Laiengedichte

Merkwürdig

Ein Wort, über das ich viel nachdenke, ist merkwürdig.
Nicht das Wort ist merkwürdig, sondern das Wort ist merkwürdig. Wobei das Wort merkwürdig durchaus merkwürdig ist. Worte haben die merkwürdige Eigenschaft, ihre Bedeutung zu verlieren, wenn man sie oft hintereinander sagt oder denkt. Als würde sich das Wort in seine Bestandteile auflösen, die in sich keinen Sinn mehr ergeben. Merkwürdig, oder?
Merkwürdig ist ein Synonym für seltsam oder komisch. Es ist negativ konnotiert, aber warum eigentlich? Zerlegt man es in seine Bestandteile, also merk-würdig, dann bedeutet es doch einfach nur, dass etwas des Merkens würdig ist – des Bemerkens oder des sich Merkens?
Merkt man sich Dinge nur, weil sie komisch oder seltsam sind? Könnte man nicht auch etwas Schönes, Denkwürdiges, Trauriges, Einschneidendes als merk-würdig bezeichnen? Welche Bedingungen muss ein Ereignis oder ein Gegenstand oder eine Person erfüllen, um merk-würdig zu sein? Und welche, um merkwürdig zu sein? Kann man das überhaupt definieren? Ist das nicht für jeden etwas anderes? Und was ist überhaupt „normal"? Normal lässt sich fast immer mit „gewohnt" ersetzen. Verhält sich eine Person nicht wie man es gewohnt ist, dann verhält sie sich in unseren Augen merkwürdig oder unnormal. Normalität liegt im Auge des Betrachters. Es gibt keine allgemeingültige Gesetzmäßigkeit, die man als normal bezeichnen kann. Also gibt es auch keine für merkwürdig.

Sprache ist merkwürdig.