Ich öffnete die Augen und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich mich in einem fremden Zimmer oder womöglich sogar in einem anderen Haus befand. Obwohl es dunkel war und ich Nichts erkennen konnte, wusste ich, dass ich allein war. Als dieser Gedanke, wie ein Zug durch meinen Kopf rauschte, stieg Panik in mir auf und meine Kehle zog sich zusammen, sodass ich ein Keuchen von mir gab. Das Geräusch, obwohl es eigentlich sehr leise war, hallte so stark von den Wänden wider, dass ich nun wusste, dass der Raum bis auf das Bett, auf dem ich lag, komplett leer war. Mir stieg ein modriger Geruch in die Nase. Dies konnte ich mir nur so erklären, dass ich mich in einem Keller oder zumindest einem feuchten Raum befand. Da es augenscheinlich auch keinerlei Fenster gab, manifestierte sich die Vorstellung von einem Zimmer, welches unter der Erde lag, in meinem Kopf.
Ich versuchte meine Panik zu verdrängen und redete mir im Stillen gut zu und hoffte, dass der Raum vielleicht eine Glühbirne hatte, welche von der Decke baumelte. Falls es eine Glühbirne gab, dann vermutlich auch einen Schalter, mit dem ich sie anschalten konnte. Ich schlug die schwere Decke, unter der ich lag, zurück und setzte vorsichtig meine nackten Füße auf den Boden. Der Boden war eiskalt und wie ich schon vermutet hatte, feucht. Ich verdrängte das Gefühl des Ekels und stand auf. Meine Füße bewegten sich mit zögernden Schritten wahllos in eine Richtung, da die Dunkelheit mir meinen Orientierungssinn komplett geraubt hatte. Die Durchquerung des Raumes schien ewig zu dauern und so begann ich meine Atemzüge zu zählen. In Gedanken zählte ich langsam Eins, Zwei, Drei, Vier…
Zumindest einen Vorteil hatte das Ganze, denn ich merkte, wie meine enge Kehle sich lockerte und ich wieder halbwegs normal atmen konnte. Jedoch war mein Atemgeräusch sehr laut und klang als hätte ich einen Marathon hinter mir, was nicht gerade dazu beitrug, dass meine Panik geringer wurde und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Die Hände tastend ausgestreckt, spürte ich plötzlich eine glatte, feuchte Oberfläche. Ich war an der Wand und damit wahrscheinlich am Ende des Zimmers angelangt und zählte gerade Fünfzig. Daraus folgerte ich, dass ich mich in einem sehr großen Raum befand. Da ich jetzt die Wand spüren konnte, begann ich mich weiter zu bewegen und mit den Händen die glatte Oberfläche nach einer Unebenheit, die hoffentlich ein Lichtschalter war, zu untersuchen.
Mein Erfolg hielt sich in Grenzen und der Untergrund, auf dem meine Füße immer mehr an Gefühl verloren, wurde zunehmend feuchter und ich trat in eine Pfütze. Die Nässe des Wassers erschreckte mich und es kam erneut ein Keuchen aus meinem Mund. Das Geräusch überlagerte sich mit dem Klang des Wassers auf dem Boden und dem meines Atems und diese Kombination hallte so furchterregend von den Wänden zurück, dass ich eine Gänsehaut bekam und nun auch noch zitterte. Ab diesem Moment wich alles, was ich noch an Ruhe und Gelassenheit hatte, aus meinem Körper und die Panik stieg mit einer bisher unbekannten Heftigkeit erneut auf. Meine Gedanken verwandelten sich in einen Strudel und rissen mich hinab in die Tiefe meiner Ängste.
Meine Panik trieb mich immer schneller durch die Pfützen. Gleichzeitig flogen meine Hände hastig über die glatte Oberfläche, um so schnell wie möglich einen Schalter, welcher die Dunkelheit verbannen würde, zu finden. Und tatsächlich, plötzlich änderte sich die Struktur der Wand unter meinen Händen und mir entwich ein überraschter Laut. Dem vorher glatten Untergrund, folgte eine raue Tapete. Ich stand wie unter Strom und ließ mit neuer Hoffnung meine Hände langsamer und vorsichtiger über die Wand streifen. Ich stieß auf eine Kante und erneut kam mir ein fast schon fröhlicher Laut über die Lippen. Meine Finger wanderten entlang der Kante nach oben und fuhren die rechteckige Struktur entlang. Erwartungsvoll versuchte ich den Schalter zu betätigen. Ein plötzliches Heulen zerriss die Dunkelheit und ein Schauder überkam mich. Aber anstatt, dass der Raum nun erleuchtet wurde, heulte eine Sirene durch das Zimmer und hallte, wie meine eigenen Geräusche, von den Wänden wider. Ich zuckte zusammen und wartete grauenvolle 10 Sekunden bis das Heulen wieder aufhörte und ich mit meinen Atemgeräuschen allein war.
Wo war ich nur und wie war ich hierhergekommen? Ich durchforstete meinen Kopf mit der Hoffnung auf eine plausible Erklärung, konnte jedoch keine finden. Ich versuchte Erinnerungsfetzen oder irgendetwas anderes hervorzurufen und stellte fest, dass mein Gedächtnis wie leergefegt war. Damit war die langsam aufgekommene Ruhe, in meinem Inneren, zunichte gemacht und die Panik durchfuhr mich erneut. Auch der Versuch, mich zu mehr Ruhe zu ermahnen, scheiterte. Denn nun stellte ich geschockt fest, dass ich nicht mal meinen Namen kannte. Mich durchzuckte eine Welle der Verzweiflung und ich begann vor mich hin zu wimmern. Der Hall des Raums lies den Laut meiner Aussichtslosigkeit ebenfalls furchterregend klingen, sodass ich verstummte und in Gedanken meiner Verzweiflung Raum gab.
Beruhige dich. Es gibt sicher eine logische Erklärung für alles.
Damit schaffte ich es wieder die Fassung zu erlangen und begann langsam die Informationen zu ordnen, die ich hatte. Ich wusste, dass ich mich in einem Raum ohne Licht, Fenster oder Möbel befand. Das Zimmer lag, laut meinen Überlegungen, unter der Erde und war feucht, was darauf schließen ließ, dass ich mich in einem Keller befand. Es gab ein Bett, in dem ich aufgewacht war und ich hatte mein Gedächtnis verloren.
Ich stand immer noch in der Pfütze und ging nun langsam weiter. Dabei wurde mir bewusst, dass die Pfütze immer tiefer wurde und es somit eine Stelle gab, an der der Boden, auf dem ich stand, eine Vertiefung aufwies. Ich ging weiter und wieder begann sich die Struktur der Wand zu verändern. Die raue Oberfläche wich erneut einer glatten und ich spürte abermals eine Kante unter meinen Fingern und fuhr sie, wie bei der vorherigen, entlang. Bei dieser handelte es sich jedoch nicht um einen Schalter, denn ich musste mich immer weiter strecken, um das Ende der Kante zu erreichen und musste schließlich feststellen, dass ich keine obere Grenze ausmachen konnte. Also begann ich die Kante nach unten hin abzuziehen. Meine Finger folgten ihr bis ich schließlich den Boden berührte und feststellte, dass es sich um eine Tür handeln musste. Ich zog meine Hand wieder aus der Pfütze und richtete mich auf, um die Breite der Tür auszumachen. Dabei fand ich einen Türgriff und versuchte zu ziehen. Die Tür bewegte sich keinen Zentimeter, sodass ich es nochmal in die andere Richtung versuchte und mich mit meinem kompletten Körpergewicht gegen sie warf, vergeblich. Ich sank erschöpft auf den Boden und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür. Tränen begannen über mein Gesicht zu rinnen und ich begann leise zu schluchzen. Ich war allein in dieser unheimlichen Dunkelheit und es gab keinen Weg, diese zu verlassen. Du musst stark sein. Vielleicht gibt es auf der anderen Seite des Zimmers eine Tür, die sich öffnen lässt.
Ich wischte meine Tränen von den Wangen und begann aus der Pfütze aufzustehen. Meine Klamotten waren vollkommen durchnässt, denn im Sitzen stand mir das Wasser bereits bis zur Brust. Ich seufzte. Dann machte ich kehrt und versuchte relativ gerade auf die andere Wand des Zimmers zu zusteuern. Da ich keinerlei Orientierung hatte, gelang mir dies wahrscheinlich nicht, denn ich zählte diesmal einundsiebzig Atemzüge, ehe ich wieder eine Wand unter meinen Fingern ausmachen konnte. Ich suchte auch diese Wand, wie die vorherigen ab und wiederholte die Methode auch bei den letzten zwei Wänden. Das Ergebnis war ernüchternd und meine Verzweiflung und Angst hatten mich fest im Griff.
Ich hatte nur die eine Tür im Wasser gefunden. Also beschloss ich wieder auf sie zuzusteuern und abermals zu versuchen, sie aufzubrechen. Je weiter ich mich ihr näherte, zumindest glaubte ich das, desto mehr wurde der Boden von Wasser bedeckt und als ich die Tür erreicht hatte, stand ich bis zur Hüfte im Wasser. Ich hatte nicht gemerkt, dass sich der Boden, während meiner Suche nach einer anderen Tür, komplett mit Wasser bedeckt hatte. Anscheinend kam durch die Tür Wasser und das immer schneller, denn während ich diesen Gedanken fasste, erhöhte sich der Wasserstand und ich stand nun schon bis zu den Rippen im Wasser. Verzweifelt versuchte ich zu dem Bett, auf dem ich aufgewacht war, zurück zu kommen. Von meiner Panik getrieben, rannte ich durch das Zimmer, jedoch kam ich nicht so schnell voran, da die Wassermassen meine Bewegungen verschluckten. Nachdem ich mich mit aller Kraft durch die Fluten kämpfte, erreichte ich schließlich das Bett und stellte fest, dass es bereits auf dem Wasser schwamm und für mich unerreichbar war. Das Wasser ging mir schon bis zu Brust und ich schaffte es nicht, mich aus dem Wasser zu ziehen und auf das Bett zu kommen. Ich konnte mich lediglich an ihm festhalten und nur mit Mühe konnte ich meinen Kopf über Wasser halten. Ich versuchte so viel Luft wie nur möglich einzusaugen und bereitete mich darauf vor, von den Wassermassen begraben zu werden. Ich schaffte es gerade noch zwanzig tiefe Atemzüge zu machen, bevor ich in den Fluten verschwand. Noch immer klammerte ich mich an dem Bett fest, welches kurz unter der Decke war und versuchte nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn auch das Bett von den Wassermassen umgeben wäre. Meine Angst war unerträglich und ich zitterte am ganzen Körper. Obwohl ich meinen Mund fest verschlossen hatte, wusste ich, dass meine Zähne klapperten.
Und dann wurde auch das Bett von den Fluten verschlungen und ich merkte, wie ich langsam zum Boden sank. Ich hatte keine Kraft mehr mich an dem Bett festzuhalten und ließ los.
Meine Gedanken fühlten sich weit weg an. Ich war wie benebelt und vergaß, dass ich mich im Wasser befand, sodass ich tief einatmete. Ich merkte nicht, dass ich einen großen Fehler begangen hatte und versuchte weiter das Wasser einzuatmen. Von meiner Angst und Panik war nichts mehr zu spüren und ich fühlte mich, als würde ich schweben. Währenddessen sank ich immer weiter in den schwarzen Fluten zum Boden. Ich bekam nicht mehr mit, wie ich auf dem Boden ankam, denn plötzlich wurde es hell und ich wurde von dem reißenden Strom der Wassermassen durch die Tür in einen hellen Raum gezogen.
Meine benebelten Gedanken begannen sich schlagartig zu klären und ich stellte fest, dass ich mich in einem komplett weißen Raum befand. Von dem Wasser war keine Spur mehr zu sehen und auch meine Kleidung, war wie durch ein Wunder wieder trocken. Ich konnte wieder atmen, ohne dass mein Atemgeräusch von den Wänden widerhallte. Erleichterung machte sich in mir breit und ich schaute mich langsam in dem Zimmer um. Außer mir befand sich noch mein Bett, dass mit mir von den Wassermassen hierhergetragen wurde, in dem Zimmer. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass in eine der vier Wände eine große Glasscheibe eingelassen war. Ich ging auf sie zu und wich erschrocken wieder zurück. Hinter der Scheibe befanden sich Menschen, die mich beobachteten. Sie hatten weiße Kittel an und hielten Schreibblöcke und Stifte in den Händen. Die Gesichter waren ausdruckslos und ihre Augen verfolgten jede meiner Bewegungen ganz genau. Sie sprachen offensichtlich miteinander, aber ich konnte kein Wort geschweige denn irgendein anderes Geräusch, außer meines Atems, hören. Einer gestikulierte wild und zeigte dabei immer wieder auf mich und in den anderen Gesichtern wich die ausdruckslose Maske einem Stirnrunzeln und angestrengten Blicken. Ich ging mit einem großen Abstand zur Scheibe, vor ihnen hin und her und versuchte herauszufinden worüber sie sprachen und wo ich mich befand. In dem Raum, in dem die Leute standen, befanden sich einige Geräte und Bildschirme, auf denen mein Gesicht abgebildet war. Die Geräte blinkten in unterschiedlichen Farben und Rhythmen auf.
Was hatte das alles zu bedeuten?
Ich wagte mich nach kurzem Zögern näher an die Scheibe und erhaschte einen Blick auf einen der Blöcke. Nachdem ich gelesen hatte, was darauf stand, sank ich zu Boden und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Auf dem Block stand in großen Buchstaben: „Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Arnsdorf“.
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Verloren
Science FictionUnd mit einem Mal wachst du auf und hast keine Ahnung mehr wer du bist...