"Von Angesicht zu Angesicht"

359 10 0
                                    

"Quirrell?"
Lächelnd drehte sich der schlaksige Zauberer zu uns. Keine Zeichen mehr von Unsicherheit und Nervosität.
"Ich habe Sie bereits erwartet Potter", sagte er und schaute Harry an. "Sie allerdings, Ms. Potter, hatte ich nicht erwartet wenn ich ehrlich bin. Wo haben Sie ihre Beschützer gelassen?"
"Ich brauche keine Beschützer", knurrte ich. Außerdem, sollte ich das hier überleben würde ich mir definitiv etwas von den Zwillingen anhören können. Und schön würde das nicht werden.
"Aber was machen Sie hier?", fragte Harry verwirrt, beinahe bestürzt. "Ich dachte Snape..."
Erneut knurrte ich.
"Severus?" Quirrell lachte und es war nicht sein übliches zittrig schrilles Lachen, es war kalt und scharf. "Ja, Severus scheint der richtige Mann dafür zu sein, nicht wahr? Recht nützlich, dass er umherschwirrt wie eine zu groß geratene Fledermaus. Wer würde neben ihm den a-a-armen st-stotternden P-Professor Quirrell verdächtigen?"
"Halten Sie den Mund!", zischte ich. Quirrell verengte die Augen und sah von Harry zu mir.
"Ich kann verstehen warum Sie ihn verteidigen Ms Potter. Doch das er Ihnen das Leben gerettet hat hat hier mit nichts zu tun!"
Schockiert sah ich zu dem Professor. Mir war eiskalt und ich hatte das Gefühl ich würde den Boden unter den Füßen verlieren.
"Sie wissen davon?", hauchte ich. Quirrell lachte.
"Ich habe es flüchtig mitbekommen", antwortete er hämisch. "Ich habe Möglichkeiten mich zu verstecken wenn ich das möchte. Ihr Bruder jedoch... wusste es scheinbar nicht."
Mein Blick fiel auf Harry der mich ungläubig ansah.
"Ich habe es Severus versprochen..."
Zu wem von beiden ich das sagte war selbst mir nicht ganz klar.
"Das wolltest du uns sagen? Deswegen warst du jedes Mal so sauer? Weil er dich gerettet hat?"
Ich nickte schwach.
"Der Mann der dich damals aus dem Weisenhaus geholt hat... Das war er?"
"Ja..."
"Aber er hat versucht mich umzubringen!", schrie Harry sauer. Ich zuckte zusammen.
"Oh nicht doch dummer Junge", erwiderte Quirrell. Verwirrt sah Harry von mir zu ihm.
"Ich war es der dich umbringen wollte. Ihre Freundin Miss Granger hat mich versehentlich umgerempelt, als sie beim Quidditch-Spiel zu Snape hinüber rannte um ihn anzuzünden. Sie hat meinen Blickkontakt zu Ihnen unterbrochen. Ein paar Sekunden mehr und ich hätte Sie von diesem Besen heruntergehabt. Ich hätte es schon vorher geschafft, wenn Snape nicht einen Gegenzauber gemurmelt hätte, um Sie zu retten."
" Snape hat versucht mich zu retten?"
" Natürlich", sagte Quirrell kühl. "Warum, glauben Sie, wollte er beim nächsten Spiel der Schiedsrichter sein? Er wollte dafür sorgen, dass ich es nicht noch einmal versuche. Wirklich eigenartig … wenn Dumbledore dabei ist, kann ich ohnehin nichts ausrichten. Alle anderen Lehrer dachten, Snape wolle verhindern, dass Gryffindor gewinnt, und damit hat er sich richtig unbeliebt gemacht … was für eine Zeitverschwendung, wenn ich Sie heute Nacht schließlich doch umbringe."
"Nur über meine Leiche!", rief ich.
"Ihr Neugier bringt Sie um Kopf und Kragen, Potter. Sie sind an Halloween in der Schule umhergeschlichen und sind auf mich gestoßen. Ich wollte mir ansehen, wie der Stein bewacht ist", murmelte Quirrell wieder zu Harry, gänzlich meine Aussage ignorierend.
"Sie haben den Troll hereingelassen?", fragte ich entsetzt.
"Gewiss. Ich habe ein glückliches Händchen, wenn es um Trolle geht. Sie haben ja gesehen, was ich mit dem in der Kammer dort hinten angestellt habe. Nun, während alle andern umherliefen und ihn suchten, ging Snape, der mich schon im Verdacht hatte, leider geradewegs in den dritten Stock, um mir den Weg abzuschneiden und mein Troll hat es nicht nur versäumt, Sie totzuschlagen, dieser dreiköpfige Hund hat es nicht einmal fertiggebracht, Snapes Bein ganz abzubeißen."
Wut kochte in mir hoch.
"Sie sind schuld, dass er verletzt wurde!?", schrie ich Quirrell an.
"Wie man es nimmt. Eigentlich ist dieser Hund schuld", antwortete er kühl.
"Der ihn nur gebissen hat weil Sev Sie aufhalten wollte!"
Quirrell drehte sich nun völlig zu mir und sah mich interessiert an.
"Sie scheinen etwas für Severus übrig zu haben", murmelte er. Ich zuckte zusammen. "Liegt das daran, dass er Ihnen das Leben rettete?"
"Er hat mehr als mein Leben gerettet", zischte ich. "Er hat mich aus meinem Gefängnis befreit, meine Wunden geheilt und mich aufgezogen als wäre ich seine eigene Tochter! Dank ihm weiß ich überhaupt wer ich bin! Er war es der mir meine Geschichte erzählt hat und nur dank ihm weiß ich, dass ich einen Bruder habe!"
Harry's Augen wurden immer größer je mehr ich erzählte. Meine Wut brachte mich ganz in Rage und  so vergaß ich das Versprechen für einen Moment.
"Nicht das Sie etwas davon verstehen würden!", knurrte ich mit zusammengepressten Zähnen. Ich durfte auf keinen Fall die Beherrschung verlieren.
"Nicht wirklich aber es interessiert mich auch nicht wirklich", sagte Quirrell fast schon gelangweilt. "Dennoch scheinen Sie eine der wenigen Personen zu sein die Severus wirklich zu kennen scheinen. Aber vielleicht denken Sie das auch nur. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Severus Ihnen nie erzählt hat, dass es sein Auftrag war Sie zu retten und bei sich aufzunehmen. Er hätte dies nie freiwillig getan."
Entsetzt starrte ich zu Quirrell.
"Sie lügen", hauchte ich. Sämtliche Farbe wisch aus meinem Gesicht. "Das ist nicht wahr!"
"Was für einen Grund sollte ich haben zu lügen?", fragte Quirrell. Mir viel keiner ein. Immerhin hatte er uns auch gesagt, dass er Harry hatte töten wollen. Warum sollte er also jetzt lügen? Doch ich konnte es einfach nicht glauben, ich wollte es nicht glauben.
"Aber jetzt, Potter, warten Sie hier ganz ruhig. Ich muss mir diesen interessanten Spiegel näher ansehen."
Erst jetzt erkannte ich, was hinter Quirrell stand. Schockiert sah ich zu Harry. Es war der Spiegel Nerhegeb.
"Dieser Spiegel ist der Schlüssel zum Stein", murmelte Quirrell und klopfte suchend am Rahmen entlang. "Typisch Dumbledore, sich so etwas einfallen zu lassen … aber er ist in London … bis er zurückkommt, bin ich längst über alle Berge."
"Dumbledore ist nicht hier?", raunte ich Harry zu. Er nickte. "Und du wusstest das!?"
Wieder ein nicken. Mit einem Mal wurde mir bewusst wir tief wir in der scheiße saßen. Wenn Dumbledore in London war würde es vielleicht Tage dauern bis ihn eine Eule erreichen würde. Wo auch immer er war.
"Wir schaffen das schon Lu!"
Er wandte sich Quirrell zu.
"Ich habe Sie und Snape im Wald gesehen", plapperte er hastig drauflos. Ablenkung? Das war also seine Taktik.
"Ja", sagte Quirrell gleichmütig, während er um den Spiegel herumging, um sich die Rückseite anzusehen. "Da war er mir schon auf die Pelle gerückt und wollte wissen, wie weit ich gekommen war. Er hat mich die ganze Zeit über verdächtigt. Hat versucht mich einzuschüchtern, als ob er das könnte, wenn ich Lord Voldemort auf meiner Seite habe."
Quirrell kam hinter dem Spiegel hervor und sah begierig hinein.
"Ich sehe den Stein. Ich halte ihn in den Händen. Aber wo ist er? Wie komme ich an ihn heran?"
"Es kam mir immer vor als würde Snape mich hassen! Warum sollte er mich retten?", fragte Harry wieder.
"Das tut er auch", sagte Quirrell nebenher. "Er und Ihr Vater waren zusammen in Hogwarts, haben Sie das nicht gewusst? Sie haben sich gegenseitig verabscheut. Aber er wollte weiß Gott nie, dass Sie sterben."
"Aber vor ein paar Tagen hab ich Sie schluchzen gehört. Ich dachte, Snape würde Sie bedrohen?"
Zum ersten Mal entgelisten Quirrell die Züge und ein ängstliches Zucken huschte über sein Gesicht.
"Manchmal", murmelte er. "Manchmal fällt es mir schwer, den Anweisungen meines Meisters zu folgen. Er ist ein großer Zauberer und ich bin schwach..."
"Sie meinen, er war in diesem Klassenzimmer bei Ihnen?"
Harry blieb der Mund offen stehen. Mir ging es nicht wirklich anders. Es war definitiv nichts gutes wenn Voldemort einfach in der Schule herum laufen würde.
"Er ist bei mir, wo immer ich bin", antwortete Quirrell leise. "Ich traf ihn bei meiner Reise um die Welt. Damals war ich noch ein einfältiger junger Mann, mit dem Kopf voll lächerlicher Vorstellungen über Gut und Böse. Lord Voldemort hat mir gezeigt, wie falsch ich dachte. Es gibt kein Gut und Böse, es gibt nur Macht, und jene, die zu schwach sind, um nach ihr zu streben … Seit damals bin ich sein treuer Diener, auch wenn ich ihn viele Male enttäuscht habe. Er musste sehr streng mit mir sein."
Quirrell zitterte plötzlich.
"Fehler vergibt er nicht so einfach. Als es mir nicht gelungen ist, den Stein aus Gringotts zu stehlen, war er höchst ungehalten. Er hat mich bestraft … und beschlossen, mich näher im Auge zu behalten..."
Quirrells Stimme verlor sich. Panisch blickte ich zu meinem Bruder. Wir brauchten einen Plan und das am besten schnell. Quirrell fluchte leise vor sich hin.
"Ich verstehe nicht … ist der Stein im Innern des Spiegels? Sollte ich ihn zerschlagen?"
Was man am meisten begehrt hm? Ein Ausweg.
Ich sah wie Harry versuchte sich ein wenig nach links zu bewegen, um vor das Glas zu kommen, ohne Quirrells Aufmerksamkeit zu erregen. Quirrell achtete nicht auf ihn. Dennoch würde es ihm ohne Zweifel auffallen würde Harry weiter nach links rutschen.
"Warum folgen Sie ihm?", fragte ich Quirrell um ihn weiter am Reden zu halten. "Er ist ein kranker Massenmörder!"
Quirrell schien auf einmal in weite Ferne vergangener Tage zu schauen. Ich stupste Harry an und nickte ihm einmal zu.
"Er hat mein naives Denken bereinigt. Opfer gehören dazu wenn man eine bessere Welt erschaffen will", murmelte er.
"Eine bessere Welt? Etwas so lächerliches hab ich lange nicht mehr gehört", spottete ich. "Voldemort hat duzendte Zauberer getötet, unschuldige Muggel abgeschlachtet! Er hat selbst Reinblüter getötet! So jemanden wollen Sie helfen? Wer sagt Ihnen, dass Sie nicht der nächste sind!?"
"Ich zweifle ihn nicht an. Mein Meister hat großes vor. Wenn ich sein nächstes Opfer bin dann nur weil ich ihm nicht von Nutzen sein konnte."
"Sind Sie bescheuert?"
Er antwortete nicht mehr, sah nur weiter auf den Spiegel, versuchte herauszufinden was sein Geheimnis war.
"Wie funktioniert dieser Spiegel? Bitte Meister, helft mir!"
Zu unserem Entsetzen antwortete eine Stimme und diese Stimme schien von Quirrell selbst zu kommen.
"Nutze den Jungen … Nutze den Jungen …"
Quirrell drehte sich zu Harry um.
"Potter, komm her!"
Langsam kam Harry auf die Beine und trat zu ihm.
"Sieh in den Spiegel! Sag mir was du siehst!"
Bitte lüg, Harry!, dachte ich verzweifelt. Die Situation spritzte sich langsam zu. Quirrell stellte sich dicht hinter ihn.
"Ich sehe mich, wie ich Dumbledore die Hand schüttle", sagte Harry mit zitternder Stimme. "Ich hab den Hauspokal für Gryffindor gewonnen."
Quirrell fluchte erneut.
"Aus dem Weg", sagte er. Harry's Hand wanderte unauffällig in seine Hosentasche. Ich sah es. Er hatte den Stein.
Er trat näher zu mir doch er war keine fünf Schritte gegangen, als eine hohe Stimme ertönte, obwohl sich Quirrells Lippen nicht bewegten.
"Er lügt … Er lügt …"
"Potter, komm hierher zurück!", rief Quirrell. "Sag mir die Wahrheit! Was hast du gesehen?"
"Lass mich zu ihm sprechen. Von Angesicht zu Angesicht."

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter ZwillingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt