Kapitel 2

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Die kühle Morgenluft wehte mir um die Nase, als ich mit dem Fahrrad auf dem Weg in die Schule war. 

Es war Freitag und obwohl ich mich immer auf diesen Tag freute, da diese stets wie in rasender Geschwindigkeit vorbeigingen, so konnte ich in dieser Nacht nicht schlafen und mich nicht auf den heutigen Tag freuen. Immer wieder war ich aufgewacht und nur mit Mühe und Not wieder eingeschlafen. Meine Gehirn zerbrach sich mal wieder den Kopf.  Immer mal wieder durchlebte ich Fasen, in denen ich besonders grübeln musste. Jede Nacht. Über blaue Augen. Was auch sonst? Und dann gab es wieder Monate, in denen ich ihn komplett vergaß, doch irgendeinen Auslöser gab es jedes Mal, um meine Gedanken in die Vergangenheit zu locken.

Atemlos schnaubend kam ich in der Schule an, schloss mein Fahrrad in Rekordgeschwindigkeit bei den Fahrradständern ab und hetzte in das Schulgebäude.

Meine Freunde kamen alle mit dem Auto in die Schule. Ich nicht, denn ich wohnte ganz in der Nähe der Jonas-Burg-School  und doch schaffte ich es jedes Mal beinahe zu spät zu kommen- sei es Frühling, Sommer, Herbst oder Winter-, mich aber doch noch rechtzeitig vor dem Lehrer durch die Klassenraumtür durchzuquetschen. 

Auch heute kam ich gerade so pünktlich. Calina, Sabrina und Helen saßen schon brav auf ihren Plätzen und sahen mich an. Ihre Blicke waren schon so wissend und unbeeindruckt, dass ich mich ihnen nicht mehr mal erklären musste. An meinen mir am Kopf klebenden Haaren konnte man ziemlich sicher auch erraten, was ich heute schon für Frühsport getrieben hatte. Und da nannte man mich trotzdem unsportlich und ja, so falsch war das nun auch nicht. Fahrradfahren war meine einzige Tätigkeit in die sportliche Richtung und das machte ich auch nur, weil ich ansonsten nicht zur Schüle käme. Denn ich wohnte so nah an ihr dran, dass es keine Busverbindung gab- selbst für ein Dorf wie dieses, in dem ich lebte war das sehr selten. Es war nicht total klein. Immerhin gab es über 20.000 Einwohner und doch war es einfach nur ländlich und still. Man konnte abends nicht mal ausgehen, außer wenn es Veranstaltungen gab, die extra für Jugendliche waren. Ansonsten war hier immer nur tote Hose. 

Aber ich schweife vom Thema ab. Wenn ich nicht Bus- oder Radfahren kann, dann müsste ich früher aufstehen und sind wir mal ehrlich, das wäre schlimmer, als das bisschen Sport am Morgen.

Schnell setzte ich mich neben meine Freundinnen und stellte meinen Rucksack ab.

"Na du? Mal wieder überpünktlich", neckte mich Helen. Ich streckte ihr die Zunge raus. 

"War alles so geplant." War es nicht! "Und jetzt psst. Der Lehrer fängt an zu reden." Ich schaute mit einem Grinsen auf den Lippen zum Lehrer und tat, als würde ich meine Freunde nicht mehr hören.

Halbwegs gespannt lauschte ich dem Geschichtsunterricht und hörte zu, wie mein Lehrer von der Entstehung von dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland redete. 

Hibbelig wippte ich mit dem Fuß auf dem Boden. 

Endlich ertönte das Schulglockenzeichen zu einer kurzen Pause. Sofort rückten meine Freundinnen und ich näher zusammen um den Tisch, an dem wir saßen. 

"Also Calina, was war ist in der letzten Woche noch so mit deinem neuen Typen passiert?" Seit unserem Mädchenabend war bereits eine Woche vergangen also hätte schon etwas Neues passieren können. Spill the tea, Calina.

"Er heißt Jonathan und was soll ich sagen? Vielleicht hatte er am Mittwoch mich ja geküsst", schwärmte sie mit gesenkter Stimme, damit uns nicht sofort die ganze Klasse hörte.

Wir machten glucksende und leise kichernde Geräusche.

"Wie ist das denn passiert?", fragte ich und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

"Na ja. Er hatte mich nach Hause gebracht. Er kam gerade vom Footballtraining und ich war auf dem Rückweg vom Klavierunterricht und da hat er mich aufgegabelt mit seinem Motorroller. Und dann..." Sie grinste mit verklärten Augen, "...hat er mich geküsst. Aber nur auf die Wange.

Sabrina, Helen und ich stöhnten auf. Helen schlug ihr freundschaftlich auf die Schulter. 

"Was soll das denn? Das wollten wir doch gar nicht wissen." Sabrina verkniff sich ein Lachen.

"Mehr ist nicht passiert." Calina zuckte mit den Schultern.

"Na gut. Dann Themawechsel." Sabrina nahm das Wort in die Hand. "Am Samstag ist im Club 'ne Party. We hat Lus mitzukommen?" Wohl angemerkt, der einzige Club, den es in unserem Dorf gab.

"Ne, wirklich nicht. Am Montag ist schließlich Schule." Ich rümpfte die Nase.

"Was ist das denn für eine Ausrede? Die ist doch Samstag und nicht Sonntag. Du musst ja auch nichts trinken. Und du kannst früher wieder nach Hause gehen", versuchte mich Sabrina zu überreden und auch die anderen sahen eher weniger begeistert aus. Wir waren eben die Streberclique.

Sabrina sah in unentschlossene Gesichter. 

"Kommt schon, Mädels. Die ganze Klasse ist da. Das wird lustig." 

Kein bisschen mehr Überzeugung.

"Ich kann mit euch auch früher wieder nach Hause gehen. Dann müsst ihr nicht alleine gehen, falls das euch hilft." 

Eher weniger. Sie wohnte in einer ganz anderen Richtung als wir anderen. Helen und Calina konnten gemeinsam nach Hause gehen, doch ich musste die letzten Meter im Dunkeln allein gehen. Im Dunkeln. Ich? Was noch schlimmer als früh aufstehen war, war die Dunkelheit. Ich mochte sie nur dann, wenn langsam die Sonne aufging. Dann war sie wunderschön, aber ansonsten viel zu gruselig.

Ich seufzte. "Ich frag mal meine Eltern, ob ich darf und ob sie mich abholen kommen."

Auch wenn fast alle drei ein Auto hatten und auch fahren konnten, fuhren sie eigentlich nicht, wenn es dunkel wurde. Sie waren noch Fahranfänger und wollten ihre Autos oder die Autos ihrer Eltern nicht gleich zu Brei fahren. Außer Sabrina. Die würde das machen, um einfach nur fahren zu können. 

Sie war die kleinste von uns und hatte dunkle sommersprossige Haut. Das sah total süß aus. Ihre beinahe schwarzen und lockigen Haare hatte sie meistens in einen hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Helen und Calina hatten beide blonde Haare, nur hatte sich Helen ihre Haare in einen lockeren Pixicut geschnitten, doch die Haare on Calina fielen ihr wallend bis zum Po. Es stand ihr gut. Sie hatte auch als einzige von uns braune Augen. Meine waren ein seltsamer Mix aus grün, blau und braun. Man könnte es vielleicht Grau nennen. Die von Sabrina und Helen waren beide blau. Dabei waren die von Calina ein wenig heller, als Sabrinas. 

"Sehr gut und vergiss es nicht", riss mich Sabrina aus den Gedanken.

"Ja ja", wehrte ich ab.

Dann klingelte es zur nächsten Stunde. 

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⏰ Last updated: Sep 22, 2020 ⏰

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