mich nicht daran erinnern, ihn jemals liebevoll handeln gesehen zu haben. Dieser Mann kannte nur Macht, Gewalt und seinen eigenen Willen. Ein Egozentriker in seiner vollen Blüte.

Das Blut quillt zwischen meinen Fingern hervor, denn ich versuche Krampfhaft die schmerzende Wunde zuzudrücken. Meine Finger schneiden sich an der scharfen Klinge, die noch immer in meiner Brust steckt, doch ich fühle es kaum.

Luna greift unter meinem Arm durch, um mir auf die Beine zu helfen. „Wir müssen hier weg", höre ich sie irgendwo im Hintergrund raunen.

Der Raum vor mir verliert seine Form und wird immer dunkler. Mein Bewusstsein driftet ins Nirvana ab und meine Glieder fühle ich schon lange nicht mehr richtig. Plötzlich sind wir wieder auf dem breiten Gang des Palastbaus, vor den Gemächern des Königs. Eine Sekunde später umringt mich eine große, dicke Dornenpflanze.

Ich kann nicht fassen, was ich da gerade getan habe.

Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

...

Spiel im Schatten - Schlummernde MächteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt