Prolog: Tag 0: Ich muss der Wahrheit ins Auge sehen

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12. 7.; kurz vor den Sommerferien
Tage, die mir noch verbleiben: 7

Meine Kinnlade war heruntergeklappt, als ich den Worten von Doktor Henry zuhörte, und sich zur selben Zeit die bittere Wahrheit in mein Herz und in meinen Kopf einbrannte. All die Worte und die Tränen, die eigentlich aus mir heraussprudeln wollten, blieben mir einfach im Hals stecken und egal was ich auch versuchte, ich konnte einfach nichts sagen.
Das undefinierbare Gefühl was sich gerade in mir ausbreitete, war einfach zu stark. Ich saß einfach auf meinem Stuhl im Behandlungszimmer der kleinen Arztpraxis, die ich seitdem ich ein kleines Kind war, jede zweite Woche besucht hatte. Ich sah meinen Arzt an, der mir mit Trauer in den Augen gerade die fatale Nachricht überbracht hatte..
Du hast noch sieben Tage zu leben, bis der Tod dich holt, Alina.
Mein schlimmster Alptraum war also wirklich wahr geworden... meine Krankheit ließ sich nicht mehr heilen, sie war bereits über meinen gesamten Körper hergefallen und hatte begonnen, mich Stück für Stück  von innen aufzufressen. Sie hatte gewonnen, ich konnte es nicht mehr leugnen. Ich hatte keine Chance mehr, gegen sie anzukommen, sie war zu stark und das musste ich einsehen. Mir blieb ohnehin nichts anderes übrig. Es kam, wie es kommen musste..
Und noch immer bekam ich kein Wort heraus.  Ich hätte gern so viel gesagt, so viele Tränen vergossen, aber irgendwas hielt das alles zurück.
Ich wusste nicht einmal,  was es war, das einzige, was ich wusste, war, dass es da war... mich quälte... lachte, während es mein inneres Leiden sah... und mir die ohnehin schon bittere Wahrheit noch schlimmer machte..
,,Alina, es tut mir leid..  wir haben alles versucht, doch nichts, was wir erforscht haben, hat auch nur im Ansatz Wirkung gezeigt,  wir sind am Ende.." die warme Stimme von Doktor Henry drang nur gedämpft zu mir vor. In meinem Kopf wuselten lauter Gefühle, die ich alle nicht zuordnen konnte. Sie alle schienen  so unterschiedlich wie Tag und Nacht, doch gleichzeitig ergaben sie ein großes ganzes, als hätte man alle Emotionen, die ein Mensch empfinden kann, in einen Topf geworfen und ungerührt.  Raus kam ein graues Endprodukt, das schlimmer war, als der schlimmste Schmerz. Leere und Fülle. Alles und nichts. Irgendwas dazwischen.. nur was? Ich wusste es nicht. Und in dieser kurzen Zeit, die mir noch blieb, würde ich es auch wohl kaum herausfinden. Was sollte ich nur tun? Ich würde niemals erwachsen werden, niemals arbeiten, niemals heiraten, niemals all die Ereignisse erleben, all die Bücher lesen, all die Filme schauen, all die Sachen lernen, all die Tränen vergießen, all die Lacher erklingen lassen, all diese Momente leben, die ich noch leben wollte..
Ich wollte nicht sterben.
Aber ich werde meinem Schicksal nicht entkommen können. Ich werde sterben. In sieben Tagen. Doch bis dahin dürfte ich nicht tatenlos rumsitzen und warten, bis ich sterbe. Nein. Ich musste meine verbleibende Zeit nutzen, so gut wie es ging. Ich musste all das tun, was wichtig war. Ich musste leben, solange ich es noch konnte.

Ein Schrei entfuhr urplötzlich meiner Kehle, wodurch mich alle ansahen. Aber niemand sagte etwas. Sie hatten wahrscheinlich alle Mitleid mit mir.. würde ich an ihrer Stelle sicher auch haben. Allerdings sträubte sich ein kleiner Teil in mir dagegen, dass sie alle Mitleid hatten... ich wollte nicht, dass sie traurig waren, sie sollten doch nicht diese Erinnerung repräsentativ für mich im Gedächtnis behalten, wenn ich erst einmal gegangen war. So wollte und durfte unsere Zeit gemeinsam nicht enden. Ich würde ihnen allen Beweisen, dass sie kein Mitleid haben brauchten, dass ich mein Leben gelebt hatte und dass ich das beste aus der Situation machen konnte. Denn als das kleine, trauernde Mädchen wollte ich nicht in Erinnerung bleiben.  Nicht bei allen anderen, nicht in meinen eigenen.

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Hallu...
Ich weiß noch nicht ganz, ob ich den Rest der Geschichte veröffentlichen soll, deswegen möchte ich gern einmal fragen, wie ihr den Anfang fandet und ob ihr weiterlesen würdet, wenn es weitergehen wird... ich werde mir Mühe geben, die Geschichte ein wenig gefühlvoller zu machen, als ich es gewöhnt bin, nur zur Vorwarnung xD sonst wünsche ich euch noch einen schönen Tag, Morgen, Abend whatever..
~

Aisuru chan

just a little story about feelings and deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt