04 | 2013

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Der billige Lederbezug sank ein wenig ein, als sich Louis am anderen Ende darauf fallen ließ. Ich schloss meine Hände um mein Bein, das ich über das andere geschlagen hatte, und zog es etwas weiter an meinen Oberkörper. Mein Blick starrte geradeaus in das große Objektiv der Kamera.

"Jetzt sei doch nicht so angespannt."

Die Kamerafrau trat genervt zwischen den Geräten hervor und zog meine Aufmerksamkeit mit einem Mal auf sich. Ich schluckte, dann blinzelte ich mehrfach und schlussendlich nickte ich verständnisvoll vor mich hin. "Verzeihung", entschuldigte ich mich. Mein Hals fühlte sich ganz trocken an, weswegen ich eine Hand darauf legte und mich in meinen Rachen räusperte.

Sie schien keinerlei Hemmungen zu haben, mich so zu positionieren, wie sie es gerade wollte. Mit der einen Hand drückte sie meinen Oberkörper gerade, währenddessen sie mit der anderen meine Hand von meinem Hals auf meinen Oberschenkel legte. Ich wich ein wenig zurück, als sie zu mir aufsah und mich mit kritischem Blick musterte.

Ich schielte ein wenig beiseite. Zwischen Louis und mir saß Liam, und Niall und Zayn, die inzwischen gemeinsam gekommen waren, beugten sich mit verschränkten Armen über die Lehne. Von meiner Perspektive konnte ich die beiden kaum sehen, doch in diesem Moment schien sich alles um Zayn zu drehen. Kein Wunder, immerhin hatte man von ihm all die Jahre über am wenigsten gehört.

Soll mir recht sein.

Währenddessen die anderen sich unterhielten, wurden die Kameras und Leuchten noch in Position gebracht. Ab und zu versuchten sie, mich ins Gespräch miteinzubinden. Ich antwortete so kurz wie möglich und versuchte, mit einem flüchtigen Lächeln meine Gefühlslage zu überschatten.

Allmählich begann sich das Beruhigungsmittel von Liam in mir auszubreiten. Ich spürte, wie die Nervosität in mir nachzulassen begann und ich wieder klarer sehen konnte. Die Gedanken in meinem Kopf waren jedoch noch immer genauso verworren wie zuvor. Ich starrte geradeaus auf die Wanduhr - nur noch zwei Minuten, dann würde der Livestream starten.

Mittlerweile stand die Kamerafrau wieder auf Position, auch Niall und Zayn hatten aufgehört zu reden. Stattdessen standen sie mit geradem Rücken hinter uns und schauten in das Objektiv. In diesem Moment war alles ganz ruhig. Ich holte noch einmal tief Luft.

Daumen hoch.

Ein Daumen hoch war schon immer das Zeichen gewesen, dass die Aufnahme jetzt live geschalten wurde. Wie in alter Gewohnheit lehnte ich mich etwas nach vor und setzte ein fröhliches Gesicht auf - zumindest einigermaßen. Währenddessen Liam die Zuschauer begrüßte, ging ich in meinem Kopf noch einmal den Ablauf des Streams durch.

Kurz ein bisschen in die Kamera reden und dann dieses eine Lied vorspielen. Wenn alles gut geht, wird es nicht länger als 5 Minuten dauern.

"Es ist so unglaublich krass, wie schnell die Zeit vergangen ist. So viel ist passiert und trotzdem fühlt sich alles so an, als wäre es gerade gestern gewesen. Ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass wir euch nie genug dafür danken können, dass wir das alles erleben konnten, und dass ihr nach all den Jahren noch immer derart an uns denkt, nicht wahr?", stellte Liam nun die Frage in den Raum. Er wandte den Kopf in alle Richtungen und ein kommunales Nicken und Bejahen erfüllte den Raum. Ich stimmte mit ein.

Ich schloss die Hände um mein Knie und drückte es etwas fester an mich. Die gesamte Aufmerksamkeit lag in diesem Moment einzig und allein auf mir und es setzte mich sichtlich unter Druck. "Deswegen haben wir heute etwas für euch vorbereitet", fuhr ich fort und legte daraufhin eine kurze Sprechpause ein. Ich schluckte und versuchte, in meinem Kopf sinnvolle Sätze zu bilden.

"Wie ihr vermutlich wisst, schafft es nicht jedes Lied, das wir schreiben auch aufs Album. Ganz im Gegenteil - das meiste, das wir geschrieben haben, habt ihr noch nie gehört", meinte ich und wandte mich zu Louis, obwohl Zayn der Nächste war, der weitersprach.

"Den Song, den wir euch jetzt vorspielen werden, haben wir 2013 geschrieben", sagte er.

Nein, ich habe ihn geschrieben.

"Wir haben ihn damals für Midnight Memories entworfen und im Studio sogar ein paar Demoversionen aufgenommen, aber er hat es nie aufs Album geschafft."

Weil ihr gemeint habt, dass er nicht zum Konzept passt.

"Umso mehr freuen wir uns darauf, ihn heute das erste Mal öffentlich zu spielen."

Eine mutige Behauptung, wenn man gar nicht weiß, ob wir uns tatsächlich alle darauf freuen.

"Auf zehn Jahre One Direction."

Louis strahlte nach wie vor in die Kamera. Er schillerte in all seinen Farben, sodass ein weiteres Mal alles um ihn herum in ein endloses Nichts aus Schwarz und Weiß verlief. Und er sah so glücklich aus, dass selbst ich nicht anders konnte als zu grinsen.

Zu grinsen und zu denken, dass ich vielleicht auch einmal wieder von ihm wegsehen sollte.

aesthete | 𝐥𝐚𝐫𝐫𝐲 𝐬𝐭𝐲𝐥𝐢𝐧𝐬𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt