6 JAHRE SPÄTER
"Und? Gibt es da jemanden?" Wir saßen zu viert auf dem Bett und spielten Wahrheit oder Pflicht. Calina, Helen, Sabrina und ich.
"Um ehrlich zu sein...", antwortete Calina auf Helens Frage. Noch bevor sie den Satz beendete, sahen wir sie mit großen Augen und aufgerissenen Mündern an. "... gibt es da schon jemanden."
Wir klebten förmlich an ihr.
"Nun sag schon", drängte ich sie. Sie schmunzelte.
"Naja, das ist bestimmt schon drei Wochen her, aber da habe ich auf dem Rummel, der ja neulich aufgebaut war, jemanden kennengelernt."
"Was, und du sagst uns davon nichts?", motzte ich.
"Tut mir leid, aber das ist noch so neu. Ich weiß ja nicht, ob das hält", entschuldigte sie sich.
"Dann zeig mal Bilder von ihm", freute sich Sabrina.
Auch sie hatte noch nicht allzu lange einen festen Freund und auch Helen war seit mehreren Monaten in festen Händen.
Calina holte ihr Handy hervor und öffnete ihre Galerie.
"Das ist er." Verliebt sah sie auf das Display von dem uns ein gutaussehender Junge mit dunklen Augen und dichten Augenbrauen entgegen sah.
"Wo hast du den denn aufgegabelt und warum ist der mir nicht über den Weg gelaufen?", scherzte Sabrina. Schlecht sah er sicher nicht aus, gestand ich mir zu, aber dennoch war er nicht wirklich mein Typ.
"Und wie sieht es mit dir aus, Emilia? Was läuft da eigentlich mit dir und Valerio?", wechselte Calina das Thema, nachdem sie ihr Handy wieder weggepackt hatte.
"Nichts. Was meinst du? Wir sind nur Freunde", antwortete ich.
"Natürlich", meinte Helen.
"Nein, wirklich. Da ist nichts. Ich fühle nichts für ihn. Er ist nett und so, aber das war es dann auch." Fast war ich schon ein wenig traurig über diese Antwort, denn ich war von uns vieren noch die einzige allein. Das machte traurig und vor allem einsam. Vor allem, wenn jeder deiner Freunde keine Zeit mehr für dich hatte, da der neue Freund vorging. Aber was brachte es mir, Liebe nur vorzuspielen? Damit würde ich ihn nicht glücklich machen und mich erst recht nicht. Also blieb ich lieber Single und wartete. Irgendwann würde schon der Richtige kommen. Zumindest hoffte ich das.
Natürlich gab es in meiner Klasse genug gutaussehende Gestallten, aber keine ließ mein Herz höherschlagen.
"Was ist, wenn ich unfähig bin zu lieben", machte ich meinen Ängsten Luft.
"Jetzt red' doch nicht so einen Scheiß", klagte Sabrina. "Klar kannst du lieben."
"Emilia, wie kommst du nur darauf?", fragte Calina.
"Naja, ich hatte noch nie das gefühlt, was in den Büchern immer beschrieben wird, was ihr mir beschreibt. Schmetterlinge im Bauch, schneller pochendes Herz. Das sind Gefühle, die mir noch nie untergekommen sind. Manchmal denke ich mir, dass ich das nie fühlen werde." Beinahe lief eine Träne über mein Gesicht. Schnell wischte ich sie weg .
"Naww. Keine Sorge. Das kommt schon, wenn es kommen soll." Calina nahm mich in den Arm. Auch die anderen umarmten mich. Für einen kurzen Moment saßen wir so da, bis meine Mutter an die Tür klopfte.
"Hey Mädels, eure Eltern sind da. Ihr habt wohl ein wenig die Zeit vergessen, hm?"
"Oh, natürlich. Wir kommen gleich", sagte Helen
Meine Mutter schloss wieder die Tür.
"Also dann, mein Schatzi..." Helen, Sabrina und Calina erhoben sich von meinem Bett. "Wir sehen uns morgen in der Schule."
Wir verabschiedeten uns voneinander und ich brachte sie vor die Tür.
"Tschau, bis morgen", rief ich ihnen nach, als sie in ihren jeweiligen Autos verschwanden.Irgendwie war jetzt meine Laune verdorben. Ohne ein Wort an meine Eltern, verschwand ich zurück in meinem Zimmer und kuschelte mich unter meine Bettdecke.
Als ich die Augen schloss kam mir wieder dieses Gesicht in den Sinn. Dieses Gesicht, dass ich nun schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Ich seufzte. Hätte ich ihn nie kennengelernt, dann wäre jetzt vielleicht alles anders. Vielleicht könnte ich dann auch an jemanden anderen denken, als an den Jungen von dem ich nichts wusste, außer seinen Vornamen.
Ich wusste noch nicht einmal, auf welche Schule er jetzt ging.Langsam drifteten meine Gedanken ab, zurück in den Bus und zurück zu dem Tag, als er mir zum ersten Mal diesen tödlich schönen Blick gab, der mich nie vergessen ließ.

YOU ARE READING
Out of my Head
RomansaEin Blick, ein Lächeln und schon war es um sie geschehen. Plötzlich war sie nicht mehr unsichtbar. Der nette Junge aus dem Bus sah sie. Seine blauen Augen fraßen sich in ihr Gedächtnis und sollten daraus so schnell nicht wieder verschwinden. Das war...